Thema
Mit aktiver Gewaltfreiheit für einen gerechten Frieden kämpfen
Bilder aus der Ukraine und dem Nahen Osten zeigen uns eine Welt des Krieges. Papst Franziskus weitet diesen Blick, weil er seit seinem Amtsantritt immer wieder betont, dass wir mitten in einem Dritten Weltkrieg in Stücken leben, womit er auch kriegerische Konflikte in anderen Erdteilen anspricht, und einen umfassenderen Gewaltbegriff vertritt, der auch Terrorismus, Kriminalität, Missbrauch (insbesondere gegen Migranten und die Opfer des Menschenhandels) und die Zerstörung der Umwelt einbezieht. Diese kriegerische Weltlage weckt bei vielen Menschen ein Verlangen nach Frieden.
Kein fauler Friede
Der Wunsch nach Frieden ist aber selbst nicht ohne Probleme, weil nicht jeder Frieden schon gut ist, und es Formen von Frieden gibt, unter denen Menschen zu leiden haben, während deren Profiteure, jene Menschen als Störenfriede ins Gefängnis werfen oder töten lassen, die gegen Unrecht und Diskriminierungen ankämpfen. Putin ist mehr am Frieden nach seiner Vorstellung interessiert als die Ukraine, die keinen aufgezwungenen Frieden hinnehmen will. Wir kennen auch in unseren Familien Formen von Frieden, bei denen Konflikte unter den Teppich gekehrt werden, anstatt diese für ein besseres Miteinander konstruktiv zu nutzen.
Martin Luther King, der US-amerikanische Kämpfer gegen die Diskriminierung der Schwarzen, ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich der Kampf für den Frieden sein kann. Er verbrachte nicht nur Zeit im Gefängnis, sondern bezahlte schließlich sogar mit seinem Leben. Er wusste auch, dass der Frieden keineswegs immer gut und erstrebenswert ist. In einer Predigt aus dem Jahre 1956 protestierte er gegen den faulen Frieden, der an der University of Alabama eingekehrt war, nachdem diese Autherine Lucy, die erste schwarze Studentin dieser Universität, ausschloss, um sie vor Attacken eines gewalttätigen Mobs zu schützen. King kritisierte diesen „widerlichen Frieden“, der sogar in der „Nase des allmächtigen Gottes stinkt“. Ein solcher Frieden muss bekämpft werden, wie er unter Hinweis auf Jesu Wort betonte, dass dieser nicht gekommen sei, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34). Mehrmals nennt er in dieser Predigt Typen von Frieden, die er zurückweisen musste: „Wenn Frieden die Bereitschaft bedeutet, sich wirtschaftlich ausbeuten, politisch dominieren, demütigen und ausgrenzen zu lassen, dann will ich keinen Frieden.“
Martin Luther King, der US-amerikanische Kämpfer gegen die Diskriminierung der Schwarzen, ist ein Beispiel dafür, wie gefährlich der Kampf für den Frieden sein kann. Er verbrachte nicht nur Zeit im Gefängnis, sondern bezahlte schließlich sogar mit seinem Leben. Er wusste auch, dass der Frieden keineswegs immer gut und erstrebenswert ist. In einer Predigt aus dem Jahre 1956 protestierte er gegen den faulen Frieden, der an der University of Alabama eingekehrt war, nachdem diese Autherine Lucy, die erste schwarze Studentin dieser Universität, ausschloss, um sie vor Attacken eines gewalttätigen Mobs zu schützen. King kritisierte diesen „widerlichen Frieden“, der sogar in der „Nase des allmächtigen Gottes stinkt“. Ein solcher Frieden muss bekämpft werden, wie er unter Hinweis auf Jesu Wort betonte, dass dieser nicht gekommen sei, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34). Mehrmals nennt er in dieser Predigt Typen von Frieden, die er zurückweisen musste: „Wenn Frieden die Bereitschaft bedeutet, sich wirtschaftlich ausbeuten, politisch dominieren, demütigen und ausgrenzen zu lassen, dann will ich keinen Frieden.“
Nur ein gerechter Frieden ist erstrebenswert, der auch als positiver Frieden bezeichnet werden kann, weil er nicht nur wie der negative Frieden auf die Abwesenheit von direkter Gewalt sowie auf Ruhe und Ordnung zielt, sondern auch alle Formen von struktureller Gewalt – wie wirtschaftliche oder soziale Diskriminierung – zu überwinden versucht. Wer für den gerechten Frieden eintritt, stellt sich so wie Papst Franziskus mit seinem Hinweis auf den aktuell herrschenden Dritten Weltkrieg gegen alle Formen von Gewalt und Unterdrückung.
Gewaltfrei für den gerechten Frieden kämpfen
Wo Gewalt und Ungerechtigkeit vorherrschen, muss ein gerechter Friede erkämpft werden. Noch immer tun sich aber Christ:innen schwer, Frieden mit Kampf zu verbinden. Eine lange vorherrschende Auslegung der Bergpredigt wirkt hier immer noch nach. Aufforderungen, dem Bösen nicht zu widerstehen und die andere Wange hinzuhalten (Mt 5,39), haben viele Christ:innen zu einer Haltung der„Wehrlosigkeit“ und der Hinnahme von Unrecht verleitet. Der deutsche Soziologe Max Weber kritisierte diese Haltung als eine „Ethik der Würdelosigkeit“. Wäre ein solches Verständnis die Sinnspitze der Bergpredigt, so könnte sie zu Recht als unverantwortlich beiseitegelegt werden. Tatsächlich liegt hier aber ein Missverständnis vor. Jesus sprach nämlich von einem Schlag auf die rechte Wange, die in einer rechtshändigen Kultur nur mittels der Rückhand ausgeführt werden konnte. Einer solchen demütigenden Geste trat er mit der Aufforderung entgegen, die andere Wange hinzuhalten, also einen Kampf auf Augenhöhe und zwischen gleichwertigen Gegnern zu führen. Als er selbst vor Gericht von einem Diener geohrfeigt wurde, hielt er daher auch nicht die andere Wange hin, sondern stellte den Schläger zur Rede (Joh 18, 23). Die katholischen Bischöfe Deutschlands haben in ihrem aktuellen Friedenswort „Friede diesem Haus“ dazu bemerkt, dass Jesus keineswegs für Wehrlosigkeit steht. Er war kein „scheinbar sanftmütiger Leisetreter“, sondern verkörpert „den Geist aktiver Gewaltfreiheit“, „der die Kraft schenkt, der Niedertracht in die Augen zu sehen und ihrem verächtlichen, hasserfüllten Blick zu trotzen, ohne sie spiegelbildlich nachzuahmen“ (Nr. 76). Aus christlicher Sicht geht es nicht um die widerstandslose Hinnahme von Unrecht, sondern um einen Widerstand, der nicht die Gewalt der Unterdrücker nachahmt, sondern mit gewaltfreien Mitteln einen konstruktiven Weg aus dem Konflikt sucht. Auch King forderte in seiner gegen den faulen Frieden gerichteten Predigt dazu auf, „gewaltfrei gegen diesen Frieden“ anzukämpfen. Gewaltfreiheit und Feindesliebe bedeuten nicht, Entwürdigungen kampflos hinzunehmen. Papst Franziskus hat das in seiner Enzyklika „Fratelli tutti“ so formuliert: „Vergeben heißt nicht, zuzulassen, dass die eigene Würde und die Würde anderer weiterhin mit Füßen getreten wird.“ (Nr. 241)
Welche Mittel dürfen aber gegen Unrecht eingesetzt werden? Friedensethisch gilt heute die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit. Wo immer die Möglichkeit besteht, sind gewaltfreie Mittel vorzuziehen. Wo das aber nicht möglich ist, raten die deutschen Bischöfe zu einem sehr zurückhaltenden Einsatz von Gewalt: „Gewalt anzuwenden ist mit dem Geist der Gewaltfreiheit […] nur dann vereinbar, wenn dabei auf jede Gewalt verzichtet wird, die etwas anderes bezweckt, als Frieden und Gerechtigkeit zu fördern.“ (Nr. 80)
Welche Mittel dürfen aber gegen Unrecht eingesetzt werden? Friedensethisch gilt heute die vorrangige Option für die Gewaltfreiheit. Wo immer die Möglichkeit besteht, sind gewaltfreie Mittel vorzuziehen. Wo das aber nicht möglich ist, raten die deutschen Bischöfe zu einem sehr zurückhaltenden Einsatz von Gewalt: „Gewalt anzuwenden ist mit dem Geist der Gewaltfreiheit […] nur dann vereinbar, wenn dabei auf jede Gewalt verzichtet wird, die etwas anderes bezweckt, als Frieden und Gerechtigkeit zu fördern.“ (Nr. 80)
Wolfgang Palaver
War bis Oktober 2023 Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck und ist Präsident von Pax Christi Österreich. Sein Buch „Für den Frieden kämpfen: In Zeiten des Krieges von Gandhi und Mandela lernen“ erschien 2024.
TEXT: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver
TEXT: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Palaver