Schwerpunktthema

TA-Ausbildung in der Zukunft – 3 Behauptungen

Jürg Bolliger
PTSTA-E
mail@juerg-bolliger.ch
Wie sieht die TA-Ausbildung im Jahr 2030 aus? Hast du dir darüber schon einmal Gedanken gemacht? Gibt es die Ausbildungsgruppen, wie wir sie heute kennen noch? Wenn ja, wie wird Theorie vermittelt? In welcher Form darüber diskutiert? Sind elektronische Medien fester Bestandteil? Wenn ja, in welcher Form?
Da ich weder des Kristallkugel- noch des Kaffeesatzlesens mächtig bin, habe ich keine Antworten auf diese Fragen. Deshalb beschränke ich mich in diesem Beitrag auf drei Behauptungen. Dabei liegt der Fokus auf der Frage, inwiefern E-Learning in TA-Ausbildungen Einzug halten wird.
Bevor ich zu behaupten beginne noch Folgendes: Was in TA-Kreisen teilweise noch Zukunftsmusik ist, ist andernorts bereits Gegenwart. Computergestütztes Lernen oder Online-Lernen geschieht bereits. Das ist nicht die Frage. Es geht vielmehr darum, ob und in welcher Form es sinnvoll ist, elektronische Medien zu nutzen, um TA-Inhalte zu vermitteln.
Genug der einleitenden Worte. Hier ist die erste Behauptung:
Behauptung 1:
E-Learning wird Präsenz-Seminare nicht ersetzen – jedoch bereichern
Videokurse und Webinare können Weiterbildungsgruppen, in welchen man sich sieht, hört und riecht, nicht ersetzen – genauso wenig wie Bücher. Die TA-Ausbildung ist nicht nur Theorievermittlung, sondern lebt vom Austausch, von Begegnungen, von Beziehungen. Daher gebe ich Entwarnung bei allen, die befürchten, Transaktionsanalyse werde irgendwann nur noch übers Internet gelehrt.
Und wie können E-Learning-Formate die TA-Ausbildung bereichern? Das Schlagwort heisst Flipped Learning oder zu gut deutsch umgedrehter Unterricht. Die Idee dahinter ist, die reine Wissensvermittlung auf digitale Kanäle auszulagern, während es in den Präsenzseminaren um die Umsetzung und praktische Anwendung geht.
So könnte das ablaufen: Die Lernenden erhalten Zugang zu Online-Theoriemodulen, welche aus Lernvideos und/oder Audioaufnahmen bestehen. Je nachdem werden zusätzliche PDF-Dateien mitgeliefert. Sie arbeiten diese Module in einem bestimmten Zeitraum durch. Vielleicht gibt es zusätzlich ein Webinar, an welchem Fragen zur Theorie geklärt werden können. Später trifft sich die Ausbildungsgruppe und vertieft die online erworbene Theorie durch Übungen, Erfahrungsaustausch und Diskussion.
Das bringt zeitliche und örtliche Flexibilität für die Lernenden. Wann und wo sie die Theoriemodule bearbeiten, ist ihnen überlassen. Die Webinare sind zwar zeitlich fix, jedoch ortsunabhängig besuchbar.
Die Theoriemodule werden einmal durch die Lehrenden erstellt und können immer wieder verwendet werden. Möglicherweise erstellen auch einige Lehrende diese Module gemeinsam und verwenden sie dann in ihren jeweiligen Ausbildungsgruppen.
Die Präsenzzeit bekommt eine neue Bedeutung. Theorievermittlung nimmt zeitlich zugunsten der Selbsterfahrung und des Austausches ab. Der Schwerpunkt liegt nicht darin Wissen anzueignen, sondern bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Nach meiner Ansicht liegt das ganz im Sinne der TA-Ausbildungstradition.
Behauptung 2:
Menschen werden durch Online-Angebote die Transaktionsanalyse kennenlernen
Unser heutiges Weiterbildungsangebot zieht gewisse Menschen an und schliesst gleichzeitig andere aus. Es geht dabei nicht nur um die eigentliche TA-Ausbildung, sondern auch um kürzere Seminare und Kurse.
Sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen nutzen vermehrt Online-Angebote, wenn es um Weiterbildung geht. Der Anteil der Transaktionsanalyse in der Angebotspalette ist derzeit noch verschwindend klein. Auf der Webinar-Plattform Edudip bieten beispielsweise über 15'000 Online-Trainer kostenfreie und kostenpflichtige Webinare an. Im Jahr 2015 wurde auf Edudip mit Webinaren ein Gesamtumsatz von 1,4 Millionen Euro erzielt. Webinare zu TA-Themen sucht man fast vergeblich.
Die Nachfrage nach Videokursen und Webinaren wird weiter steigen. Ich glaube nicht, dass diese Angebote Seminare im herkömmlichen Sinn ersetzen werden. Vielleicht sind sie eher mit Büchern zu vergleichen. Die Schwelle, ein Buch zu kaufen und zu lesen, ist niedriger als sich für ein Seminar anzumelden. Ähnlich ist es mit Webinaren oder Online-Kursen. Sie bieten die Möglichkeit, einen ersten Kontakt mit einem Thema herzustellen. Im Gegensatz zu Büchern erhalten Teilnehmende auch einen persönlichen Eindruck des Trainers.
Meine bisherigen Erfahrungen mit Webinaren und Online-Kursen zeigen, dass es immer wieder Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt, die Lust auf mehr bekommen und sich nach Präsenzveranstaltungen erkundigen.
Behauptung 3:
Eric Berne würde Flipped Learning nutzen
Ich gebe zu, diese Behauptung hat nicht direkt mit der Zukunft zu tun. Sie ist auch nicht überprüfbar. Da mich die Vorstellung persönlich begeistert, platziere ich sie hier trotzdem.
Eric Berne war es ein grosses Anliegen, seine Ideen in verständlicher Form an den Mann und an die Frau zu bringen. Ich bin überzeugt, er hätte die Online-Möglichkeiten genutzt, um seine Ideen zu verbreiten.
Es gibt ein Anzeichen, dass meine Behauptung zutreffen könnte. Kennst du die Videos von Eric Berne? Wenn nicht, empfehle ich dir, sie einmal anzuschauen. Hier findest du sie:
juerg-bolliger.ch/zukunft
Diese Videos wurden in einer Zeit gedreht, in welcher es noch keine Youtube-Stars gab. E-Learning war noch kein Thema. Und Eric Berne hat den Aufwand nicht gescheut, sie zu drehen. Weshalb hätte er nicht auch Videokurse, Webinare und Apps fürs Mobiltelefon nutzen sollen, wenn er damals schon die Möglichkeit gehabt hätte?
Und jetzt?
Gerne zeige ich dir einige E-Learning-Möglichkeiten praktisch. Leider eignet sich die Papierform dazu sehr schlecht (ob es im Jahr 2030 das DSGTA info in einer multimedialen Form gibt?). Aus diesem Grund biete ich exklusiv für DSGTA info Leserinnen und Leser ein Webinar an. Dieses Webinar findet am Dienstag, 30. Mai 2017 von 19.30–20.30 Uhr statt. Wenn du daran interessiert bist, kannst du hier deine E-Mail-Adresse eintragen:
juerg-bolliger.ch/zukunft. Du erhältst dann den Zugangslink zugestellt.
Ich werde dir dann einen Einblick in Online-Möglichkeiten geben. Weiter wirst du Gelegenheit haben, bei Bedarf Fragen zu stellen und vielleicht auch deine eigenen Behauptungen zur TA-Ausbildung in der Zukunft zu formulieren.
BEGRIFFE
E-Learning:
alle Formen von Lernen, bei denen elektronische Medien zum Einsatz kommen (https://de.wikipedia.org/wiki/E-Learning)
Webinar:
zu einem festgelegten Zeitpunkt stattfindendes Online-Seminar
Online-Kurs / Videokurs:
Wissensvermittlung durch Videos und allenfalls zusätzliches Material (z.B. Arbeitsblätter); die Teilnehmenden können den Kurs zeitlich und geografisch unabhängig und in ihrem Tempo durcharbeiten und bei Bedarf die Videos auch mehrmals ansehen
Erklärvideos:
kurze Videos, die einen – meist komplexen – Sachverhalt einfach erklären
Podcast:
über das Internet regelmässig erscheinende, abonnierbare Audio- oder Videodateien
Mobile Lern-Apps:
Programme für Smartphones, welche das Lernen unterstützen

Schwerpunktthema

Die Zukunft des Zusammenwirkens der Menschen

Günther Mohr
Dipl. Psychologe, lehrender Transaktionsanalytiker TSTA-O, dipl. Volkswirt
www.mohr-coaching.de
info@mohr-coaching.de
Zurzeit sieht sie etwas düster aus, die Zukunft. Der Kitsch ist dabei, die Macht zu übernehmen, wie es der Innsbrucker Professor Anton Pelinka formuliert (Pelinka, 2010). Was Kitsch in der Kunst ist, das Vereinfachte, Simplifizierte, einen oberflächlichen Alltagsgeschmack Befriedigende, stellt der Populismus in Gesellschaft und Politik dar. Die Komplexität der Welt, sowohl die emotionale aber auch die kognitive, wollen viele Menschen einfach nicht mehr realisieren. ‹Postfaktisch› wird die Sichtweise, man hat ‹alternative Fakten›.
Psychologisch gilt: Es gibt nur Gegenwart. Auch die Vergangenheit ist das, was man in der Gegenwart daraus macht, wie man sie heute sieht. Der Erfinder der Transaktionsanalyse, Eric Berne, hat einige pro­gnostische Theorien entwickelt, die man auf die politischen Bewegungen des Populismus anwenden kann. Bei psychologischen Spielen, den destruktiven Beziehungs- und Kommunikationsmustern, läuft alles auf ein vorhersehbares, schlechtes Ende, im Zweifelsfalle für alle Beteiligten, hinaus. Spiele beginnen mit Abwertungen, das heisst Ausblendungen von Aspekten der Realität. Die Abwertung wird wieder populär. Sie passt zum Populismus. Der eine hat es geschafft die Begriffe Flüchtling und Terrorist fast deckungsgleich zu verwenden, wie es der Schauspieler Richard Gere ausdrückte. Dabei ist er selbst mit einer Migrantin verheiratet und seine Familie stammt aus einem damals sehr armen Landstrich Deutschlands. Ein anderer möchte in einem europäischen Land mit sehr liberaler Tradition eine ganze Religion vertreiben. Selbst das Land von Liberté, Egalité und Fraternité steht am Scheideweg.
Bei genauem Hinschauen ist die Unzufriedenheit mit dem so genannten Establishment gar nicht so unverständlich. Haben nicht die Eliten aus Wirtschaft und Politik 2008 den Karren der Weltwirtschaft an die Wand gefahren? Länder wie Grossbritannien, Spanien, Portugal und Griechenland haben sich bis heute nicht von dieser Wirtschaftskrise erholt.
Es wurde übrigens niemals Abbitte geleistet, es gab keine Entschuldigung. Zur Glaubwürdigkeit hat das nicht beigetragen. Auf diesem Hintergrund kann man das Misstrauen, das viele Menschen gegenüber dem ‹komplexen System› entwickelt haben, nachvollziehen.
Zeigen sich Alternativen?
Auf der Makroebene sind schon seit einiger Zeit Ansätze zur Gemeinwohlökonomie zu beobachten (z.B. Felber, 2010). Dabei geht es um eine Umgestaltung von Unternehmen, ihren Lieferanten und den Konkurrenzbeziehungen hin zu einem deutlich kooperativeren und menschengerechten Umgehen miteinander. Man könnte sagen: Weg vom aus militärischen Traditionen stammenden Gegeneinander und hin zum transparenten und fairen Umgang. Im TA-Sinne wird hier eine ‹abwertungsfreie Zone› geschaffen. Auch das bedingungslose Grundeinkommen ist ein makroökonomischer Versuch das o.k.-Sein des Menschen praktisch zu verankern. In der Schweiz wurde das Volksbegehren zu 1’500 Franken Grundeinkommen zwar abgelehnt, realistischere Grös­senordnungen haben hier vielleicht mehr Chancen.
Organisationsentwicklerisch sind die Gedanken jetzt insbesondere von dem Belgier Frederik Laloux weitergedacht worden (Laloux, 2015, 2016). TA-Gedanken sind dabei an vielen Stellen erkennbar, weil sowohl Erwachsenen-Ich-Beziehungen (‹auf einer Augenhöhe›) als auch das Autonomieziel zentral sind. Laloux geht von der Grundthese einer Unzufriedenheit der Menschen mit den bestehenden Organisationsformen aus. Die jährliche Gallup-Studie ergibt mit grosser Konstanz, dass lediglich 13 bis 17 Prozent der Mitarbeiter hoch engagiert sind. Laloux beobachtete, dass vor allem die engagierten und an ganzheitlichem Sich-Einbringen in den Beruf interessierte Leute die Organisationen verlassen.
Komplexität und Hierarchie
Der Hauptpunkt, dass das Alte nicht mehr funktioniere, liege in der Unfähigkeit der Hierarchie Komplexität zu bewältigen. ‹Kein komplexes System funktioniert mit Hierarchie›, sagt er und führt als Beispiel das menschliche Gehirn an. Andere Beispiele für komplexe, selbststeuernde Systeme seien Zellen, Pflanzen, Bäume, der ganze Wald. Alle würden sich durch Selbst­organisation steuern. Für niedrige Komplexität könnten hierarchische Lösungen funktionieren, aber nicht für hohe Komplexität. Warum soll das für Organisationen nicht gelten?
Die These, dass Hierarchie nicht in der Lage ist, hohe Komplexität zu bewältigen, bestätigt sich in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte: etwa bei VW und Deutsche Bank. Die Hierarchen waren so rigide: ‹Ihr habt gefälligst genau die von uns vorgegebenen Ziele zu erreichen.› Und mehr oder weniger unausgesprochenen: ‹Aber wir wollen nicht wissen, wie ihr das tut!› Zusammen mit lockenden Boni war damit abwertenden bis illegalen Praktiken der Weg bereitet. Die beiden Unternehmen kämpfen mittlerweile mit Milliarden hohen Strafzahlungen und letztlich um ihre Existenz.
Praxisbeispiele
Das Paradebeispiel der neuen Organisationsform ist für Laloux Buurtzorg. Die holländische Krankenpflegeorganisation für ambulante Dienste hat sich von der in dieser Branche weit verbreiteten tayloristisch organisierten Organisation, die die Krankenpflege im Minutentakt vollzieht, verabschiedet. Hierarchien sind sowohl im Inneren der Organisation, als auch nach aussen, den Patienten gegenüber, abgeschafft. Das hat die Pflege-Landschaft in den Niederlanden revolutioniert. Bei Buurtzorg setzt man sich zunächst mit dem Patienten zusammen und trinkt eine Tasse Kaffee. Der Krankenpfleger bespricht mit dem Patienten, wie dieser sozial eingebunden ist, wo vielleicht Unterstützungs- und Beziehungssysteme zur Verfügung stehen. Angeblich soll dadurch der Betreuungsaufwand und der Zeitdruck erheblich reduziert worden sein, so eine Untersuchung von E&Y. Es existiert ein System von Verbesserungsvorschlägen, das vom internen Netz und nicht von den Chefs beurteilt wird.
Auch der nordfranzösische Autozulieferer FAVI wurde von seinem Geschäftsführer umgestaltet, nachdem dieser mit der bisherigen, alten Form unzufrieden war. Auch in diesem Industriebetrieb versucht man sich von dem Hierarchiegedanken zu verabschieden. Mittlerweile legt FAVI mit einer Daumenregel fest, wie viel Prozent der Einnahmen für Materialkosten, wie viel für Bezahlung, wie viel für Investitionen und wie viel für Profit genommen werden. Und bei FAVI kann ‹ein Arbeiter eine Maschine kaufen›. Die Maxime ist dann, dass er in einen Beratungsprozess eintreten muss. Er muss die Beteiligten und die Experten in einen Konsultationsprozess einbeziehen. Je grösser die Entscheidung, umso mehr Leute sind einzubeziehen. Aber er behält das Heft in der Hand, nicht irgendeine weiter weg liegende Planungsabteilung oder ein über allem stehender Chef. An dieser Stelle wird auch die Verantwortung klar, die das neue System mit sich bringt. Entscheidungsprozesse und Beratungsprozesse werden in neuer Form gestaltet und verknüpft. Gerade bei Entscheidungen sei wesentlich, sich in den partizipativen Prozessen nicht vom Konsensprinzip bestimmen zu lassen. Es braucht effiziente Entscheidungsmuster.
Eine weitere Musterorganisation, Holacracy, hat dazu einen umfangreichen, um nicht zu sagen sehr detaillierten Kodex der Rollenbeschreibungen und des Vorgehens beschrieben. ‹Tensions› (Spannungen) nehmen dabei einen grösseren Raum ein. Offensichtlich rechnet man mit dem Menschen noch so, wie er ist (Robertson, 2016).
Das leidige Geld
Wie läuft es mit der Bezahlung, wenn keine Hierarchie da ist? Kaum zu glauben, auch diese werden von den Betroffenen mit Hilfe eines Rankingsystems selbst bestimmt. Letztlich entscheidet ein gewähltes Komitee. Dies führt auch dazu, dass jemand einmal mehr bekommt, als er erbeten hat. Dabei geht man von einem anderen Menschenbild aus: Faule Mitarbeiter sind eher die Folge einer bestimmten Einstellung im Unternehmen, nicht eine Eigenschaft der Mitarbeiter. Die ‹Möhren›-Ideologie, Leute leisten nur etwas, wenn man ihnen ‹Möhren› (Boni, variable Gehaltsbestandteile) in Aussicht stellt, ist passée. Eher gilt die intrinsische Motivation nach Deci: ‹Ich mache etwas engagiert, weil es mir Freude macht›.
Gerade bei Unternehmen, die an der Spitze des technischen Fortschritts stehen (Apple, Google, Microsoft und Facebook) kann man die neue Organisation beobachten. Sie haben ein Thema: Innovationsdruck. Sie müssen laufend und schnell mit Innovationen auf den Markt kommen. Da ist Hierarchie hinderlich. Hier müssen auch Menschen integriert werden, die an der eigenen ganzheitlichen Entwicklung interessiert sind.
Hierarchie als kulturelles Skript
Das Problem ist, dass Hierarchie in unserem kulturellen Skript enthalten ist. Wir denken in Hierarchien. Er formt seit Menschengedenken den Bezugsrahmen. Fast alle gesellschaftlichen Bereiche wie Politik, Staat, Wirtschaft, Krankenhaus, Religion, Kirche sind hierarchisch aufgebaut. Fast überall in der Welt werden Kinder in der Schule hierarchisch zur Anpassung gebracht.
Deutsche Unternehmen sind interessanterweise historisch bedingt etwas weniger hierarchieorientiert als die in vielen anderen Ländern. Die französische Unternehmenskultur ist schon merkbar autoritärer, patriarchalischer und hierarchischer. Erst recht sind autoritär-hierarchische Strukturen in nahöstlichen und fernöstlichen Kulturen verbreitet. Allenfalls die niederländischen und die skandinavischen Unternehmenskulturen sind weniger hierarchisch.
Aber lässt sich Hierarchie wirklich vermeiden? Die Antwort heisst, theoretisch nicht ganz, aber praktisch deutlich. Holacracy zeigt, wie kleinteilig man dann Rollen, Kontrakte und ‹Tension›-Bewältigung durchdenken muss (Robertson, 2016). Die Herrschaft der Hierarchie-Traditionalisten (‹hat es doch immer gegeben›) ist in den mentalen Modellen der Menschen allerdings sehr stark verankert. Hierarchie scheint seit Jahrtausenden das gewohnte mentale Modell der Menschen.
Schlussfolgerung: Was ist neu an den neuen Ansätzen?
Die Antwort ist: ‹im Prinzip nichts›. Alles wurde schon mal angedacht. Aber der Kontext und die Zeit sind anders. Der Personal- und Arbeitsmarkt (VUCA-World) ist durch die relative Knappheit des Fachkräfteangebotes und das Auftreten einer neu orientierten Generation (Generation Y) anders geworden. Die Chance wäre da, aber die Köpfe (Bezugsrahmen, kulturelles Skript) müssen frei werden und dieses Gegenmodell zum Populismus muss mit aktiver Verantwortung getragen werden.
Literatur
Felber, C. (2010): Die Gemeinwohlökonomie, Wien: Deutike.
Laloux, F. (2015): Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Gebundene Ausgabe, München: Vahlen.
Laloux, F. (2016): Reinventing Organizations visuell: Ein illustrierter Leitfaden sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit, Taschenbuch. München: Vahlen
Mohr, G. (2006): Systemische Organisationsanalyse, Grundlagen und Dynamiken der Organisationsentwicklung, Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
Mohr, G. (2009): Wirtschaftskrise – Von Angst und Gier zu Substanz und Anerkennung, Berlin: ProBusiness.
Mohr, G. (2015): Systemische Wirtschaftsanalyse Bergisch-Gladbach: Edition Humanistische Psychologie.
Pelinka, A. (2010): Populismus ist Kitsch ist Kunst ist Demokratie? Beitrag zur Installation der ‹Betrachterfigur› in Mals, 2010.
Robertson, B. (2016): Holacray: Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt, München: Vahlen.