Szene
Revolution der Spitzenküche

Daniel Humms Triumph mit pflanzenbasierter Magie

Wie ein Schweizer Koch das Fine Dining neu definiert und den „Guide Michelin“ in eine neue Ära führt.
Henry Leutwyler
Das New Yorker Restaurant „Eleven Madison Park“ (EMP) zählt seit 2011 zur Elite der Gastronomiewelt und wird regelmäßig mit den begehrten drei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Doch in diesem Jahr schreibt das EMP unter der Leitung des Schweizer Starkochs Daniel Humm Geschichte: Es ist das erste rein vegane Restaurant, das diese höchste Ehrung des „Guide Michelin“ erhält – ein Meilenstein für die kulinarische Welt.
„Diese Anerkennung bedeutet mir unendlich viel“, sagt Daniel Humm, der aus Zürich stammt und seit 2003 in den USA lebt. „Mit der Entscheidung, das Fine Dining neu zu definieren, sind wir ein großes Risiko eingegangen. Dass der ‚Michelin‘ diesen Weg unterstützt, zeigt, dass sich unsere Branche verändert.“
Radikaler Neuanfang
Nach einer pandemiebedingten Pause öffnete das EMP im Sommer 2021 mit einem völlig neuen Konzept wieder: Statt auf tierische Produkte setzt das Menü ausschließlich auf pflanzliche Zutaten. Für Humm war dieser Wandel mehr als eine kreative Entscheidung – es war eine Mission, die Grenzen des Fine Dining zu verschieben. Gemeinsam mit kulinarischen Größen wie Ferran Adrià, dem Vater der Molekularküche, und René Redzepi, dem Vorreiter für regionale Zutaten, etabliert sich Humm mit dieser mutigen Neuausrichtung als einer der einflussreichsten Köche unserer Zeit.
„Früher war Foie Gras der Inbegriff von Luxus in der Gastronomie“, erklärt Humm. „Heute geht es darum, aus Gemüse etwas Außergewöhnliches zu schaffen. Ein Zucchino, der das Niveau eines klassischen Luxusprodukts erreicht – das ist für mich die Essenz des Kochens.“
Kritik und Anerkennung
Der Schritt hin zur veganen Küche wurde nicht überall mit Applaus begrüßt. Kritische Stimmen ließen nicht lange auf sich warten, und selbst die „New York Times“ veröffentlichte eine scharfe Rezension. Doch Humm und sein Team ließen sich nicht beirren. Die erneute Auszeichnung mit drei Michelin-Sternen sieht er als Bestätigung für die harte Arbeit und den unerschütterlichen Glauben an seine Vision.
Farbenfrohes Menü im EMP
„Auszeichnungen sind für mich heute nicht mehr der wichtigste Antrieb“, sagt der 48-Jährige. „Wichtiger ist es, etwas zu bewirken und die Welt – vielleicht ein kleines bisschen – zu verändern.“
Ein Blick in die Zukunft
Mit seinen kreativen, rein pflanzlichen Menüs hat Humm eine Tür aufgestoßen, die noch viele Möglichkeiten birgt. Alain Ducasse, einer der renommiertesten Köche der Welt, war bereits mehrfach zu Gast im EMP und ließ sich von Humms Kreationen inspirieren.
„Wenn ein Gemüsegericht eine solche Wirkung erzielt, dass man es nie wieder vergisst, dann erleben wir die wahre Magie des Kochens“, beschreibt Humm seine Philosophie. Mit seinem Engagement zeigt er, dass Fine Dining auch ohne tierische Produkte nicht nur möglich, sondern revolutionär sein kann – und inspiriert eine neue Generation von Köchen, die seinen Weg weitergehen werden.
red / pj

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Kochkunst ohne Fleisch

Warum immer mehr Spitzenrestaurants auf pflanzliche Küche setzen

Die Reise zur fleischfreien Haute Cuisine – von ethischen Überlegungen bis hin zu kreativen Herausforderungen
Sternekoch Ricky Saward, Chef des Seven Swans in Frankfurt - FOTO: picture-alliance - dpa
In der gehobenen Gastronomie hat sich in den vergangenen Jahren ein bemerkenswerter Trend durchgesetzt: Immer mehr Spitzenköche entdecken die Vorteile einer pflanzlichen Küche. Anstatt Fleisch als Hauptbestandteil zu präsentieren, setzen immer mehr Restaurants auf innovative vegetarische und vegane Menüs, die nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch kulinarisch überraschen.
Hinter dieser Entwicklung steckt weit mehr als nur der Wunsch, der Nachfrage nach fleischfreien Optionen gerecht zu werden. Einige Köche, wie Ricky Saward aus Frankfurt, nutzen die pflanzliche Küche als eine Möglichkeit, sich kreativ von der Masse abzuheben. Und nicht zuletzt entdeckte der Pionier Pietro Leemann bereits 1989 die vegetarische Haute Cuisine nach einer Reise durch Asien und eröffnete das berühmte „Joia“ in Mailand.
Der Verzicht auf tierische Zutaten bedeutet dabei nicht den Verzicht auf Genuss. Vielmehr erfordert dies von den Köchen, mit einer Vielzahl von Techniken und Aromen zu spielen, um den Gästen eine neue Dimension des Genusses zu bieten. Vegetarische und vegane Menüs sind längst keine Kompromisse mehr – sie eröffnen neue kulinarische Welten, in denen Gemüse zu wahren Geschmacksexplosionen führt. Und der Vorteil für die Gäste: Nach einem fleischfreien Menü fühlt man sich oft leichter und erfrischt, anstatt überladen.
Die Entscheidung für ein fleischfreies Menü muss auch nicht endgültig sein – schon wer nur gelegentlich auf tierische Produkte verzichtet, trägt zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks bei. Immer mehr Menschen entdecken die Freude an einer pflanzlichen Mahlzeit, die nicht nur gut für den Körper, sondern auch für den Planeten ist.
Der kulinarische Wandel ist in vollem Gange – und pflanzliche Küche ist längst nicht nur eine Modeerscheinung, sondern eine neue Form der gastronomischen Exzellenz.
Eine Auswahl der besten vegetarischen Restaurants
Eleven Madison Park ***, Daniel Humm – New York (USA)
Joia **, Pietro Leemann & Sauro Ricci – Mailand (I)
I Tenerumi *, Davide Guidara – Isola Vulcano (I)
Magdalena **, Dominik Hartmann – Rickenbach (CH)
Kle *, Zineb Hattab – Zürich (CH)
Zoe *, Fabian Raffeiner - Bern (CH)
Seven Swans *, Ricky Saward – Frankfurt am Main (D)
Tian *, Paul Ivić – Wien (A)

red / pj