Thema
Veggi-Koch Christian Schagerl
„Von Tofu-Schnitzel halte ich nichts“
Nach Frankfurt und Berlin hat jetzt auch München ein vegetarisches Sternerestaurant. Der 33-jährige Christian Schagerl hat für das „Tian“ im Living Hotel Das Viktualienmarkt den ersten Stern geholt. Im Interview spricht der Chef über die Herausforderungen der fleischlosen Küche und über seine Tofu-Abneigung. Und er verrät, ob er selbst Vegetarier ist.
Herr Schagerl, ist es schwieriger, die Gäste mit vegetarischer Cuisine zu beeindrucken als mit Rehrücken und Zander?
Christian Schagerl: Im Gegenteil. In der Gemüseküche können wir den Überraschungs-Effekt nutzen. Bei einem Filet Rossini oder Beef Wellington weiß jeder, was ihn erwartet, jeder hat eine Referenz im Kopf. Bei uns wird es da schon überraschender – zumal wir nur die Hauptkomponenten in die Karte schreiben.
Sie haben eine klassische Kochausbildung und in der Vergangenheit auch mit Fleisch und Fisch gearbeitet. Wie hat es Sie in die Veggi-Küche verschlagen?
Unser kulinarischer Visionär und Geschäftsführer Paul Ivić hat mich angeworben, und das war gut so. Mir geht es da ähnlich wie einem Maler: Wenn der immer mit Öl auf Leinwand malt, hat er auch mal Lust auf Graffiti. Bisher habe ich in fast allen Küchen Ähnliches gemacht – Steinbutt, Gänseleber und so weiter. Deshalb schätze ich die Abwechslung hier.
Würden Sie sagen, dass die vegetarische Küche anspruchsvoller ist?
Auf jeden Fall. Normal hat man eine Hauptkomponente wie ein Stück Rehrücken, um das man alle weiteren Teile arrangiert. In der Gemüseküche handelt es sich dagegen immer um Kombinationsgerichte, in welchen alle Komponenten denselben Wert haben. Diese zusammenzubringen ist nicht immer einfach. Es birgt außerdem eine gewisse Schwierigkeit, die Geschmackstiefe ohne tierische Produkte herzustellen. Dafür braucht es meist viele Zutaten, viele Arbeitsschritte und viel Manpower. Ein Beispiel: Nehmen wir ein Stück Thunfisch. Das ist schnell in 30 Portionen geschnitten. Bis ich aber zwei Kilogramm Topinambur nur geschält habe, dauert das schon eine Weile.
Wie kreieren Sie die vegetarische Geschmackstiefe?
Wir bereiten das Gemüse oft auf eine Art und Weise zu, wie man es klassisch mit Fleisch oder Fisch machen würde. Beispielsweise garen wir es auf Salz oder konfieren es in Öl.
Wie lange dauert es, bis Sie ein Gericht entwickelt haben?
Das ist unterschiedlich. An meinem Ratatouille, das als glänzende Kugel auf den Teller kommt, habe ich drei Jahre lang getüftelt. Die Schwierigkeit war, dass die Kugel stabil bleibt.
Und was war am Ende der Trick?
Das verrate ich natürlich nicht. Aber so viel kann ich sagen: Die Kugel besteht aus Tomatengelee.
Sie versuchen, in der Küche so wenig wie möglich wegzuwerfen. Was genau hat es mit dem Konzept „Von der Wurzel bis zum Blatt“ auf sich?
Im Prinzip verwerten wir alles von dem Produkt, das wir vom Bauern oder von den Gärtnereien bekommen. Vom Sellerie nehmen wir beispielsweise die Knolle, die Blätter und die Stiele. Das Grün schneiden wir ganz dünn, damit es nicht so penetrant ist. Im Winter hatten wir etwa ein Gericht auf der Karte mit Petersilienpüree und schwarzem Trüffel, da kam das Grün zum Einsatz.
Aber ganz lässt sich der Küchenabfall nicht vermeiden, oder?
Nein, Zero Waste geht leider nicht. Selbst wenn wir aus den Zutaten einen Fond machen, bleibt ein gewisser Restabfall.
Was denken Sie, warum achten immer mehr Menschen darauf, woher ihre Speisen kommen und wie sie zubereitet wurden?
Das liegt sicher an den Tierskandalen. Gerade in der Massentierhaltung wird unfassbares Schindluder getrieben. Allerdings sehe ich das Problem generell nicht bei den wenigen Sternerestaurants in Deutschland. Das Problem sind die Menschen, die sich zu Hause das Putenschnitzel vom Discounter in die Pfanne werfen. Schwierig finde ich auch, wenn es in Kantinen oder am Bankett Rinderfilet für tausend Leute gibt. Da geht die Masse über den Tisch.
Hand aufs Herz – Sie selbst sind kein Vegetarier, oder?
Nein, und auch viele unserer Gäste sind nicht per se Vegetarier. Ich persönlich bin mit dem Schweinsbraten meiner Mutter aufgewachsen –diese Erinnerung wird immer ein Teil von mir bleiben. Aber ich ernähre mich inzwischen deutlich pflanzenbasierter. Fünf Tage die Woche esse ich kein Fleisch. Und an meinen zwei freien Tagen achte ich darauf, dass ich nur hochwertige Produkte zu mir nehme.
Nochmal zurück zum Restaurant. Sie haben mit der Veggi-Küche im „Tian“ unlängst einen Stern verliehen bekommen. Wie hoch ist Ihr persönlicher Druck?
Ich spüre ehrlich gesagt wenig Druck. Hintergrund ist sicher auch, dass ich bereits in Zwei- und Drei-Sterne-Restaurants gearbeitet habe. Letztlich geht es auch nicht um den Stern, sondern um den Anspruch, den man an sich selbst hat. Und um die Erwartungen der Gäste. Bei Letzterem stehe ich jetzt mehr im Scheinwerferlicht als zuvor.
Welches sind Ihre nächsten Ziele?
Der Traum vom eigenen Restaurant ist natürlich da. Aber das hat noch Zeit.