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Eine Geschichte, die zu Herzen geht

Unsere Mitarbeiterin Wally Wörndle hat eine ukrainische Familie aufgenommen
Nach dem Tod unserer Mutter im Mai 2020 ist der Kontakt zu unserer ukrainischen Pflegehelferin Lisa aufrecht geblieben, auch wenn sie inzwischen eine andere Arbeit in Südtirol aufgenommen hat. Als die russischen Truppen Ende Februar in die Ukraine einmarschiert sind, wuchs Lisas Sorge um ihre Tochter Viktoriya und ihren fünfzehnjährigen Enkel Nikita sowie um ihre 87jährige Mutter, die in der Nähe von Melitopol, etwas östlich der Krim, leben.
Immer wieder erzählte sie mir unter Tränen von den Kämpfen rund um die Wohnbereiche ihrer Angehörigen und bat uns dabei, ihrer Tochter und ihrem Enkel Unterkunft zu gewähren, falls sie sich für eine Flucht nach Südtirol entscheiden würden. In der Nacht auf den 6. Oktober sind Viktoriya und Nikita endlich bei uns eingetroffen. Aber der Weg war mühsam und lang.
Als Russland Ende September Teile der Ukraine annektiert und zu russischem Staatsgebiet erklärt hat, gehörte auch das Territorium dieser Familie plötzlich zu Russland. Russische Soldaten, die mit einer Kalaschnikow bewaffnet waren, forderten die Bevölkerung auf, sich für die Annexion zu entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt entschloss sich Viktoriya mit ihrem Sohn für die Flucht nach Südtirol.
Da der Weg direkt nach Westen über Moldawien und Rumänien versperrt war, flohen sie zunächst über die Krim mit dem Zug und erreichten nach 45 Stunden St. Petersburg. Von dort nahmen sie den Zug nach Tallinn, Hauptstadt von Estland. An der Grenze allerdings wurden sie aufgeschnappt und nach St. Petersburg zurückgeschickt. Also probierten sie es über Finnland und wurden an der Grenze gefasst. Ihnen wurden die Dokumente abgenommen und sie wurden in ein Verließ ohne Fenster eingesperrt, ohne Sitz- oder Schlafgelegenheit und ohne Essen und Trinken. Endlich, nach 24 Stunden, durften sie wieder in die Freiheit und dann gelang ihnen auch die Flucht über die Grenze nach Helsinki. Mit einem Schiff gelangten sie übers Meer nach Tallinn und von dort buchten sie einen Flug nach Mailand bis sie schließlich nach einer Woche zwischen Hoffen und Bangen mitten in der Nacht bei uns zu Hause ankamen.
Natürlich war die Erleichterung und die Freude groß; aber es bleiben auch viele Fragezeichen. Wie geht es weiter? Wie geht es der betagten Oma, die nicht mitkommen konnte? Wann hört dieser Krieg endlich auf? Kann Viktoriya hier eine Arbeit finden? Vor allem macht sie sich natürlich Sorgen um ihren Sohn Nikita. Hat sie alles richtig gemacht? Verkraftet er die Herausforderung? Einerseits muss er sich in einer nicht vertrauten Umgebung zurechtfinden: Wohnung, Schule, Sprache – alles ist neu; und es fehlen auch die Freunde aus der Heimat. Gleichzeitig muss er auch das Trauma verarbeiten, das er vor, während und nach der Flucht erlebt hat.
Viktoriya macht sich auch Sorgen, wie es in ihrer Heimat weitergeht. Mit einem Koffer in der Hand mussten sie und ihr Sohn die Heimat verlassen, mit der Angst in eine ungewisse Zukunft. Und jetzt macht sie sich natürlich Gedanken, ob sie je wieder in ihr Häuschen am schwarzen Meer zurückkehren können; vor allem dann, sollte dieses Gebiet definitiv bei Russland bleiben.
Seit Mitte Oktober die Brücke zur Krim in die Luft gesprengt wurde, auf der sie zehn Tage zuvor mit ihrem Sohn die Flucht in ein unbekanntes Land ergriffen hatten, meidet sie es, Nachrichten aus dem Kriegsgebiet zu lesen; zu groß sind die Erinnerungen an das Kriegsgeschehen mit Sirenengeheule, Explosionen und Panzerfahrzeugen in der Heimat. In der Zwischenzeit hat sie erfahren, dass viele Verwandte, Freunde und Bekannte die Heimat verlassen haben; die leeren Häuser werden von russischen Soldaten geplündert und besetzt.
In dieser Advents- und Weihnachtszeit sollten wir uns bewusst werden, dass wir hier in Frieden, Sicherheit und Freiheit leben können; während keine zwei Flugstunden entfernt Menschen leben, die ihr Hab und Gut verlieren und plötzlich ihr Zuhause verlassen müssen. Während wir hier Zeit und Energie für Wohnbaupunkte, ISEE Werte und Unterstützungsmaßnahmen aufwenden, bangen unzählige Menschen gerade um das Leben von Freundinnen und Freunden sowie Familie.
Wer helfen möchte, kann sich
per Mail an unsere Mitarbeiterin
Wally Wörndle wenden
wwoerndle@asgb.org

Aktuell

Einheitliche Gästekarte für Mobilität und Museen: Harsche Kritik vom ASGB

Oberflächlich betrachtet, so der ASGB klingt eine einheitliche Gästekarte für Mobilität und Museen, deren Leistungen von den Betrieben gezahlt wird, durchaus gut. Bei näherer Betrachtung komme man aber nicht drum herum, Kritik an diesem Projekt zu üben.
Die Argumentation von Land und Tourismusorganisationen, der „Südtirol Guest Pass“, wie die einheitliche Gästekarte genannt wird, würde dazu dienen, den Verkehr einzudämmen, erscheint nicht plausibel. Es ist nämlich Fakt, dass im öffentlichen Nahverkehr bereits heute nicht genügend Fahrer zur Verfügung stehen, um die Dienste flächendeckend ohne Ausfälle zu garantieren. Die geplante Einführung touristischer Linien ist eine Augenauswischerei, die objektiv betrachtet gut klingt, in der Realität aber unter den aktuellen Bedingungen nicht umsetzbar ist.
Dem Fass den Boden schlägt aber die ­naive Begründung, wie das alles finanziert werden soll, aus: Die Kosten für die einheitliche Gästekarte für Mobilität, Museen und die Einführung touristischer Linien sollen über die Nächtigungsbetriebe pro Nächtigung abgerechnet werden. Man muss kein Mathematikgenie sein, um auszurechnen, dass damit keinesfalls kostendeckend gearbeitet werden kann. Auch wenn der Beherbergungsbetrieb einige Euro pro Gast bezahlt, sind die anfallenden Kosten keineswegs gedeckt und müssen vom Steuerzahler – der den vollen Preis für Museumsbesuche zahlen muss – kompensiert werden. In diesem Zusammenhang ortet der ASGB eine grobe Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung. Ein Beispiel zur Verdeutlichung: der Eintritt ins Ötzi-Museum kostet für Erwachsene 13 Euro. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Gäste betrug im Jahr 2019 4,4 Tage. Würde der Nächtigungsbetrieb sogar drei Euro für Nächtigung bezahlen, wäre damit gerade der Eintritt fürs Ötzi-Museum gedeckt. Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Besuch anderer Museen müsste von der Allgemeinheit bezahlt werden. Diese Rechnung geht niemals auf! Es ist unverantwortlich, den Bürgern unvorhersehbare Kosten für touristische Träumereien aufzuhalsen, während auf der anderen Seite mit der Argumentation, dies gebe der Landeshaushalt nicht her, jeder Euro zweimal umgedreht wird. Der ASGB fordert deshalb das Land auf, dieses Projekt zurückzunehmen.