Gleichstellungrätin Michela Morandini
ASGB: Liebe Michela, im September 2019 wurdest in deinem Amt als Gleichstellungsrätin bestätigt. Zuallererst herzlichen Glückwunsch dazu. Wir freuen uns sehr darüber. Welche Ziele hast du für dein Amt für die nächsten fünf Jahre gesetzt?
Frau Dr. Morandini: Da gibt es selbstverständlich mehrere. Die Nachfrage an der Beratungs- und Mediationstätigkeit steigt weiterhin an. Es ist mir ein großes Anliegen, diese Tätigkeiten südtirolweit garantieren zu können. Bis jetzt ist es aufgrund der fehlenden Personalressourcen nicht möglich. Das heißt, dass diese Dienstleistungen in den nächsten fünf Jahren ausgeweitet werden. Zudem möchte ich in den nächsten fünf Jahren vermehrt Informations- und Sensibilisierungskampagnen zum Thema der geschlechterbasierten Diskriminierung im Netzwerk durchführen. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist für mich, mit allen Akteuren auf dem Territorium am Thema Mobbing weiterzuarbeiten, um die betroffenen Personen zu unterstützen.
ASGB: In welchen Bereichen hast du in deiner bisherigen Tätigkeit als Gleichstellungsrätin die größten Diskriminierungen gesehen, wo absolut Handlungsbedarf besteht?
Frau Dr. Morandini: Auch heuer gibt es wieder drei „Topthemen“ in den Beratungen: Mobbing, also multiple Diskriminierungen am Arbeitsplatz; Diskriminierungen zum Thema der Vereinbarkeit Familie und Beruf und die Kündigungen der Mütter innerhalb des ersten Lebensjahres des Kindes. Sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz ist das nächste wichtige Thema. Diese Themen definieren mit den klassischen Themen zur Gleichstellung, z. B. den Gender pay gap, den Handlungsbedarf.
ASGB: In deinem Jahresbericht hast du Mobbing am Arbeitsplatz als Topthema angegeben. Wie können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor schützen?
Frau Dr. Morandini: Schützen im Sinne von vermeiden bzw. präventiv agieren ist für die Betroffenen oft schwierig. Vielmehr kommt den Unternehmerinnen und Unternehmern mit der Schaffung einer von Respekt und Wertschätzung geprägten Unternehmens- und Kommunikationskultur eine wichtige präventive Rolle zu.
Viele Betroffene merken früh, dass etwas nicht stimmt, allerdings wird ihnen erst später bewusst, dass sie Opfer von Mobbing sind. Es geht um die Frage, was Betroffene tun können, wenn es ihnen bewusst wird. Wichtig ist, dass sich Personen frühzeitig melden, sich professionelle Hilfe suchen und sich „Verbündete“ am Arbeitsplatz suchen. Zudem ist ein klares Auftreten bzw. sich zur Wehr setzen, besonders in der Anfangsphase wichtig. Dafür muss man aber gestärkt werden. Sich Unterstützung vom Vorgesetzten holen, selbstverständlich wenn dieser nicht der Mobber ist, ist zudem wichtig. Hilfreich ist auch ein „Tagebuch“ zu führen, indem die Vorkommnisse dokumentiert werden. Speziell in der Phase, in der mit dem Arbeitgeber kommuniziert wird, ist eine solche Dokumentation wichtig. Es muss klar hervorgehen, dass es sich nicht um „zufällige“, „scherzhafte“, „nicht ernstzunehmende“ Einzelereignisse handelt, sondern um mehrere diskriminierende Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum hinweg, die darauf abzielen, die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer zu schädigen.
ASGB: Zu dir kommen auch die Angestellten vom öffentlichen Bereich. Was könnte man im öffentlichen Bereich an Arbeitsgestaltung verbessern?
Frau Dr. Morandini: Zirka die Hälfte meiner Klientinnen und Klienten arbeiten im öffentlichen Bereich. Bei den meisten geht es dabei um das Thema Mobbing. Dabei bemerke ich oft, dass ein ungelöster Konflikt Auslöser für die weitere Entwicklung ist und die Führungskräfte nicht frühzeitig eingegriffen haben. Führungskräfte müssten meiner Meinung nach bestärkt werden, frühzeitig und somit präventiv zu intervenieren.
Ein weiteres Thema in meinen Sprechstunden ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Situation im öffentlichen Dienst ist dabei sicher gut, allerdings noch ausbaufähig. Neben der Möglichkeit der Teilzeit sollten weitere Formen flexibler Arbeitszeitgestaltung eingeführt werden.
ASGB: Als ASGB haben wir schon des Öfteren sehr gut zusammengearbeitet. Was würdest du gerne unseren Mitgliedern mit nach Hause geben?
Frau Dr. Morandini: Wichtig ist es, dass sich die Personen frühzeitig melden. Die Sprechstunden sind kostenlos und können auch anonym in Anspruch genommen werden. Keine Intervention meinerseits passiert ohne Absprache und Einverständnis der Klienten oder des Klienten. Zudem ist die Gleichstellungsrätin in Fällen von individuellen und/oder kollektiven Diskriminierungen klageberechtigt.
Vielen Dank für die Zusammenarbeit!
Weitere Info zu den Tätigkeiten
der Gleichstellungsrätin finden Sie unter:
www.gleichstellungsraetin-bz.org