AKTIV: Lieber Tony, aufgrund des Covid-19-Notstandes ist eine Ausgabe des Aktiv ausgefallen. Was war der Grund dafür?
Tony Tschenett: Uns hat die neue Situation genauso unvorbereitet getroffen, wie alle anderen Betriebe – egal ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst. Wir mussten unsere Mitarbeiter zum Smartworken nachhause schicken - ein Umstand der durchaus herausfordernd war – und uns darum kümmern, dass wir einerseits das erste Dekret „Cura Italia“ schnellstmöglich verstehen, um auch möglichst zeitnahe unsere Mitglieder darüber informieren zu können, andererseits aber auch unsere Kapazitäten bündeln, um den unzähligen Rückfragen unserer Mitglieder Herr zu werden. Dabei sind unsere Telefonlinien an ihre Grenzen gestoßen, bedauerlicherweise sind viele Menschen nicht durchgekommen. Das tut mir persönlich sehr leid.
AKTIV: Was hat der ASGB unternommen, um den Betroffenen trotzdem die benötigten Informationen zukommen zu lassen?
Tony Tschenett: Wir haben auf unserer Homepage eine eigene Seite eingerichtet, auf der wir ausschließlich Informationen bzgl. Covid-19-Maßnahmen veröffentlicht haben. Parallel dazu haben wir dieselben Informationen auf Facebook veröffentlicht. Sobald sich das Problem mit den Telefonlinien ergeben hat, haben wir auf unserer Webseite ein Fragenformular eingerichtet, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, uns trotz der telefonischen Verbindungsprobleme jederzeit über ihre Anliegen zu informieren oder ihre Fragen zu deponieren. Auch der rege Austausch mit Followern über die Nachrichtenfunktion auf Facebook hat uns überrascht, der war vor der Covid-19-Krise eigentlich kaum vorhanden.
AKTIV: Wie ist die Ist-Situation? Laufen alle Dienste wie gewohnt ab?
Tony Tschenett: Wir fahren immer noch auf Sparflamme. Wer die Möglichkeit hat, arbeitet weiterhin im Home-Office. Dennoch bieten wir alle unsere Dienste wieder an. Der einzige Unterschied im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise ist nur der Umstand, dass wir aufgrund der Sicherheitsprotokolle keine Laufkundschaft empfangen dürfen. Das heißt, wir arbeiten aktuell nur auf Termin. Vor allem für die Abfassung der Steuererklärungen war dies eine gewaltige Herausforderung. Wir haben eine große Zahl derer, die letztes Jahr bei uns die Steuererklärung Modell 730 abfassen ließen, versucht, persönlich zu kontaktieren, um einen Termin zu vereinbaren. Auch die anderen Dienstleistungen und Beratungen laufen wie gewohnt ab. Wir bitten aber um Kontaktaufnahme im Vorfeld, damit ein Termin vereinbart werden kann.
AKTIV: Krise bedeutet für Gewerkschaften meistens Hochkonjunktur. Können Sie das so bestätigen?
Tony Tschenett: Das ist leider so. Die gesamte Belegschaft des ASGB ist über sich hinausgewachsen. Ich denke, wir haben immer zügig über die Neuerungen berichtet und genauso zügig die entsprechenden Ansuchen für die verschiedenen Maßnahmen gestellt. Gleichzeitig haben wir natürlich auf lokaler Ebene Forderungen für die Unterstützung der lohnabhängig Bediensteten gestellt, genauso wie für Familien. Wir hatten unzählige Videokonferenzen und Verhandlungen, neue Formulare zu erstellen, Zusammenfassungen zu tätigen – und dies alles, ohne unsere normalen Aufgaben zu vernachlässigen.
AKTIV: Tony siehst du dich in der Lage eine Prognose bzgl. der Auswirkungen des epidemiologischen Notstandes Covid-19 auf die Zukunft abzugeben?
Tony Tschenett: Leider bin ich kein Hellseher. Sicher wird es Veränderungen geben und einige Betriebe werden die Krise nicht überstehen. Das heißt natürlich auch, es wird Arbeitslose geben. Die müssen wir natürlich auffangen, genauso wie wir die Konjunktur ankurbeln müssen, um Konkurse nach Möglichkeit zu vermeiden. Ich bin aber Optimist. Südtirol ist bis heute aus jeder Krisen stärker hervorgegangen.
AKTIV: Die aktuelle Krise hat unseren Blick auch auf Baustellen gerichtet, die wir vorher nicht unbedingt auf dem Schirm hatten…
Tony Tschenett: Das stimmt. Wir haben uns mit der Globalisierung in eine Abhängigkeit begeben, was die notwendige Schutzausrüstung betrifft. Aus diesen Fehlern müssen wir lernen. Medizinische Ausrüstung muss wieder lokal hergestellt werden. Die Abhängigkeit von Asien hat europaweit dafür gesorgt, dass die verschiedenen Staaten beim Erwerb der Ausrüstung in Konkurrenz zueinander getreten sind und die benötigten Mengen nicht auf dem Markt erhältlich waren. Dies darf zukünftig einfach nicht mehr passieren.
Auch die Intensivbetten müssen erhöht werden oder zumindest Maßnahmen getroffen werden, diese in kürzester Zeit signifikant erhöhen zu können. Wenn nur einige wenige Intensivfälle mehr aufgetreten wären, hätten wir unsere Kapazitätsgrenzen erreicht. Und dann gute Nacht.
Die Krise hat uns aber auch vor Augen geführt, wie wichtig der normale Schulunterricht und die Interaktion zwischen Heranwachsenden ist – genauso wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und diese Punkte sollten wir mitnehmen, an diesen Punkten sollten wir arbeiten und aus unseren Erfahrungen lernen.
AKTIV: Pessimisten befürchten einen extremen Anstieg der Arbeitslosenzahlen, sobald der Kündigungsstopp aufgehoben wird. Teilst du diese Befürchtung?
Tony Tschenett: Es ist utopisch zu meinen, dass diese Krise keine Arbeitsplätze kosten wird. Aber eine gewisse Richtung können wir auch selbst vorgeben. Das Land ist gut beraten, die Wirtschaft zu fördern, um Konkurse zu vermeiden, denn eine hohe Arbeitslosenrate ist dauerhaft sicherlich teurer als gezielte finanzielle Förderungen. Und auch wir Privatpersonen können unseren Beitrag zu leisten: lokale Produkte bei lokalen Händlern kaufen, lokale Online-Shops internationalen Konzernen vorziehen oder warum den Urlaub nicht im Land verbringen!?
AKTIV: Tony vielen Dank für das Interview!
Tony Tschenett: Sehr gerne. Abschließend möchte ich den Lesern dieses Interviews nahelegen, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken. Auch für scheinbar ausweglose Situationen findet man meistens einen Ausweg. Scheut euch nicht, uns jederzeit zu kontaktieren, wir werden euch mit Rat und Tat zur Seite stehen.