4. Kapitel


Depression

Depressive Symptome stehen im engen Zusammenhang mit unserer kognitiven Leistungsfähigkeit: Geht es uns nicht gut, ist unsere Gedächtnis- und Konzentrationsleistung vermindert. Die symptomatische Ähnlichkeit der beiden Erkrankungen ist insbesondere im Anfangsstadium der Demenz zum Teil so groß, dass eine Demenz für eine Depression und eine Depression für eine Demenz gehalten werden kann. Liegt keine „echte“, degenerative Demenz vor, wenngleich die Symptome wie Vergesslichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten darauf hindeuten, spricht man von einer „depressiven Pseudodemenz“. Sehr häufig ist auch zu beobachten, dass Demenz-Patienten zusätzlich an einer Depression leiden.
Depressionen sind nicht nur symptomatisch einer Demenz ähnlich oder treten gleichzeitig mit ihr auf, sie gelten auch als Risikofaktor für die Erkrankung: In etlichen Studien konnte gezeigt werden, dass Personen, die an einer Depression leiden, einem höheren Demenzrisiko ausgesetzt sind. Warum dies so ist, konnte bislang nicht restlos geklärt werden. Es wird vermutet, dass eine unbehandelte Depression über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu Veränderungen im Gehirn führt, die eine Demenz begünstigen können. Zudem zeigen depressive Personen häufig eine verminderte Selbstfürsorge, ziehen sich zurück und meiden soziale Kontakte: Der Mangel an geistiger Anregung und Stimulation wirkt sich zusätzlich ungünstig auf die kognitiven Fähigkeiten aus.
Fühlst du dich über Wochen niedergeschlagen, zögere nicht und suche einen Arzt auf. Depressionen sind auf ein Ungleichgewicht bestimmter Botenstoffe im Gehirn zurückzuführen. Bei der Depression handelt es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung, die medikamentös und therapeutisch behandelt werden kann.
Bewegung (siehe Kapitel 2) ist ein sehr gutes Mittel, den Antrieb zu steigern und die Stimmung zu bessern. Neben Gymnastikübungen zu Hause helfen insbesondere Spaziergänge, Schwimmen, Fahrradfahren und Gartenarbeit. Dabei kannst du zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn so kannst du zudem frische Luft und mit etwas Glück auch Sonne tanken.
Setz dir kleine Ziele für jeden Tag und hab Geduld mit dir. Selbstvorwürfe und große Erwartungen verstärken depressive Gedanken und Gefühle. In Momenten, in denen es dir nicht gut geht, solltest du dir „mildernde Umstände“ zubilligen und keine wichtigen Entscheidungen treffen.
Wusstest du, dass…
…  Gunther Sachs, der 2011 Selbstmord beging, da er dachte, an einer Demenz erkrankt zu sein, gar nicht an einer solchen Erkrankung litt? Im nachträglichen Befund konnte festgestellt werden, dass Sachs an einer depressiven Pseudodemenz litt – einer Erkrankung, die potenziell behandelbar und heilbar ist.
Merk dir, dass…!
…  Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen im Rahmen von vielen Erkrankungen auftreten, die man keinesfalls selbst diagnostizieren kann. Um die Ursachen von Gedächtnisstörungen festzustellen, such bitte einen Arzt auf.

5. Kapitel


Chronischer Stress

Stress ist eine körperliche und geistige Beanspruchung des Menschen, die durch innere oder äußere Belastungen oder Reize ausgelöst wird.
Stress muss nicht immer schlecht sein: Positiver Stress erhöht die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit des Körpers kurzfristig, kann gut bewältigt werden und schüttet Glückshormone aus. Dies passiert dann, wenn ein Mensch zu bestimmten Leistungen motiviert ist. Als negativ wird Stress dann empfunden, wenn er dauerhaft auftritt und nicht kompensiert werden kann, die Gehirnleistung mindert und das Immunsystem belastet. In akuten Stresssituationen kommt es zur gesteigerten Aktivität des vegetativen ­Nervensystems (= „unbewusstes“ Nervensystem, das lebensnotwendige Funktionen wie den Blutdruck, die Atmung und den Herzschlag regelt) und des Hormonsystems. Zudem steigt die Herzfrequenz und die Durchblutung, Glukose (= Zucker) wird freigesetzt, die Magendarmtätigkeit eingeschränkt und die Blutgerinnung beschleunigt, während gleichzeitig das Immunsystem etwas herunterfährt, um Energie zu sparen. Besonders wichtig in einer Stresssituation ist dabei das körpereigene Stresshormon Cortisol, das von der Nebennierenrinde gebildet wird und zu verschiedenen Tageszeiten in unterschiedlichen Mengen im Blut vorhanden ist. In einer Stresssituation ist das Cortisol in unserem Blut besonders erhöht. Ursprünglich wurde unser Körper damit auf eine Flucht- oder Kampfsituation vorbereitet, um besser kämpfen und schneller laufen zu können; in den Stresssituationen, die uns heutzutage im Beruf, in der Freizeit und in der Familie begegnen, sind Reaktionen dieser Art allerdings zumeist unangebracht.
Negativer Stress kann eine ganze Reihe von Symptomen auslösen: Neben körperlichen Symptomen wie Bluthochdruck, Muskelschwäche, Verspannungen und Gelenkschmerzen (um nur einige zu nennen), kann es auch zu Gedächtnisschwierigkeiten und Vergesslichkeit kommen. Die Wahrnehmung gestresster Personen ist eingeschränkt, ein Tunnelblick entsteht, und die gesamte Aufmerksamkeit wird auf die Stresssituation gelenkt. Dies führt zu Vergesslichkeit und Zerstreutheit bei den betroffenen Personen. Es konnte gezeigt werden, dass Cortisol unsere Gedächtnisleistung beeinflusst und langfristig sogar zu Veränderungen im Hirn führen kann. Einen ganz besonders großen Einfluss hat Cortisol auf den Hippocampus, die Hirnstruktur, die vor allem an der Gedächtnisbildung beteiligt ist: Hält der Stress über Monate an, kann es dort zum Absterben von Nervenzellen kommen. Langanhaltender Stress beschleunigt zudem den Alterungsprozess: Chronische Stressbelastung lässt unsere Zellen schneller altern und erhöht das individuelle Krankheitsrisiko. Insbesondere Depressionen können durch eine langanhaltende Stressbelastung ausgelöst oder verstärkt werden, welche wiederum ein bekannter Risikofaktor für die Demenz sind (siehe Kapitel 4).
Häufige und langanhaltende Stresssituationen, die die Cortisolausschüttung im Körper erhöhen, sollten möglichst vermieden werden.
Bei einer akuten Stresssituation ist kurzfristig Bewegung ein gutes Mittel zur Erholung: Durch körperliche Aktivität (z.B. einem Spaziergang an der frischen Luft) werden Adrenalin und Cortisol abgebaut. Gleichzeitig wird man abgelenkt und verliert den stressbedingten Tunnelblick.
Stress kann durch Tee, Kaffee, Zucker und Alkohol zusätzlich stimuliert werden. Eine gesunde Ernährung in angenehmer Umgebung zugeführt, hilft, das Stresslevel zu reduzieren.
Reizdeprivation, d.h. der Entzug von sensorischen Reizen wie Hören und Sehen „stressen“ uns: Versuche, eventuellen Schwierigkeiten mit Brille, Hörgerät oder genug Licht nachzukommen, um solche stressigen und für den Körper anstrengenden Situationen zu vermeiden.
Bei gestressten Personen leidet oft der Schlaf unter der Belastung – welcher wiederum wichtig für unsere kognitive Leistung ist. Schlafmangel führt zu einer vermehrten Ausschüttung von Cortisol, und der Körper hat nicht genügend Zeit, sich zu regenerieren. Findet sich im Alltag sonst keine Zeit für ein Mittagsschläfchen oder fürs Ausschlafen, solltest du dir zumindest am Wochenende Zeit dafür nehmen.
Werden wir von Sinneseindrücken überflutet, kann das stressig sein. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden und Dinge achtsam und gezielt zu tun und wahrzunehmen.
Teemischungen mit Melisse, Hopfen oder Lavendel wird eine entspannende Wirkung nachgesagt.
Merk dir, dass…!
… chronischer, langanhaltender Stress den Alterungsprozess beschleunigen kann.
Wusstest du, dass…
… Stress das bewusste, zielgerichtete Lernen, das vom Hippocampus abhängt, stört? Das konnte in einer Studie nachgewiesen werden, bei der Probanden eine Lernaufgabe bewältigen mussten, während sie eine Hand in Eiswasser hielten. Dies löst Stress aus – wie die Hormonanalysen zeigten – und beeinflusst unser Lernen negativ. (Schwabe & Wolf, 2012)
Wusstest du, dass…
…  der Mensch in Stresssituationen häufig einen Tunnelblick entwickelt und ganz automatisch auf Routinehandlungen zurückgreift? Bei der Bundeswehr oder bei Brandschutzübungen wird genau das genutzt und trainiert, damit Menschen für Stresssituationen eine Verhaltensroutine entwickeln. Im Normalfall sind chronisch gestresste Mitarbeiter für ein Unternehmen allerdings von Nachteil: Sie sind weniger leistungsfähig, weniger produktiv, weniger kreativ.