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Sternekoch Mathias Bachmann

So habe ich meinem ersten Stern erreicht

Mathias Bachmann, junger Chef der Apostelstube von Brixen, über seinen „Durchbruch“, das Kochen als sportliche Tätigkeit und seine besondere Vision von Solimans Reise.
Kürzlich zweiunddreißig Kerzen auf der Geburtstagstorte ausgepustet und eine wertvolle Medaille in Rekordzeit gewonnen: Mathias Bachmann, Küchenchef im Restaurant Apostelstube, hat zusammen mit Inhaber Michael Falk erst vor zwei Jahren im historischen Hotel Elephant in Brixen die neue Apostelstube eröffnet. Nun hat er seinen ersten Stern von Michelin erhalten. Es war 2019 die große und einzige Neuheit in Südtirols Spitzengastronomie.
Mathias stammt aus Mühlbach und ist Kunstsohn. Sein Vater, Helmut Bachmann, berühmter Koch, war jahrelang in der Landesberufsschule Emma Hellenstainer in Brixen als Lehrer tätig und ist Co-Autor des erfolgreichen Rezeptbuches „So kocht Südtirol“, um nur eine der vielen Publikation zu erwähnen.
Mathias Bachmann, der im Jahre 2007 den SKV, Südtirol und Italien bei den Berufsweltmeisterschaften (WorldSkills) in Japan vertreten hat, folgt einer exakten Philosophie. Diese wurde bei einigen der besten Köche der Welt geformt: „Ich bevorzuge die Einfachheit im Kochen, indem ich tagtäglich versuche, den eigenen Geschmack der einzelnen Gerichte hervorzuheben. Essen wird so zu einer Sinnesreise, die eine unauflösbare Spur in der Zeit hinterlässt“. Dieses Leitmotiv steht im gastronomischen Mittelpunkt der Apostelstube im Hotel Elephant in Brixen.
Den ersten Stern vergisst man nie. Erzählen Sie uns, wann Sie erfahren haben, dass Sie es geschafft haben?
Mathias Bachmann: An einem Freitagabend sind wir während des Service von Michelin angerufen worden. Und als wir das realisiert haben, dass wir den Stern erhalten haben, war die Zufriedenheit einzigartig. Der Besuch der Tester ist natürlich nicht bekannt und streng anonym. Wir haben die Personen als Tester nicht erkannt.
Wie fühlt man sich mit dieser Auszeichnung, wenn man erst 32 ist?
Ich bin jung, das stimmt, aber lebe praktisch seit 18 Jahren in der Küche, wo ich andauernd Erfahrungen in sehr hochwertigen Restaurants sammeln durfte. Und all diese sehr anspruchsvollen Arbeitsjahre haben mir dieses großartige Ergebnis eingebracht. Dieser Stern hat meine Energie gesteigert, ich habe immer davon geträumt, und ich hatte immer dieses Ziel vor Augen. Eigentlich sind wir ziemlich rasch zum Ziel gelangt, wenn wir bedenken, dass wir im Elephant das Restaurant erst vor zwei Jahren eröffnet haben.
Wie haben sie gefeiert?
Nichts Besonderes, ich habe mit meinem Team im Hotel, mit meiner Familie und meiner Freundin kurz angestoßen.
Kehren wir zum Ursprung zurück. Wann haben Sie sich für diesen Beruf begeistert?
Mein Vater hat eine wesentliche Rolle für die Berufsrichtung gespielt, die ich eingeschlagen habe. Von ihm habe ich die Leidenschaft für die Küche geerbt. Schon als ich klein war, versuchte ich, sein Handeln und Wirken am Herd mit den Augen aufzusaugen. Ich bin mit diesem Beruf aufgewachsen. Der Beruf Koch hat mich immer fasziniert, er war die einzige Sache, die ich tun wollte. Ich hatte keinen „Plan B“. Und der Traum ist dann Realität geworden. Von meinem Vater habe ich gelernt, dass man alles erreichen kann, wenn man durchhält und hart arbeitet.
Und Sie haben schon einen langen Weg hinter sich. Welche waren Ihre Stationen?
Ausgehend von verschiedenen Praktika bei Joachim Wissler (Verdome, Köln), Sergio Herman (Oud Sluis, Sluis/Niederlande), Jommie Boer (De Librije, Zwolle/Niederlande), Sven Elverfeld (Aqua, Wolfsburg) und Peter Gilmore (Quay, Sydney), dem besten australischen Koch, habe ich meine erste Erfahrung im Hotel Stafler in Mauls gemacht, da bin ich drei Jahre unter dem Schutz von Peter Girtler herangewachsen. Dann war ich zwei Jahre bei Karl Baumgartner im Schöneck bei Pfalzen. Folglich legte ich auch eine Etappe in Deutschland mit Hans Haas im Tantris in München ein. Im Restaurant Torre del Saracino bei Vico Equense mit Küchenchef Gennaro Esposito bin ich ungefähr ein Jahr lang geblieben, in Dorf Tirol bei Gerhard Wieser im Restaurant Trenkerstube vom Hotel Castel vier Jahre, und zum Schluss bin ich im renommierten Hotel Elephant angekommen.
Wie viel Wert hat die klassische Ausbildung der Emma Hellenstainer? Und ist es wichtig, sich die Hörner durch Auslandsaufenthalte abzustoßen?
Die berufsbildenden Schulen sind sehr, sehr wichtig. Bevor man ins Ausland umzieht, muss man die Basis der Küche erlernen und sich aneignen. Es geht nicht anders. Meiner Meinung nach sind Auslandsaufenthalte in Folge genauso wichtig, um andere Techniken, andere Produkte und andere Gerichte kennenzulernen, sowohl im Geschmack als auch in der Präsentation. Ich bin selbst an viele Orte gereist in Australien, Japan, Nordamerika, Thailand, Europa, und von überall habe ich etwas mitgebracht. Und was ich gelernt habe, setzte ich in der Praxis um. Nur eine regionale Küche anzubieten, würde ich als einschränkend betrachten.
Die Küche ist Kontamination, nicht wahr?
Meiner Meinung nach schon. Ich habe eigentlich keine bestimmte Linie vorausgesetzt und ich wünsche sie mir auch nicht. Ich fühle mich ungemein kreativ und wage sehr viel Neues. Ich experimentiere mit Garmethoden und auch Produkten aus Japan, Frankreich, Italien, Tirol und Südtirol. Es ist also eine Mischung von gastronomischen Kulturen. Außerdem folge ich meiner Fantasie.
Die Philosophie der „Null Kilometer“ ist für Sie also keine „conditio sine qua non“.
Ich versuche lokale Produkte zu verwenden, aber nicht immer. Für mich steht die hohe Qualität des Rohstoffes an erster Stelle, die Herkunft ist sekundär.
Wie kommt ein Gericht vom Chef Mathias Bachmann zustande?
Manchmal wirklich sehr rasch, ich habe eine Idee und dann läuft alles wie in einer geplanten Choreographie. In anderen Fällen brauche ich bis zu einem Jahr und mehrere Versuche, bis das Gericht perfekt ist. In einem Gericht suche ich die harmonische Abrundung. Ich versuche durch verschiedene Konsistenzen, das Süße, das Saure, das Bittere, das Knusprige und das Cremige in Einklang zu bringen, um alle Sinne zu stimulieren. Ich möchte dem Gast Emotionen schenken, indem ich auch ein bisschen Geschichte erzähle.
Was meinen Sie damit?
Ich mache Ihnen ein Beispiel. Das Hotel Elephant wurde als erster Betrieb in Südtirol im Jahre 1962 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Dieser Stern wurde vom Hotel bis 1970 gehalten. Und jetzt haben wir den Stern wiederbekommen. Der Name vom Hotel ist bekannt und stammt vom Elefanten Soliman, der eine lange Reise von Indien über Lissabon und Genua in Richtung Alpen nach Brixen unternahm, bis er endlich Wien erreichte. Ich habe hierzu eine Aperitif-Beigabe entwickelt, um diese lange Reise des Dickhäuters zu würdigen, indem ich sie kulinarisch interpretiere: Ich habe vier Städte ausgewählt und biete passend zu diesen jeweils eine typische Speise im Kleinformat an.
Ihr aktuelles kulinarisches „Zugspferd“?
Ich würde sagen das Spanferkel knusprig gebraten auf Bockbier-Creme mit Kohl und Schwarzkümmelsoße.
Die Inspirationsquellen kommen nicht nur von der Küche selbst, sondern auch von außen?
Ja, ich finde sie überall. Vor allem in der Natur. Ich wandere an freien Tagen oft in den Bergen und fahre häufig mit dem Fahrrad. So lade ich wieder meine Energiereserven auf und es entstehen vollkommen neue Ideen.
Ist es aktuell schwierig, junge Menschen für den Kochberuf zu finden?
Dieses Problem besteht. Aber ich muss sagen, bis jetzt hatte ich das Glück, motivierte und fähige junge Leute zu finden. Diese Arbeit ist sicher anspruchsvoll und man muss mit voller Begeisterung dabei sein. Viele unterschätzen diese Arbeit und haben ein unklares Bild vom Kochberuf. Insbesondere, seitdem es diese übertriebenen Expositionen von berühmten Köchen in den Kochshows im Fernseher zu sehen gibt. Die Realität ist aber anders. Wenn man ein gewisses Niveau erreichen will, muss man unten beginnen und viel trainieren – wie im Sport. Sein Ding entschlossen durchziehen und sich laufend bemühen und anstrengen. Nur so erreicht man ein hohes Niveau und die angestrebten Ziele.
Und wie sieht Ihre Zukunft aus?
Ich hoffe, dass ich dem Weg, den ich eingeschlagen habe, auch folgen kann. Ich werde weiter sehr konsequent arbeiten, an der Technik feilen und versuchen, immer besser zu werden. Und ich wünsche mir, dass viele junge Südtiroler*innen, bei diesem Abenteuer mitmachen.
Quelle:
Sarah Franzosini, salto.bz

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Veggi-Koch Christian Schagerl

„Von Tofu-Schnitzel halte ich nichts“

Nach Frankfurt und Berlin hat jetzt auch München ein vegetarisches Sternerestaurant. Der 33-jährige Christian Schagerl hat für das „Tian“ im Living Hotel Das Viktualienmarkt den ersten Stern geholt. Im Interview spricht der Chef über die Herausforderungen der fleischlosen Küche und über seine Tofu-Abneigung. Und er verrät, ob er selbst Vegetarier ist.
Herr Schagerl, ist es schwieriger, die Gäste mit vegetarischer Cuisine zu beeindrucken als mit Rehrücken und Zander?
Christian Schagerl: Im Gegenteil. In der Gemüseküche können wir den Überraschungs-Effekt nutzen. Bei einem Filet Rossini oder Beef Wellington weiß jeder, was ihn erwartet, jeder hat eine Referenz im Kopf. Bei uns wird es da schon überraschender – zumal wir nur die Hauptkomponenten in die Karte schreiben.
Sie haben eine klassische Kochausbildung und in der Vergangenheit auch mit Fleisch und Fisch gearbeitet. Wie hat es Sie in die Veggi-Küche verschlagen?
Unser kulinarischer Visionär und Geschäftsführer Paul Ivić hat mich angeworben, und das war gut so. Mir geht es da ähnlich wie einem Maler: Wenn der immer mit Öl auf Leinwand malt, hat er auch mal Lust auf Graffiti. Bisher habe ich in fast allen Küchen Ähnliches gemacht – Steinbutt, Gänseleber und so weiter. Deshalb schätze ich die Abwechslung hier.
Würden Sie sagen, dass die vegetarische Küche anspruchsvoller ist?
Auf jeden Fall. Normal hat man eine Hauptkomponente wie ein Stück Rehrücken, um das man alle weiteren Teile arrangiert. In der Gemüseküche handelt es sich dagegen immer um Kombinationsgerichte, in welchen alle Komponenten denselben Wert haben. Diese zusammenzubringen ist nicht immer einfach. Es birgt außerdem eine gewisse Schwierigkeit, die Geschmackstiefe ohne tierische Produkte herzustellen. Dafür braucht es meist viele Zutaten, viele Arbeitsschritte und viel Manpower. Ein Beispiel: Nehmen wir ein Stück Thunfisch. Das ist schnell in 30 Portionen geschnitten. Bis ich aber zwei Kilogramm Topinambur nur geschält habe, dauert das schon eine Weile.
Wie kreieren Sie die vegetarische Geschmackstiefe?
Wir bereiten das Gemüse oft auf eine Art und Weise zu, wie man es klassisch mit Fleisch oder Fisch machen würde. Beispielsweise garen wir es auf Salz oder konfieren es in Öl.
Wie lange dauert es, bis Sie ein Gericht entwickelt haben?
Das ist unterschiedlich. An meinem Ratatouille, das als glänzende Kugel auf den Teller kommt, habe ich drei Jahre lang getüftelt. Die Schwierigkeit war, dass die Kugel stabil bleibt.
Und was war am Ende der Trick?
Das verrate ich natürlich nicht. Aber so viel kann ich sagen: Die Kugel besteht aus Tomatengelee.
Sie versuchen, in der Küche so wenig wie möglich wegzuwerfen. Was genau hat es mit dem Konzept „Von der Wurzel bis zum Blatt“ auf sich?
Im Prinzip verwerten wir alles von dem Produkt, das wir vom Bauern oder von den Gärtnereien bekommen. Vom Sellerie nehmen wir beispielsweise die Knolle, die Blätter und die Stiele. Das Grün schneiden wir ganz dünn, damit es nicht so penetrant ist. Im Winter hatten wir etwa ein Gericht auf der Karte mit Petersilienpüree und schwarzem Trüffel, da kam das Grün zum Einsatz.
Aber ganz lässt sich der Küchenabfall nicht vermeiden, oder?
Nein, Zero Waste geht leider nicht. Selbst wenn wir aus den Zutaten einen Fond machen, bleibt ein gewisser Restabfall.
Was denken Sie, warum achten immer mehr Menschen darauf, woher ihre Speisen kommen und wie sie zubereitet wurden?
Das liegt sicher an den Tierskandalen. Gerade in der Massentierhaltung wird unfassbares Schindluder getrieben. Allerdings sehe ich das Problem generell nicht bei den wenigen Sternerestaurants in Deutschland. Das Problem sind die Menschen, die sich zu Hause das Putenschnitzel vom Discounter in die Pfanne werfen. Schwierig finde ich auch, wenn es in Kantinen oder am Bankett Rinderfilet für tausend Leute gibt. Da geht die Masse über den Tisch.
Hand aufs Herz – Sie selbst sind kein Vegetarier, oder?
Nein, und auch viele unserer Gäste sind nicht per se Vegetarier. Ich persönlich bin mit dem Schweinsbraten meiner Mutter aufgewachsen –diese Erinnerung wird immer ein Teil von mir bleiben. Aber ich ernähre mich inzwischen deutlich pflanzenbasierter. Fünf Tage die Woche esse ich kein Fleisch. Und an meinen zwei freien Tagen achte ich darauf, dass ich nur hochwertige Produkte zu mir nehme.
Nochmal zurück zum Restaurant. Sie haben mit der Veggi-Küche im „Tian“ unlängst einen Stern verliehen bekommen. Wie hoch ist Ihr persönlicher Druck?
Ich spüre ehrlich gesagt wenig Druck. Hintergrund ist sicher auch, dass ich bereits in Zwei- und Drei-Sterne-Restaurants gearbeitet habe. Letztlich geht es auch nicht um den Stern, sondern um den Anspruch, den man an sich selbst hat. Und um die Erwartungen der Gäste. Bei Letzterem stehe ich jetzt mehr im Scheinwerferlicht als zuvor.
Welches sind Ihre nächsten Ziele?
Der Traum vom eigenen Restaurant ist natürlich da. Aber das hat noch Zeit.
Interview:
Verena Usleber

Quelle:
www.tophotel.de