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Fleischlos glücklich im Bio- & Bikehotel Steineggerhof

Viele von euch werden sich fragen: „Wie kann ein Koch auf Fleisch und tierische Produkte verzichten?“ Vor einigen Jahren hätte ich mir das ebenso nicht vorstellen können: Fleischlos zu kochen war für mich unvorstellbar.
Kurt Resch, Inhaber und Chefkoch des Bio- & Bikehotels Steineggerhof – FOTO: Armin Mayr
Vegetarier fand ich eher lästig. Doch dann entschied sich unser Sohn Tommy vor 9 Jahren, als er 13 war, für eine vegetarische Ernährung. Tochter Natalie kritisierte stets die nicht artgerechte Tierhaltung, und Tochter Lisa wurde während ihrer Australien-Reise Veganerin. So legten unsere Kinder den Grundstein für unsere große Veränderung.
Kichererbsen Burger – FOTO: Kurt Resch
Ein prägendes Erlebnis im Jahr 2018 bei einer Reise nach Mexiko verstärkte unseren Entschluss: Ein komplett vermüllter Strand machte meiner Frau Sonja und mir bewusst, wie dringend wir nachhaltiger handeln müssen. Klimaschutz war für uns schon lange ein Anliegen. 1995 beteiligten wir uns am Umweltsiegel Tirol/Südtirol und investierten in Solarenergie, Photovoltaik und eine Pelletheizung. Ein paar Jahre standen unsere Nachhaltigkeitspläne still. 2018 war es dann aber Zeit für die nächsten Schritte. Die erste CO2-Bilanzierung wurde erstellt. Natalie wollte bei uns als Köchin arbeiten und somit kehrte ich nach neun Jahren wieder an den Herd zurück und wir krempelten unsere Küche komplett um.
Seitdem gibt es Fleisch nur noch als Option bei der Hauptspeise, Wurst- und Milchprodukte nur mehr beim Frühstück. Zudem führten wir einen Veggie Day ein, an dem rein vegetarisch gekocht wird (inzwischen rein vegan) und Fleischgerichte explizit bestellt werden müssen. Anfangs bestellten noch fünf bis zehn Gäste Fleisch, heute sind es maximal fünf im ganzen Jahr! Seit 2019 sind wir Mitglied der BIO HOTELS und setzen zu 100 Prozent auf biologische Produkte. Da Biofleisch sehr teuer ist, kaufen wir ganze Tiere und verwerten sie vollständig: Natalie ist seit einigen Jahren nicht mehr Köchin bei uns, sondern bewirtschaftet mit ihrem Mann Jonas den Biohof Oberwerkstatt in Eggen und beliefert uns mit Fleisch. Im Jahr 2020 haben wir unsere Küche von vorwiegend vegetarisch auf vorwiegend vegan umgestellt.
Der Wandel zur veganen Küche kam durch die wachsende Nachfrage seitens unserer Gäste. Anfänglich war es für uns eine Herausforderung, für eine ganze Woche abwechslungsreiche, vegane 5-Gänge-Menüs zu kreieren, da es kaum gastronomietaugliche Rezepte gab. Also nahmen wir die Sache selbst in die Hand und entwickelten unsere eigenen Rezepte: eine spannende Arbeit, die dem gesamten Küchenteam Spaß macht! Nachdem so viele Gäste nach unseren Rezepten gefragt hatten, veröffentlichten wir 2021 unser erstes veganes Kochbuch, 2023 folgte das zweite.
Durch den Einkauf von Rohware in großen Gebinden und den Verzicht auf ein Salatbuffet konnten wir unsere Lebensmittelkosten und Lebensmittelverschwendung stark senken. Die Kombination aus effizienter Lebensmittelverwertung, vorwiegend veganer Küche, dem Befolgen des Prinzips „from nose to tail“ und Lebensmittelveredelung im Betrieb führt dazu, dass wir trotz Bioeinkauf einen niedrigeren Wareneinsatz haben als ein konventionelles Hotel.
Heute sind 30 Prozent unserer Gäste Veganer und 65 Prozent der Gäste entscheiden sich für die vegane Hauptspeise. Wir konnten den CO2-Fußabdruck der Verpflegung auf 2,5 Kilogramm pro Übernachtung halbieren und der Fleischverbrauch ging insgesamt auf ein Drittel zurück. Wir sind stolz darauf, dass unser Konzept so gut ankommt: Viele Gäste berichten, dass sie bei uns viel Inspiration mitgenommen haben und nach dem Urlaub daheim Fleisch reduziert und neue pflanzliche Gerichte ausprobiert haben. Diese Rückmeldungen freuen und motivieren uns natürlich sehr.
Auch für unser Küchenteam ist es immer noch eine spannende Reise: Wir lieben es, traditionelle Rezepte kreativ zu veganisieren und neue Geschmackserlebnisse zu schaffen. Unser Ziel ist es, zu zeigen, dass pflanzliche Küche nicht nur nachhaltig, sondern auch unglaublich lecker sein kann.
Wir Köche haben es in der Hand, mit pflanzlichen Gerichten viel für Klima und Tierwohl zu tun, denn jeder Schritt zählt – packen wir’s mit Freude an!
Kurt Resch
Bio- & Bikehotels Steineggerhof,
Steinegg

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Mehr als ein Trend und längst angekommen

Vegetarische & vegane Küche

Die vegetarische und vegane Küche ist längst kein Trend mehr – und das ist auch gut so, meint KM Philipp Stohner, Leiter der WIFI Tirol Meisterküche, Culinary Director des Österreichischen Kochverbandes & Mastermind im Vier-Hauben-Restaurant s’kammerli in Nauders.
KM Philipp Stohner – FOTO: ©bildartisten
Es braucht in unseren Betrieben einfach mehr Wissen und Ideen im täglichen Ablauf, um auf die Wünsche der Gäste eingehen zu können. Eine Umfrage aus den vergangenen drei Jahren an Kursen in Nord- und Südtirol zeigt, dass 40 Prozent der Gäste in den Tiroler Betrieben Flexitarier:innen sind. Im Gegensatz dazu ist die Nachfrage nach veganen Gerichten deutlich geringer, auch hier muss man ehrlich bleiben, nämlich unter zwei Prozent. Hier zeigen sich zum Teil große Abweichungen zwischen Großstädten, wo der Anteil deutlich höher ist, und ländlich urbanem Raum, wie großteils bei uns zu finden. Gerade die jüngere Generation an Gästen denkt hier anders, möchte aber im Urlaub trotzdem nicht auf alles verzichten.
Gebratenes Salatherz | Limetten-Emulsion | Knusprige Zwiebel – FOTO: Philipp Stohner
Doch hier sehe ich Aufholbedarf in den Betrieben: „Es braucht gute Ideen, die in den Betrieben umsetzbar sind, ohne immer wieder von ‚Null‘ zu starten und alles extra machen zu müssen. Ziel ist es, ein veganes Gericht so zu kochen, dass man eigentlich nichts vermisst und erst gar nicht ein Eindruck entsteht, irgendetwas zu vermissen.“ Dies setzt ein etwas neues Denken in der Ausbildung voraus. Gerade im Bereich vegane Desserts ist hier wohl das größte Lernpotential für unsere Betriebe. Ich denke, wir müssen auf diese Themen viel genauer eingehen und aufzeigen, was alles möglich sein kann. Ein Gericht einfach anbieten, ohne dass man es praktisch extra kennzeichnen muss und wir uns darüber Gedanken machen, ob mit tierischem Produkt oder ohne. Es muss einfach sehr gut schmecken.
Natürlich kochen mit heimischem „Superfood“
Eines ist dabei wichtig: mit frischen Produkten zu kochen und vor allem heimisches Gemüse als Star zu nutzen. Keine Fertigprodukte der Lebensmittelindustrie, sondern die wahren Schätze der Natur vor unserer Haustüre. Praktisch Superfood made in Tyrol. Hier sind wir im Vergleich zu vielen anderen Ländern wirklich „gesegnet“.
Die Natur gibt uns eigentlich unsere Kreativität – mehr im Einklang mit der Natur zu arbeiten und die Grundprodukte nachhaltig und wirtschaftlich zu verarbeiten – „from leaf to root“. Wie auch beim Wein werden hier Biodynamik und Permakultur eine Rolle spielen müssen, da auch Gäste in Zukunft danach fragen werden. Auch der Anbau von alten Saatgütern ist spannend, mit dem Klimawandel werden in den kommenden Jahren ebenso neue Optionen entstehen, auf die man eingehen muss.
Für mich gilt jedoch eines: weg von dem radikalen Denken, es müsse viele Optionen geben. Letztendlich muss es schmecken und für mich ehrlich sein, und zwar im Einklang mit der Natur und unseren Produzenten. Wenn uns als Köchinnen und Köchen die Kreativität ausgeht, machen wir was in der Ausbildung falsch. Es gibt unzählige Optionen, ein Gericht zu schaffen, das kein Fleisch oder Fisch vermissen lässt, was auch nicht jeden Tag sein muss, aber generell viele Ressourcen schonen würde. Die Mischung macht es, und wir leben leider auch im Überfluss.
Ein Rezept finden Sie auf der Webseite des SKV skv.org/liste-rezepte/
KM Philipp Stohner