kommentar
Kaufkraft und Lohndynamik
„Sonst bleibt nur mehr die Not übrig"
„Wenn jeder vom kargen Lohn der Arbeiterschaft etwas weg nimmt, dann bleibt nur mehr die Not übrig. Es ist reichlich spät, wenn die verantwortliche Politik und Wirtschaft erst jetzt darauf kommt, dass es in den letzten Jahren eine große Vernachlässigung der Wirtschafts- und Sozialdynamik gegeben hat und dies, obwohl der ASGB pausenlos davor gewarnt hat, dass die Entwicklung in die wachsende Armut vieler führen wird. Jetzt finden sich Wirtschaft und Politik am Rande eines Scherbenhaufens. Sieben Jahre nicht erfolgte Angleichung der lohn- und gehaltsabhängigen Einkommen an die laufende Teuerung und an die Kaufkraftverluste sind fast nicht mehr aufzuholen, und wenn, dann nur um einen hohen Preis.
Trotzdem ist der ASGB erfreut darüber, dass die Landesregierung jetzt von Kaufkraftstärkung spricht, dass die Bereitschaft zur Errichtung eines Einkaufszentrums gewachsen ist, dass die öffentliche Hand einsieht, dass es notwendig ist, die öffentlichen Tarife und Gebühren zu revidieren, für die Rentnergeneration kostenlose Dienste der öffentlichen Hand, besonders im Transportsektor, zur Verfügung zu stellen, das Familiengeld wesentlich zu erhöhen, die seit Jahrzehnten andauernde Spekulation und Preistreiberei auf dem Wohnungsmarkt, sowohl beim Bau wie auch bei der Miete, unter Kontrolle zu nehmen. Es ist bedrückend, wenn in dieser Situation, wo am Ende des Geldes noch immer Monat übrig bleibt, das heißt, wenn das Einkommen nicht mehr bis ans Monatsende reicht, Vertreter der Wirtschaft hergehen und mehr Produktivität fordern, damit sie bereit sein könnten, der Arbeiterschaft beim Teilen entgegen zu kommen. Die Produktivität in Südtirol ist vergleichsweise immer hoch geblieben, aber bei der Verteilung des Einkommens hat es in den letzten Jahren kaum noch Kompromisse gegeben, nur laufende Teuerungen. Das schlägt sich heute in bedrückender Weise auf die gesamte Wirtschaftslage nieder. Es ist folglich höchst an der Zeit, dass alle Verantwortlichen ein Einsehen an den Tag legen und mithelfen, um zu retten, was noch zu retten ist. Die Geduld der Arbeiterschaft ist in den letzten Jahren auf eine harte Probe gestellt worden, desgleichen ihre Bereitschaft zur Einhaltung des sozialen Friedens. Jetzt wird das nicht weiter halten, wenn nicht alle Teile der Gesellschaft die Bereitschaft zeigen, konkret und auf schnellstem Wege das zu tun, was längst hätte getan werden müssen: Die Wirtschafts- und Sozialpolitik neu ordnen, dem Volk die Kaufkraft zurückgeben."
Georg Pardeller
Vorsitzender des ASGB