Getrieben von Furcht

Wenn die Schatten näherkommen

// Kathinka Enderle //
© Chad Madden - unsplash
Das unsichtbare Leid - Verfolgt von der Vergangenheit
Lenas Geschichte
„Ich war damals 20, er 25. Anfangs lief alles gut. Langsam, fast unmerklich, begann er sich zu verändern. Am Anfang war er ein Traummann, mit der Zeit wurden selbst kleine Diskussionen intensiv. Sein Temperament explodierte, Möbel wurden gerne zu Opfern seiner Wutausbrüche. Er isolierte mich langsam, aber immer mehr. Den Kontakt mit meinen Eltern wollte er mir verbieten.Ich war blind vor Liebe oder vielleicht vor der Lüge, die er mir erzählte. Nach fast einem Jahr wollte ich ausbrechen, nichtsahnend dass das der Anfang von Vielem war. Monate des Stalkings mit Drohnachrichten, Anrufen und Briefen folgten. Ich blockierte ihn, aber er fand neue Wege. Versuche, den Kontakt zu unterbinden und an sein Verständnis zu appellieren, scheiterten. Nach Monaten ließ er mich sein. Seine „Abschiedsnachricht“ war wie ein Schlag ins Gesicht. Er datete eine neue Frau, während er mich stalkte. Sein letzter Satz lautete: „Man sieht sich immer zweimal im Leben, dann sicherlich als Freunde.“ Wie könnte ich je nach so viel Leid und Trauma mit so einem Menschen befreundet sein?“
Gibt es bestimmte Momente oder Orte, an denen du dich besonders unsicher fühlst?
„Jeder Ton auf meinem Handy löste lange Zeit Panik in mir aus. Sogar in meinem Heim fühlte ich mich nicht mehr sicher, da er mir angedroht hatte, er würde kommen, um mir Schaden zuzufügen. Seitdem habe ich Vertrauensprobleme und starke Angst. Um mich sicher zu fühlen, wechselte ich meinen Wohnort. Selbst jetzt, Jahre später, lasse ich niemanden mehr schnell in mein Leben. Ich bin in Therapie und arbeite daran, diese Erfahrung zu überwinden. Aber auch bei Fortschritten bleibt ein mulmiges Gefühl. Narben des Traumas müssen heilen.“
Sprichst du über deine Erfahrungen oder bevorzugst du es, lieber darüber zu schweigen?
„Lange Zeit war es mein Geheimnis, das nur meine Familie wusste. Als ich das erste Mal davon erzählte, war es ein Notfallplan, falls mir etwas passieren sollte. Danach schwieg ich. In der Therapie spreche ich darüber, aber kaum außerhalb der Sitzungen. Vielleicht ist es die Scham, die Angst vor der Meinung anderer... Oder das Gefühl, dass kaum jemand verstehen kann, was ich durchgemacht habe. Aber Schweigen ist keine Lösung. Es ist ein Teil meiner Heilung, langsam aber sicher, auch anderen davon zu erzählen und offener damit umzugehen.“
Wie denkst du, beeinflusst Geschlecht die Art und Weise, wie du von deinem Stalker belästigt wurdest?
„Sein Denken war von einem konservativen Weltbild geprägt. Für ihn gehörte die Frau in die vier Wände, unsichtbar für die Welt, und vor allem gehörte sie ihm. Das wurde erst später klar. Frauen mussten sich unterwerfen und Männern gehorchen. Sein Verhalten und sein Versuch, mich zu kontrollieren und zurückzuholen, bestätigten das. Es war, als würde er versuchen, mich in eine Rolle zu drängen, die er für mich vorgesehen hatte. Das war nicht nur beängstigend, sondern auch demütigend.“
Gibt es Ressourcen oder strukturelle Unterstützungsangebote, die du dir wünschen würdest?
„Ich hatte nie das Selbstvertrauen, um zu meinen Grenzen zu stehen, das machte mich anfällig für Manipulation. Ich würde mir wünschen, dass so etwas Kindern beigebracht werden würde. Ich wusste auch nicht, dass Einrichtungen mir helfen könnten. Ich ging nicht zur Polizei, weil ich dachte, es würde nichts bringen. Im Nachhinein weiß ich es besser. Leider kommen einem diese Ressourcen oft nicht als erstes in den Sinn, wenn man in dieser Situation steckt. Ich fände es gut, wenn es mehr Information darüber gebe, dass es Hilfe gibt.“
Zwischen Bedürfnis und Bedrohung – Im Mittelpunkt der Obsession
Hannahs Geschichte
„Ich lernte einen Mann meines Alters über eine Dating-Plattform kennen, leider gingen meine Gefühle nicht über Freundschaft hinaus. Das habe ich deutlich gemacht und er schien es zu akzeptieren. Bald erzählte er mir, dass er eine instabile Kindheit hatte, ohne richtige Elternrollen. Er sehnte sich im extremen Maß nach Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit –für ihn war ich das perfekte Objekt dafür. Es entwickelte sich schnell zur Obsession. Ich musste 24/7 für ihn in Bereitschaft sein. Antwortete ich nicht gleich, begann er mich mit Anrufen und Nachrichten zu überfluten. Er entschuldigte sich jedes Mal, wenn ich auf meine Grenzen verwies, änderte sein Verhalten aber nicht. Nach einer Weile brach ich den Kontakt ab. Anfangs wäre ich bereit gewesen, eine freundschaftliche Rolle zu übernehmen, aber definitiv nicht die einer Mutter, eines strengen Vaters oder einer Partnerin. Ich blockierte ihn, aber er versuchte mich über alle meine Social-Media-Profile zu kontaktieren, irgendwann auch bei meiner Familie und Arbeit. Schließlich rief ich ihn ein letztes Mal an und sagte ihm klar und direkt, was Sache ist. Er war schockiert und verletzt, aber ich denke, er hat verstanden, wie ungesund sein Verhalten war, schließlich ging das über Jahre so.“
Gibt es bestimmte Momente oder Orte, an denen du dich besonders unsicher fühlst?
„Nein, eigentlich nicht. Unsicherheit entstand weniger in Momenten oder an Orten, sondern mehr durch die intensive Kontakt-Dynamik mit ihm. Er beanspruchte überdimensionale Aufmerksamkeit und verursachte ‚zachen‘ Stress. Wenn ich ihm keine Zeit widmete, drohte er damit, sich selbst etwas anzutun. Es war also eher seine Persönlichkeit, durch die ich mich unsicher fühlte, und die Frage, wie ich angemessen reagieren sollte.“
Sprichst du über deine Erfahrungen oder bevorzugst du es, lieber darüber zu schweigen?
„Zu sprechen fällt mir leicht. Meine Freunde wussten davon und halfen mir. Ich erkannte, dass ich nicht die Verantwortung für ihn trage. Ich habe versucht zu helfen, aber ich bin weder Psychologin noch Psychiaterin und kann seine Traumata nicht aufarbeiten – noch möchte ich sie auf mich übertragen lassen. Ich empfinde Mitgefühl für ihn, aber mein Wunsch, dass er Hilfe bekommt, überwiegt.“
Wie denkst du, beeinflusst Geschlecht die Art und Weise, wie du von deinem Stalker belästigt wurdest?
„Mein Geschlecht als Frau hat ihn sicher beeinflusst. Meine Weiblichkeit wurde zu einer Projektionsfläche für seine unerfüllten Bedürfnisse nach Liebe, Fürsorge und Aufmerksamkeit – Gefühle, die er von seiner Mutter nie bekommen hatte. Die Liebe aber auch die Strenge, auf den Tisch zu hauen, war etwas, was er sich gewünscht hatte, aber nie erlebt hat. Er projizierte Sehnsüchte auf mich und versuchte so, die Lücken seiner Kindheit zu füllen. Es wäre für ihn besser gewesen, professionelle Hilfe zu suchen, anstatt elterliche Rollen in anderen.“
Gibt es Ressourcen oder strukturelle Unterstützungsangebote, die du dir wünschen würdest?
„Ich erinnere mich daran, dass während meiner Schulzeit oft Vertreter der Polizei kamen, um den sicheren Umgang mit dem Internet aufzuklären. Ich denke, eine ähnliche Aufklärung von professionellen Fachkräften bezüglich Stalking wäre für Schüler*innen hilfreich.“

Voci letterarie femminili

La sicurezza: dalla tutela dei diritti sociali e civili alla deriva securitaria

// Cristina Pelagatti | Centaurus //
Paradigma vittimario, pacchetti sicurezza, cittadini visti come vittime, femminismo punitivo: ne parla la giurista Tamar Pitch, autrice del libro “Il malinteso della vittima”.
Diritti, salute, lavoro: da tempo il concetto di sicurezza non è più collegato a questi termini ma associato automaticamente alla possibilità di essere vittima di comportamenti criminali che si combattono con il ricorso massiccio alla giustizia penale, dimenticando qualsiasi tema sociale: è la deriva securitaria che trasforma le persone da cittadini a potenziali vittime. Di questi temi si occupa la giurista Tamar Pitch, ordinaria di filosofia e sociologia del diritto all’Università di Perugia “la sicurezza oggi è diventata l’idea che si debba fare in modo che si abbassi il tasso di vittimizzazione individuale rispetto alla criminalità di strada. Il fulcro è questo, e questo è da tempo al centro dei diversi pacchetti sicurezza, quello che deve essere approvato è uno dei peggiori, con uno spaventoso aumento sia della repressione con ricorso alla giustizia penale, sia della repressione amministrativa. Questo continuo ricorso alla giustizia penale come soluzione a tutti i problemi è spesso parte dell’accrescimento dei problemi che si vorrebbe risolvere. Non è una novità, è un percorso che parte da lontano, dallo spostamento degli investimenti dalle politiche sociali alla repressione.” L’incremento del ricorso alle politiche repressive riguarda anche una parte del movimento femminista, Pitch parla di femminismo punitivo in relazione “a quella parte dei movimenti femministi che chiede l’innalzamento delle pene per reati già esistenti o l’introduzione di nuovi reati, come la gestazione per altri o l’utilizzo di lavoro sessuale, in nome della tutela delle donne. Questi movimenti che agiscono secondo un comune senso securitario parlano con la voce di altre donne, pretendendo di silenziare chi volontariamente vuole fare la gestazione per altri o vendere servizi sessuali.” Pitch non crede siano possibili politiche democratiche per la sicurezza “ritengo invece possibile che lavorare sulla sicurezza sociale produca una maggiore sicurezza anche urbana, con maggiori eguaglianza e risorse economiche per tutte e tutti. La sterilizzazione dei territori, con le strade pulite e le emarginazioni nascoste, cacciando i mendicanti, le prostitute, i migranti, non produce maggiore sicurezza per i cittadini, soprattutto per le donne che rischiano di più tra le mura domestiche che fuori.” Pitch approfondisce anche il concetto di paradigma vittimario con “l’emergere di autoassunzione dello status di vittime per venire riconosciuti come interlocutori politici. Non si ha una voce a meno che non ci si definisca vittima, questo produce una visione di società piatta e orizzontale che ignora le disuguaglianze, divisa non tra sfruttati e sfruttatori ma tra vittime e criminali, in cui si confrontano buoni e cattivi, cattivi che vanno annientati a colpi di dispositivi penali.”
Tamar Pitch