10. Kapitel


Genetische Risikofaktoren

Im Gegensatz zum Lebensstil kann man sich die Gene, mit denen man fürs Leben ausgestattet wurde, nicht aussuchen. Wie sehr Gene unsere kognitiven Leistungen beeinflussen, ist nicht restlos geklärt. Man weiß allerdings, dass Gene in einem steten Wechselspiel mit der Umwelt stehen und kognitive Fähigkeiten wie auch Gedächtnisleistungen nur dann entwickelt und erhalten werden, wenn sie auch gefordert und gefördert werden.
Viele Menschen, die einen von Demenz betroffenen Angehörigen in der Familie haben, haben Angst, selber an Alzheimer zu erkranken. Circa 98% der Alzheimer-Erkrankungen haben jedoch keine eindeutige genetische Ursache. Bei den restlichen zwei Prozent handelt es sich um die familiär bedingte Form der Alzheimer Demenz, die zumeist vor 65 Jahren auftritt. Diese Erkrankung bricht aus, weil Mutationen in bestimmten Genen vorliegen. Die drei betroffenen Gene, die diese seltene Art der Alzheimer Demenz auslösen können, sind das APP (Amyloid Precursor Protein), das PSEN1 (Presenilin 1) und das PSEN2 (Presenilin 2). Leider sind die meisten dieser Mutationen fast vollständig „penetrant“, das bedeutet, dass ein Träger einer solchen Mutation die Krankheit früher oder später auch entwickeln wird. In diesen Fällen helfen auch keine Präventionsmaßnahmen, da einem mit der DNA die Erkrankung sozusagen in die Wiege gelegt wurde. Es gilt hier allerdings nochmals zu betonen, dass diese Mutationen äußerst selten sind und nur sehr wenige Familien betreffen.
Für die häufiger auftretende sporadische Form der Alzheimer-Demenz, die den Großteil der Patienten betrifft und üblicherweise nach 65 Jahren auftritt, gibt es keine eindeutige genetische Ursache. Es konnten bisher nur sogenannte „Suszeptibilitätsgene“ identifiziert werden: Das sind Gene, die – wenn sie in einer bestimmten Variante (sogenannte „Allele“) vorliegen – die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ihr Träger an einer Demenz erkranken wird. Das bekannteste dieser Gene, die das Erkrankungsrisiko erhöhen, ist das sogenannte ApoE-Gen (Apolipoprotein). Wir alle tragen dieses Gen in uns, von dem es drei verschiedene Varianten gibt: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Zwei dieser Genvarianten sind in sehr vielen Studien mit der Demenz in Verbindung gebracht worden: Wenn man die ApoE4-Variante in sich trägt ist, ist die individuelle Wahrscheinlichkeit erhöht, an einer Demenz zu erkranken. Das bedeutet aber nicht, dass man die Krankheit auf jeden Fall bekommen wird. ApoE2 wird eine protektive (= beschützende) Wirkung zugesagt, denn es ließ sich zeigen, dass Träger dieser Variante weniger häufig an der Alzheimer-Demenz leiden. Es gibt aber auch Personen, die ApoE4-Träger sind und niemals Gedächtnisstörungen entwickeln und ApoE2-Träger, die dennoch an einer Demenz erkranken – denn diese Genvarianten erhöhen letztlich nur die Wahrscheinlichkeit, sind aber keine hinreichende Bedingung, dass die Erkrankung tatsächlich ausbricht: Auch unsere Umwelt und vermutlich viele andere, bislang nicht bekannte Gene tragen dazu bei, ob wir eine Erkrankung entwickeln oder nicht. Aus diesen Gründen wird eine genetische Testung, die untersucht, welche ApoE-Variante man in sich trägt, normalerweise nicht durchgeführt.
Wenngleich wir unsere Gene nicht verändern können, ist es bis zu einem gewissen Grad doch möglich, mit einem gesunden Lebensstil positiv auf sie einzuwirken. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber nicht, dass eine Demenz eine selbstverschuldete Erkrankung ist, weil man nicht gut genug auf sich aufgepasst hat: Die genauen Ursachen der Erkrankung sind bislang nicht bekannt, es wird aber angenommen, dass sehr viele verschiedene genetische und umweltbedingte Faktoren zu ihrer Entstehung beitragen. Nur einige wenige sind, wie wir in dieser Broschüre lesen können, bis zu einem gewissen Grad von uns beeinflussbar. Eine sichere Präventionsmaßnahme, immer gesund zu bleiben, gibt es leider nicht. Alles, was wir aktiv tun können, ist unser individuelles Risiko zu verringern.
Bei sämtlichen Formen der häufiger auftretenden, „spontanen“ Demenz wird für Nachkommen keine humangenetische Beratung angeboten. „Suszeptibilitätsgene“ werden grundsätzlich nur im Rahmen von Studien nachgewiesen, da die Aussagekraft gering einzuschätzen ist und im schlimmsten Fall die Angst vor einem nie eintretenden Ereignis geschürt wird.
Angst vor einer Erkrankung ist ein großer Stressfaktor, der die Lebensqualität negativ beeinflussen kann. Sorgenvolle und ängstliche Gedanken haben einen großen Einfluss auf unser körperliches und seelisches Wohlbefinden und können Symptome wie beispielsweise Vergesslichkeit auslösen. Wenn du große Angst davor hast, an einer Demenz oder einer anderen Krankheit zu erkranken, solltest du versuchen, diese Angst auf ein normales Maß der Besorgnis zu reduzieren. Es gibt leider für keinen von uns eine Garantie dafür, niemals krank zu werden und geistig immer fit zu bleiben – wichtig ist, trotz dieser Unsicherheit und der Angst seinem Körper vertrauen zu können und ein gutes und zufriedenes Leben zu führen. Dabei können dir Psychologen, Meditationstechniken und Entspannungsübungen helfen. Als erster Ansprechpartner kann dir dabei dein Hausarzt weiterhelfen.
Eine humangenetische Beratung wird nur dann empfohlen, wenn sich in der Familie ein schwerwiegender Demenzfall gezeigt hat. Es ist eine intime und schwierige Entscheidung, wissen zu wollen, ob man eine der seltenen autosomal-dominanten Mutationen in sich trägt, die jeder individuell für sich fällen muss. Die Untersuchung ist nicht verpflichtend und kann in jedem Alter gemacht werden. Manchmal kann es für die weitere Lebensplanung wichtig sein, diese Information zu haben, in anderen Fällen ist die Belastung ohne dieses Wissen geringer – die Entscheidung dazu obliegt der betroffenen Person alleine. In Bozen ist eine genetische Beratung möglich, Informationen erhältst du unter der Nummer 0471 /  907 100.
Merk dir, dass…!
… es nicht bedeutet, dass auch du die Erkrankung bekommen wirst, wenn es einen Fall von sporadischer Alzheimer-Demenz in deiner Familie gibt.
Merk dir, dass…!
… unsere kognitiven Fähigkeiten nicht nur von unseren Genen, sondern auch von der Umwelt abhängen.
Wusstest du, dass…
… Personen, die die Genvariante ApoE4 in sich tragen und dabei gleichzeitig einen hohen Gesamtcholesterinspiegel und einen hohen Blutdruck im mittleren Lebensalter haben, ein dreifach erhöhtes Risiko haben, an einer Demenz zu erkranken? (Kivipelto et al., 2002)
Wusstest du, dass…
… das Gehirn oft nicht unterscheidet, ob du etwas tatsächlich erlebst oder es dir nur einbildest, zu erleben? Wenn du dir zum Beispiel vorstellst, eine Zitrone in zwei Hälften zu schneiden und den Saft herausquellen zu lassen, produziert dein Mund vermehrt Speichel und du verziehst vielleicht sogar dein Gesicht. Ähnlich kann es einem mit Krankheiten gehen, vor denen man große Angst hat: Der Körper leitet entsprechende Maßnahmen ein, die eine Reihe körperlicher Symptome auslösen können.

11. Kapitel


Sachwalterschaft

Einer demenzkranken Person sollte in ihrem eigenen Interesse ein Sachwalter zur Seite gestellt werden. So kann Schaden von derselben abgewendet werden, denn gewisse rechtliche Handlungen sind unwirksam, wenn sie ohne Sachwalter vorgenommen werden.
Der Sachwalter wird auf Antrag vom örtlich zuständigen Vormundschaftsrichter ernannt. Vorzugsweise wird eine Person aus dem familiären Umfeld des Begünstigten zum Sachwalter bestellt.
Die Eröffnung der Sachwalterschaft wird auch in verschiedenen Registern (wie z. B. im Geburtenregister und im Grundbuch vermerkt), sodass jeder davon Kenntnis erlangen kann.
Ob die Voraussetzungen für die Eröffnung einer Sachwalterschaft vorliegen, entscheidet der Richter, ggf. auch nach Einholen eines Fachgutachtens.
Der Sachwalter erhält vom Gericht die Vorgaben, an die er sich halten muss. So legt der Vormundschaftsrichter z. B. fest, über welchen Geldbetrag der Begünstigte im Monat frei verfügen darf und ab wann der Sachwalter die Behebungen bei der Bank vornehmen muss, oder dass der Sachwalter die Pflege des Begünstigten organisieren muss.
Für bestimmte Rechtsgeschäfte, wie z. B. Verkauf von Sachen, die Annahme einer Erbschaft usw. muss vorher der Vormundschaftsrichter eine eigene Genehmigung erteilen.
Falls Rechtsgeschäfte unter Nichteinhaltung der richterlichen Vorschriften oder ohne die richterliche Genehmigung abgeschlossen werden, können sie, auch auf Antrag der Erben des Begünstigten, für nichtig erklärt werden. Die entsprechende Klage verjährt innerhalb von 5 Jahren ab Abschluss des rechtswidrigen Geschäfts.
Zu den Aufgaben des Sachwalters gehört, neben der sorgfältigen Ausübung seines Amtes, auch die Abfassung einer jährlichen Rechnungslegung, die beim Vormundschaftsrichter hinterlegt werden muss, der dann kontrolliert, ob die richterlichen und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden und ob das Vermögen des Begünstigten ordentlich verwaltet wurde.
Das Amt des Sachwalters ist grundsätzlich unentgeltlich auszuüben. Der Richter kann aber einen Kostenersatz festlegen.
Die Sachwalterschaft endet mit dem Tod des Begünstigten oder durch einen richterlichen Entscheid, falls die Gründe, die zur Sachwalterschaft geführt haben, nicht mehr bestehen. Und der Sachwalter kann vom Richter jederzeit ausgetauscht werden.
Merke dir, dass
... ein Antrag an den Vormundschaftsrichter gestellt werden muss, damit die Sachwalterschaft eröffnet wird;
... der Vormundschaftsrichter darüber wacht, ob der Sachwalter sein Amt auch gewissenhaft und unter Einhaltung der Gesetze und Vorschriften ausübt, sodass ein Missbrauch ausgeschlossen wird;
... man rechtzeitig eine Erklärung abgeben kann, wen man als Sachwalter haben möchte, sollte es einmal notwendig werden;
... bestimmte Rechtsgeschäfte, die ohne Sachwalter abgeschlossen werden, 5 Jahre lang für nichtig erklärt werden können.