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Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview
Landeshauptmann Arno Kompatscher
AKTiV: Herr Landeshauptmann, Sie haben in dieser Legislatur die Sozialpartner wieder stärker in die wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Entscheidungen eingebunden.
Arno Kompatscher: Ich bekenne mich zur Sozialpartnerschaft, weil diese ein Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft ist, deren Prinzipien ich mich verpflichtet fühle. Der regelmäßige Austausch mit den Sozialpartnern hat deshalb auch Eingang in das Koalitionsprogramm der laufenden Legislatur gefunden. Ich habe mich immer wieder mit den Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden an einen Tisch gesetzt, um den wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Maßnahmen ein möglichst breites Fundament zu geben.
AKTiV: Welche Themen waren Gegenstand der Diskussion mit den Sozialpartnern und wie lautet ihr Resümee?
Arno Kompatscher: Zu Beginn meiner Amtszeit waren die Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit die alles überstrahlenden Themen. In dieser Phase galt es, antizyklische Maßnahmen zu setzen, um den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern und die Betriebe zu ermutigen, neue Arbeitsplätze und Wertschöpfung zu schaffen. Darum ging es bei den Sozialpartnertreffen. Konkret denke ich vor allem an die umfangreichen Steuerentlastungen im Bereich der Einkommensteuer IRPEF, der Wertschöpfungssteuer IRAP und der Gemeindeimmobiliensteuer. Wichtig waren das neue Südtiroler Vergabegesetz, die Einführung des Bausparens und die mehrjährigen Investitionsprogramme im Hoch- und Tiefbau. Damit haben wir die privaten und öffentlichen Investitionen angekurbelt. Auch im Vorfeld der Verabschiedung der Landeshaushalte habe ich mich mit den Vertretern der Arbeitnehmer- und Arbeitgeber über die zu setzenden Schwerpunkte ausgetauscht. Diese Vorgehensweise hat sich als die richtige erwiesen. Nur wenn die Ziele und die Wege dorthin geteilt sind, ist der Erfolg garantiert.
AKTiV: Wie beurteilen Sie aktuell die Situation auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft?
Arno Kompatscher: Unser Land hat die Krise überwunden und das weit besser und schneller, als andere Regionen. Südtirol hatte und hat das große Glück, auf gewissenhafte und anpackende Menschen bauen zu können, die auch in schwierigen Zeiten nicht den Mut verlieren. Ich bin aber überzeugt, dass auch die getroffenen politischen Entscheidungen wesentlich zum Aufschwung beigetragen haben. Das haben übrigens beide Seiten, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, einhellig bestätigt.
AKTiV: Woran machen Sie den Aufschwung fest Herr Landeshauptmann?
Arno Kompatscher: Im Bereich des Beschäftigungszuwachses ist der mehrjährige flache Trend seit 2015 klar beendet worden. Im Zeitraum November 2017 bis April 2018 verzeichnete Südtirol sogar den größten Beschäftigungszuwachs seit 20 Jahren. Das Südtiroler Beschäftigungsziel für 2020 mit einer Erwerbstätigenquote der 20- bis 64-Jährigen von 80 Prozent war noch nie so nahe wie jetzt. Die Arbeitslosenquote Südtirols ist im Jahr 2017 mit 3,1 Prozent sogar niedriger als im wirtschaftsstarken Bundesland Tirol (Anm. d. Red. 3,3 Prozent). In Südtirol haben die Betriebe wieder massive Investitionen getätigt, darunter zahlreiche Leitbetriebe. Der Export ist von 3,8 Mrd. Euro im Jahre 2013 auf 4,8 Mrd. Euro im Jahre 2017 deutlich angestiegen und die Auftragsbücher im Handwerk sind gut gefüllt. Auch die Laune der Konsumenten hat sich wieder verbessert.
AKTiV: Und dennoch Herr Landeshauptmann gibt es Stimmen, die sagen, dass am Aufschwung nicht alle teilhaben. Was sagen Sie dazu?
Arno Kompatscher: Genau diese Frage war kürzlich Inhalt eines Sozialpartnertreffens. Die Landesregierung hat bereits im November 2017 das Amt für Arbeitsmarktbeobachtung damit beauftragt, die Lohnentwicklung ab 2009 zu untersuchen. Es liegen nun die Ergebnisse bis zum Jahr 2015 vor. Die Daten 2016 und 2017 sind noch nicht verfügbar.
AKTiV: Was ist das Ergebnis dieser Untersuchung?
Arno Kompatscher: Die Löhne sind im Zeitraum 2009 bis 2015, also in den Jahren der Krise, zwar gestiegen, allerdings nicht im Ausmaß der Inflation. Das bedeutet, dass die Kaufkraft abnahm. Der Kaufkraftverlust hat dabei die Angestellten in der Privatwirtschaft und die öffentlich Bediensteten getroffen, während die Kaufkraft der Arbeiter leicht zunahm (+1,4 Prozent). Gleichzeitig ist feststellbar, dass sich die Schere zwischen den besser und schlechter bezahlten Berufen verkleinert hat und es mit dem Jahr 2015 eine Trendumkehr gibt. Das heißt, auch die Reallöhne steigen wieder. Das ist Folge der guten wirtschaftlichen Entwicklung und der Vollbeschäftigung.
AKTiV: Das Land ist in Südtirol der größte Arbeitgeber. Wo wollen Sie bei den Bediensteten ansetzen?
Arno Kompatscher: Als Arbeitgeber ist die öffentliche Hand bereits aktiv geworden. Wie Sie wissen, galt für die öffentlichen Angestellten italienweit seit 2010 ein Vertragsstopp mit der Konsequenz, dass diesen keine Gehaltserhöhungen mehr gewährt wurden. 2015 kippte das Verfassungsgericht diesen Gehaltsstopp rückwirkend. Wir in Südtirol waren italienweit die ersten, die im Jahr 2016 diesem Urteil Rechnung getragen haben und für die 40.000 öffentlich Bediensteten einen neuen bereichsübergreifenden Kollektivvertrag abgeschlossen haben. Zudem haben wir den Arbeitgeberanteil für den Zusatzrentenfonds erhöht und einen ergänzenden Gesundheitsfonds für gesundheitliche Leistungen eingerichtet. Darüber hinaus haben wir die Basis gelegt, um nun auch auf Ebene Bereichsabkommen zu diskutieren.
AKTiV: Und ganz generell? Wie kann die öffentliche Hand die Entwicklung stützen?
Arno Kompatscher: Die vorhin genannte Untersuchung werden wir nun jährlich aktualisieren, um so objektive Informationen über die Entwicklung der Löhne zu haben und auf Basis objektiver Daten gemeinsam mit den Sozialpartnern eventuelle Maßnahmen setzen zu können. Es gibt aktuell verschiedene Vorschläge für weitere steuerliche Maßnahmen. Hier werden wir aber zunächst abwarten, welche Neuerungen das staatliche Haushaltsgesetz bringen wird. Vielmehr will die Landesregierung in jenen Bereichen neue Akzente setzen, die sich indirekt auf das verfügbare Einkommen auswirken. Insbesondere geht es um leistbares Wohnen. Ansetzen werden wir über das Raumordnungsgesetz, das der Landtag kürzlich verbschiedet hat, das neue Wohnbauförderungsgesetz und die Steuergesetzgebung in diesem Bereich. Kurzfristig sind in erster Linie nun die Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände auf kollektivvertraglicher Ebene gefragt.