Thema
Von Hanni Rützler, Zukunftsinstitut

Food Report 2020

Hanni Rützler nimmt die Leserinnen und Leser in ihrem diesjährigen Food Report 2020 mit auf einen horizonterweiternden Rundflug über die aktuellen Entwicklungen im Food-Bereich und eröffnet den Blick auf den Wandel unserer Esskultur.
Hanni Rüntzler - FOTO: Nicole Heilig
Der „Food Report“ erklärt die wichtigsten Trends, Entwicklungen und Zukunftsthemen im Bereich Food & Beverage. Mit Branchen-Insights, Themenschwerpunkten und Best Practices aus aller Welt dient er Lebensmittelherstellern, Gastronomen und Lebensmittelhändlern als Grundlage für Zukunftsentscheidungen.
Die Erosion der Mahlzeiten und veränderte Essgewohnheiten in einem immer flexibleren Alltag stehen dabei ebenso auf der Speisekarte wie die Rolle von Food als Kitt der globalen Gesellschaft.
Seit gut 25 Jahren erforscht Hanni Rützler Gegenwart und Zukunft unserer Esskultur und inspiriert damit Akteurinnen und Akteure aus der gesamten Food-and-Beverage-Branche. Mit ihren zahlreichen Vorträgen und Publikationen spürt sie dem Wandel der Konsumkultur nach und versteht es, nachhaltige Food-Trends von kurzfristigen Moden und Medien-Hypes zu unterscheiden. Denn nicht jede neue Zutat und nicht jede neue Verpackung sind gleich ein Food-Trend.
Im Food Report 2020 erläutert Rützler das Urban-Food-System, zeigt die Potenziale der städtischen Landwirtschaft auf und erklärt, was die City zum nachhaltigen Ernährungssystem macht. Neben den Michelangelos der Food-Branche und ihrem Impact auf unser Verständnis von Essen stehen auch das Plastik-Paradox der Lebensmittelbranche und der überforderte Konsument im Fokus des Reports. Rützlers Best Practices stellen die inspirierendsten Kulinarikvordenker von Berlin über Wien und das Schweizerische Stetten bis nach Sydney und New York vor.
Mit ihrer Food-Trend-Map 2020 schafft Rützler die Grundlage für Klarheit und Orientierung im Dickicht der Food-Trend-Vielfalt. Zudem schildert sie die Evolution von Food-Trends und benennt jene Megatrends, die besonderen Impact auf unser Essverhalten haben.
FOOD-TRENDS
Der Wandel der Esskultur
Trends sind nicht statisch, sondern verändern sich permanent. Manche von ihnen sind nur temporäre Erscheinungen, viele von ihnen entwickeln sich weiter, verschmelzen mit anderen Trends oder gehen letztendlich in den Mainstream über. Sie sind die Treiber für die Veränderung unserer globalen Esskultur.
SNACKIFICATION
Das Ende der Mahlzeiten (wie wir sie kennen)
Snacking wird zu einer neuen Art zu essen. Mini-Mahlzeiten ersetzen mehr und mehr traditionelle Mahlzeiten. Dabei kann jede Art von Speise zu einer Mini-Mahlzeit werden. Neuartige Gastro-Konzepte rund ums gesunde und hochwertige Snacking entstehen und erreichen auch klassische Restaurants und Handelsunternehmen.
EATING ART
Wie Kunst und Design den Blick auf Essen verändern
Künstler und Designer nutzen Food als Kommunikationsmittel, um einen Beitrag zu leisten, unsere Esskultur mitzugestalten und die Lebensmittelproduktion zu verändern. Dabei werden nicht nur wichtige Denkanstöße geliefert, sondern auch kreative Lösungen entwickelt.
URBAN FOOD
Die Zukunft unserer Nahrungsmittelversorgung liegt in der Stadt
Neue Technologien ermöglichen nicht nur neue Nahrungsmittel, sondern auch die Rückkehr der Landwirtschaft in den urbanen Raum. Urban Food steht für ein neues Bewusstsein und für eine neue Bewegung, die Alternativen zum traditionellen Ernährungssystem vorantreiben möchte. Produktion, Verarbeitung und Konsum rücken wieder näher zusammen.
PLASTIK IN DER LEBENSMITTELBRANCHE
Beyond Plastic: Die Zukunft der Lebensmittelverpackung
Das globale Plastikproblem lässt sich nicht mehr leugnen und stellt die Food-Branche vor immense Herausforderungen, alternative Lösungen für Kunststoffverpackungen zu finden. Zugleich sorgen innovative Start-ups für frischen Wind und dynamisieren den Markt durch die Entwicklung von nachhaltigen Verpackungen bis hin zu verpackungsfreien Systemen.

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Antonia Stampfl

Die Küche ruft

Frauen sind in der Spitzen-gastronomie noch relativ selten anzutreffen. Junge Nachwuchsköchinnen wie Antonia Stampfl aus Meran möchten das ändern. Mit einer Abschlussnote von 10 wurde sie Südtirols Kochlehrling des Jahres 2019.
Im September sorgte der italienische Starkoch Gianfranco Viassani für einen Aufschrei unter seinen Kolleginnen. Über diese sagte er nämlich, dass sie zur Arbeit in der Gastronomie nicht taugten. Maximal für die Patisserie seien die Frauen geeignet. Die anderen Aufgaben seien schlicht zu anstrengend. Viassani ist beileibe nicht der Einzige, der nach wie vor so denkt. Der Kochberuf gilt als hart, der Umgangston in der Küche als rau. „Manche Frauen schreckt das ab“, sagt Antonia Stampfl (siehe beistehendes Interview). Stampfl, Jahrgang 1995, hat im gerade zu Ende gegangenen Jahr ihre Ausbildung zur Köchin an der Landesberufsschule Savoy abgeschlossen. Bei der praktischen Prüfung hat sie eine glatte Zehn erhalten. Im November wurde sie deshalb als Südtirols Kochlehrling des Jahres ausgezeichnet. Wenig später packte sie ihre Koffer, um nach Hamburg zu ziehen. Dort arbeitet sie derzeit im Hotel Atlantic Kempinski, das sich um die Gastronomie des elitären Übersee-Clubs kümmert. In der Hansestadt, aus der auch ihre Mutter stammt, verbrachte Stampfl die ersten Jahre ihres Lebens. Eingeschult wurde sie in Meran, der Heimat ihres Vaters. Mit ihm teilt sie die Leidenschaft für das Kochen. „Immer sonntags gab es etwas Besonderes zu essen, mal Knödel, mal leckere Rippelen“, erinnert sich Stampfl. „Und ich durfte helfen.“ Seitdem habe sie mit dem Gedanken gespielt, eine Kochlehre zu absolvieren.
Nach der Mittelschule entschied sie sich zunächst jedoch dazu, die Technologische Fachoberschule (TFO) zu besuchen. „Alle meine Cousins und Cousinen hatten die Matura, also dachte ich, es wäre auch für mich der richtige Weg.“ Bald aber langweilte sie sich. „Ich bin einfach nicht dafür gemacht, den ganzen Tag zu sitzen“, schmunzelt Stampfl. Kurzerhand schmiss sie die Schule hin, und machte sich auf die Suche nach einem Übergangsjob. Auf einer Hütte bot man ihr genau die richtige Stelle an: Küchenhilfe. Fortan war Stampfls Ehrgeiz geweckt.
Manchmal faul, meist ehrgeizig, besonders in der Küche
Die Lehre sah sie nicht als Pflicht, sondern als Chance an. In der Lackner Stubn fand sie in Küchenchef Armin Gruber einen Lehrherrn, der sie förderte und forderte. 2017 nahm sie an ihrem ersten Wettbewerb teil: The Mountain Chef Unplugged. Drei junge Nachwuchstalente treten jährlich bei diesem Format gegeneinander an. Sie alle erhalten einen Warenkorb und müssen daraus ein Gericht zaubern. Das Besondere: Die Location befindet sich in luftiger Höhe auf der Schwemmalm in Ulten, und gekocht wird ohne Elektrizität. „Ich war unglaublich nervös“, blickt Stampfl zurück. Nach der Nervosität kam die Freude: Stampfl überzeugte die Jury und holte sich den ersten Platz. Bei der Landesmeisterschaft 2018 schaffte sie es ebenfalls aufs Treppchen. Nach wochenlanger Vorbereitung landete sie auf Rang drei. Neben der Arbeit hatte sie stundenlang trainiert. „In beruflicher Hinsicht bin ich schon sehr ehrgeizig“, räumt Stampfl ein. „In manchen Bereichen des Lebens kann ich auch ziemlich faul sein, aber wenn mich etwas begeistert, gebe ich alles.“
Wie groß die Begeisterung für ihren Beruf ist, lässt sich unschwer erkennen. Stampfl gerät geradezu ins Schwärmen, wenn man sie danach fragt. „Das Kochen bringt so viel mit sich. Man arbeitet mit super Produkten, die man sonst vielleicht nicht mal kennen würde. Man kann überall auf der Welt eine Stelle antreten, lernt spannende Leute kennen und hat im Idealfall ein Team, das zur zweiten Familie wird.“ Stampfl ist es wichtig, diese Vorzüge zu betonen. Sie möchte, dass der Beruf einerseits wieder mehr junge Leute begeistert, und dass er andererseits größere Wertschätzung in der Gesellschaft erfährt. „Hinter jedem Gericht steckt eine Menge Arbeit.“ Meist gebe es aber nur Rückmeldungen, wenn etwas nicht gepasst hat. Umso schöner sei positives Feedback. „Wenn es mir irgendwo geschmeckt hat, schicke ich deswegen immer ein Kompliment in die Küche“, erklärt Stampfl.
Das Ziel: ein eigenes Restaurant
Sie selbst sei in der Küche „nicht ganz planvoll“ unterwegs. Doch gerade die Kreativität macht in ihren Augen gute Köch*innen aus, zudem Faszination, Belastbarkeit, Geduld – und eine gute Menschenkenntnis.
Obwohl Stampfl im Arbeitsalltag manchmal chaotisch ist, plant sie weit voraus. „Für die nächsten zehn Jahre habe ich mir grob überlegt, was ich machen möchte“, sagt sie, und schiebt nach: „Auch wenn es mit Plänen nicht immer klappt.“ Im Ausland möchte sie arbeiten, reisen, Erfahrungen sammeln. Und dann etwas Eigenes aufmachen. Ob in Hamburg oder in Südtirol, weiß sie noch nicht.
Quelle:
Erschienen in der Südtiroler Wirtschaftszeitung SWZ vom 10. Jänner 2020,
www.swz.it
Sabine Drescher