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Kolumne – Powerfrau und Softie-Mann

// Alexandra Kienzl //
Hosenanzug, verschränkte Arme – so stellen sich wohl viele von uns eine „Powerfrau“ vor. © Unsplash / Christina wocintechchat.com
Machen wir einen kleinen Test: Sie schließen die Augen, und ich flüstere Ihnen das Wörtchen „Powerfrau“ ins Ohr. Was sehen Sie? Ich als erstes eine natürlich in einen Hosenanzug gewandete Businessfrau, die Arme verschränkt, vielleicht vor einer Glasfassade, Mitglied in mehreren Vorständen, die kräftig mitmischt in der Männerwelt. Als nächstes taucht dann unweigerlich ein Duracell-Hasl vor meinem geistigen Auge auf, ja genau, die mit der nervigen Trommel, oder eine an einen Generator angeschlossene Frau, die ohne Unterlass tut und schafft und dabei lächelt. Ja, es sind ermüdende Bilder. Dabei ist das Wort „Powerfrau“ zweifellos als Kompliment gedacht. Es wird anerkennend genutzt für Frauen, die, man muss es leider so formulieren, „ihren Mann stehen“, indem sie Durchsetzungsvermögen, Ausdauer, Tatkräftigkeit an den Tag legen, also lauter Eigenschaften, die traditionell männlich konnotiert sind. Dass das als schmeichelhaft empfunden wird, konnte man an der Facebook-Aktion „Powerfrauen vor den Vorhang!“ sehen, bei der Frauen begeistert ihre Freundinnen für eben diesen Titel nominierten und feierten.
Dabei hat der Begriff etwas höchst Unangenehmes. Schauen wir ihn uns mal grammatikalisch näher an. (Bitte nicht aussteigen jetzt, wird halb so wild). „Powerfrau“ ist, so wie „Graukäse“, „Himbeersaft“ oder „Mistkäfer“, ein sogenanntes Determinativkompositum, was nichts anderes bedeutet, als dass es aus zwei Wörtern zusammengesetzt ist, und das erste Wort das folgende näher bestimmt. Graukäse ist also die Art Käse, vor der einem graut, Himbeersaft der spezielle Saft aus Himbeeren, der Mistkäfer ein Käfer, der sich vorzugsweise mit Mist abgibt. Was für die „Powerfrau“ bedeutet, dass wir es hier mit einer Frau zu tun haben, die „Power“, also Kraft hat. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass das nicht von allen Frauen behauptet werden kann, nein: Es zeichnet eben gerade diese Art von Frauen aus. Hmpf. Als nächstes drängt sich frau da die Frage auf, weshalb es eigentlich das Wort „Powermann“ nicht gibt. Gibt es etwa keine Powermänner oder ist das Wort überflüssig, weil, im Unterschied zu den Frauen, jeder Mann quasi gottgegeben mit ebendieser „Power“ gesegnet ist? Beides eher unwahrscheinlich. Für Männer werden eher die Begriffe „Macher“ oder „Tausendsassa“ gebraucht, die beide keinen expliziten Hinweis aufs Geschlecht enthalten, während die Frauen eben „Powerfrauen“ sind: Frauen, die trotz ihres Geschlechts, so scheint es, etwas drauf haben. Nochmal hmpf.
Dabei hat gerade die Facebook-Aktion gezeigt, wie viele solcher „Powerfrauen“ es eigentlich gibt. Jede und jeder kennt welche, jeder und jedem fallen auf Anhieb Frauen ein, die engagiert sind, leistungsstark, sei es im Job oder in der Fürsorgearbeit oder nicht selten in beidem zugleich, die ihren Weg gehen, die sich nicht unterkriegen lassen, die sich immer wieder behaupten müssen, weil wir halt immer noch mit Stereotypen zugekleistert werden. Die „Powerfrau“ ist also keine Ausnahmeerscheinung. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, die meisten Frauen sind Powerfrauen, womit der Begriff eigentlich hinfällig ist. Es ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der das patriarchalische Narrativ vom „schwachen Geschlecht“ noch Konsens war, obwohl die Realität stets das Gegenteil bewies. Grund genug, es in den Mülleimer der ausgedienten Sprachhülsen zu treten. Wohin man übrigens auch getrost das Wort „Softie-Mann“ verbannen könnte. Der „Softie-Mann“, meinetwegen auch „Schlappi-Mann“ oder „Warmduscher-Mann“ wäre nämlich das Pendant zur „Powerfrau“: Ein Mann, den entgegen der vorherrschenden Vorstellungen von Männlichkeit Einfühlungsvermögen, Zartheit, Aufopferungsbereitschaft auszeichnen. Dass diese „typisch weiblichen“ Eigenschaften in ihrer Zuschreibung an einen Mann als weitaus weniger ehrenhaft empfunden werden als die „Power“ zur Frau, erkennt man übrigens auch daran, dass mir eine „Softie-Männer vor den Vorhang!“- Challenge auf Facebook noch nicht untergekommen ist. Schade, weil’s ebenso Eigenschaften sind, auf die man(n) stolz sein kann.

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Young – Miteinander mächtig sein

// Pia von Musil //
Wie Hannah Arendts Theorien zur Grundlage für Südtiroler Schulprojekte werden können.
Macht – sie kann unterdrückend sein, ausbeuterisch, herrschend, beherrschend.
Dieses Bild ist oft als erstes in unseren Köpfen präsent, wenn uns „Macht“ begegnet.
Der Begriff „Macht“ ist ein gutes Beispiel für das sogenannte „framing“. Das englische Wort, welches sich seit einiger Zeit ins Feld der Kognitionsforschung eingeschlichen hat, beschreibt Folgendes: Jedes Wort aktiviert einen „frame“ (dt. Rahmen), welcher wiederum Assoziationen hervorruft. Beim Wort „Maske“ etwa werden Sie ab März vergangenen Jahres nicht mehr nur an die feuchtigkeitsspendende Lotion aus der Drogerie denken, sondern viel eher an unseren täglichen Begleiter: den Mund- und Nasenschutz.
Genauso wie das Wort „Maske“ hat eben auch der Begriff „Macht“ seinen frame.
In diesem Artikel möchte ich jedoch von diesem, zu Beginn kurz skizzierten, vorgedachten Bild der „Macht“ abweichen und eine andere Facette der Macht aufzeigen.
Geleitet hat mich dabei die Auseinandersetzung mit der bekannten politischen Theoretikerin Hannah Arendt (1906-1975), welche in ihrem Buch Macht und Gewalt unter anderem folgende Begriffe aufgreift: Autorität, Gewalt, Macht, Stärke und Kraft.
Arendt manifestierte, dass all diese Begriffe in der Umgangssprache oftmals als Synonyme verwendet würden. Würde man die Wörter jedoch nicht nur auf den politischen Kontext begrenzen, so zeige sich die Vielfältigkeit hinter den Begriffen.
Nach ihr liegt somit z.B. der größte Unterschied zwischen den Begrifflichkeiten „Macht“ und „Autorität“ darin, dass „Autorität“ im Gegensatz zur „Macht“ von einer einzigen Person ausgeübt werden kann. „Macht“ kann laut Arendt nur in einer Gruppe ausgeübt werden. Sollte die machtausübende Gruppe jedoch zerfallen, so zerfällt mit ihr die Macht. Arendt schreibt der Macht also einen kollektiven Charakter zu. Sie fügt außerdem hinzu, dass Macht neben der kollektiven, auch eine schaffende Eigenschaft hat.
Man ist also in der Gemeinschaft tätig.
Ich möchte nun zwei wichtige Punkte herausheben: Erstens möchte ich vom allseits bekannten frame der „unterdrückendenden Macht“ Abstand nehmen und zweites möchte ich Arendts Tradition folgen und der Macht einen gemeinschaftlichen Charakter zuschreiben.
Während des vergangenen Schuljahres wurden von unserer Direktorin, Heidi Hintner, verschiedenste Projekte für und mit interessierten Schülerinnen gestartet. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit fiel mir im Laufe der Zeit auf, dass bei all unseren Arbeiten Hannah Arendts Theorie der Macht sichtbar wurde.
In unserem gemeinschaftlichen Schaffen und Handeln wurden wir mächtig.
Im Laufe des Jahres kristallisierte sich eine eingefleischte und motivierte Hauptgruppe von Schülerinnen heraus, die abhängig von den einzelnen Projekten auch erweitert wurde.
Jedes der zu erarbeitenden Projekte hatte unterschiedliche Ausgangspunkte, Herangehensweisen, Ausführungen und führte zu unterschiedlichen Ergebnissen. So konnte der Anlass sowohl ein spontanes Gespräch im Rahmen des Elternsprechtages als auch eine längere Tradition am Maria-Hueber-Gymnasium sein. Die Ergebnisse wiederum reichten von einem kunstvollen Videoclip bis zu einem Radioauftritt bei Rai Südtirol.
Voraussetzung für das Gelingen solcher Projekte ist neben der Bereitschaft von uns Jugendlichen, uns einzubringen, das Glück, emanzipatorische Lehrpersonen zu haben, die uns an die Hand nehmen und uns über die schulische Ebene hinaus bilden, fördern und unterstützen.
Ich möchte nun zwei Projekte vorstellen, welche das weite Spektrum der Möglichkeiten aufzeigen, auf welche wir uns im Rahmen unseres Arbeitens eingelassen haben.
Das „Radio-Projekt“, an welchem wir zu fünft beteiligt waren, startete im Herbst des Schuljahres 2020/2021. Es ist ein fixer, wenn auch fakultativer Bestandteil der 5. Klasse am Maria Hueber. Ziel des Projektes ist es, eigenständig persönliche, philosophische und politische Texte zu verfassen. Um unsere Gedanken angemessen vorzutragen, bekamen wir ein individuelles Lesetraining mit Waltraud Staudacher; es folgte kurze Zeit später ein Aufnahmetermin mit Rai Südtirol, welcher covidbedingt leider in der Schule stattfinden musste. Im Februar und März konnten unsere Stimmen und Texte dann im Rahmen der Morgengedanken auf Rai Südtirol gehört werden. Als große Freunde empfanden wir die zusprechende Resonanz aus vielen Teilen des Landes.
Das zweite Projekt, das „Philosophische Café“, hatte andere Ursprünge: als spontane Idee von Heidi Hintner geboren wurde es zum fixen Bestandteil meiner beiden letzten Oberschuljahre. Jeden Monat traf sich eine kleine Gruppe, in der 5. Klasse auf vier Mitglieder gewachsen, im Parkhotel Laurin, um eineinhalb Stunden Gedankensport in Form von philosophischem Denken und Diskutieren zu verbringen. Dieses Projekt kann kein konkretes Resultat vorweisen, dennoch empfand ich jedes Treffen als Bereicherung und hatte das Gefühl, Aspekte meines Denkens besser verstanden zu haben.
Anders als meine nun abgeschlossene Schulzeit hat dieses Projekt erfreulicherweise noch kein Ende genommen. Unsere Gruppe wird sich zusammen mit Heidi Hintner nun online treffen und somit werden wir – ganz im Sinne Hannah Arendts – weiterhin tätig und dadurch mächtig sein.
Radio-Projekt am Maria-Hueber-Gymnasium: Eine Gruppe von Schülerinnen nahm selbstverfasste Texte auf. © Kathinka Enderle