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12. Ordentliche Bundeskongress des ASGB

Mit sozialer Verantwortung gemeinsam aus der Krise

> Bericht des Vorsitzenden Georg Pardeller und Referat des Leitenden ÖGB-Sekretärs Clemens Schneider
> Resolutionen zu zahlreichen aktuellen Fragen
Voll besetzt bis auf den letzten Platz war am Samstag, 16. Mai 2009, der Raiffeisensaal in Terlan, wo der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund ASGB seinen 12. ordentlichen Bundeskongress hielt. Die Delegierten, Frauen und Männer, waren aus allen Teilen des Landes gekommen. Sie nahmen den Rechenschaftsbericht des scheidenden Vorsitzenden Georg Pardeller entgegen, ebenso den Festvortrag über Ursachen und Auswirkungen der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, gehalten vom Leitenden Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Clemens Schneider. Sie verabschiedeten eine Reihe von Resolutionen sowie den Antrag, dass politische Ämter und Gewerkschaftsfunktionen in Hinkunft nicht mehr vereinbar sein sollen. Sie sollten sich laut Tagesordnung auch mit einer Reform der Statuten befassen, doch das konnte dann mangels der nötigen Anzahl von Delegierten nicht mehr über die Bühne gehen.
Die Rede Pardellers
Georg Pardeller, seit 17 Jahren Vorsitzender des ASGB, erstattete in dieser Eigenschaft zum letzten Mal Bericht über die Tätigkeit der letzten Jahre und über die vielen Anliegen, mit denen sich der ASGB in den letzten Jahren befasst hatte. Hier einige Auszüge aus seiner Rede. „Der ASGB als freie Gewerkschaft freier Menschen ist seit seiner Gründung im Jahre 1964 unter vielen Schwierigkeiten und mit vielen Opfern gewachsen und hat sich zu einer politischen und sozialen Kraft entwickelt, die heute aus dem Leben unseres Landes nicht mehr wegzudenken ist. Als Gewerkschaft der deutschen und ladinischen Südtirolerinnen und Südtiroler reden wir überall mit, wir sind sozusagen auch soziales Salz dieses Landes. Wir sind eine feste Einrichtung geworden, gewollt und geschützt durch das Autonomiestatut, getragen von unserer Bevölkerung, mit Leben erfüllt durch Tausende Mitglieder im ganzen Land, aus allen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen. Seit 1964 bauen wir am eigenen Haus, an unserer Gewerkschaft und zugleich an der eigenen Heimat. Ohne uns wäre diese Heimat nicht so deutlich eine Heimstatt auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ohne uns wäre Südtirol um Vieles ärmer. Dies wollte ich vorausschicken.
Wirtschaftlich gefestigt
Ich sage es mit einigem Stolz: Ich gebe eine Gewerkschaft in neue Hände weiter, die heute wirtschaftlich gefestigt dasteht. Der ASGB verfügt über Einrichtungen – das Mutterhaus in der Bindergasse in Bozen, wo die 16 Gewerkschaften des Bundes ihren Sitz haben, die Büros ASGB II in Bozen mit ihren spezifischen Dienstleistungen (Patronat, soziale Hilfestellungen in mehrerlei Hinsicht), unsere Büros in Bruneck, Sterzing, Brixen, Meran, Schlanders, Neumarkt – also über wertvolle Einrichtungen für unsere Mitglieder und für die Bevölkerung insgesamt. Obwohl wir von der Hand in den Mund leben, sind diese Einrichtungen schuldenfrei. Es brauchte Mut, sie zu errichten, und den hatten wir.
Sichere Arbeitsplätze
Der ASGB bietet über fünfzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiten einen soliden Arbeitsplatz. Das war und ist wichtig, denn nur wer auf festem Boden steht, kann unbelastet arbeiten. Ich betone es noch einmal: Als Vorsitzender war ich verantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Bundes, und ich war imstande, eine Gewerkschaft ohne große Belastungen zu hinterlassen. Das ist sicher nicht allein mein Verdienst, aber ich habe mich immer bemüht, den ASGB auf solide Beine zu stellen. Dafür haben wir gearbeitet, dafür haben wir alle gespart, und dafür haben wir auch öffentliche Mittel erhalten. Wir haben sie gut eingesetzt.
Sozial umfassend engagiert
Die Organe des ASGB haben in den letzten vier Jahren zahlreiche Entscheidungen getroffen. Sie haben wesentliche soziale Aussagen gemacht, damit Forderungen verbunden und den Standpunkt der Gewerkschaft in allen relevanten Fragen offen vertreten. Ich will Euch kurz die Schwerpunkte unserer Arbeit der letzten vier Jahre in Erinnerung rufen, ohne zu sagen, welches die wichtigsten waren, denn sie waren und bleiben alle wichtig.
Wir haben gemeinsam erreicht, dass in unserem Land die Pflegesicherung eingeführt wurde, ohne den Einzelnen zusätzlich zu belasten. Es ist nicht garantiert, dass das für alle Zukunft auch so bleiben wird, aber eines ist sicher: Wir haben einen guten Start erreicht und der ASGB muss weiter kämpfen, dass die Lasten nicht zu Ungunsten der Arbeiterschaft anders verteilt werden.
Wir haben uns konsequent für die Rentenabsicherung eingesetzt, indem wir als erste für den Zusatzrentenfonds eingetreten und landesweit dafür Werbung gemacht und Informationen angeboten haben. Südtirol hat das Trentino weit überholt, was die Mitgliedschaft im Laborfonds angeht. Das heißt im Klartext: Die Südtirolerinnen und Südtiroler setzen sich überzeugter für eine bessere Altersabsicherung ein. Das ist gelebte soziale Überzeugung und auch verantwortungsvoller Weitblick.
Wir haben uns immer nachdrücklich für die Autonomie, für Proporz und Zweisprachigkeit eingesetzt und dabei besonders bei den Staatsstellen, bei der Post und bei der Bahn unsere Forderungen eingebracht. Die Landesautonomie bringt uns allen Vorteile, aber wir müssen uns dafür auch alle einsetzen, denn nichts fällt ohne Mühe in den Schoß.
Für Lehrerschaft und Lehrlinge
Wir sind für die Südtiroler Lehrerschaft eingetreten und haben erreicht, dass diese endlich dem Laborfonds beitreten konnten. Das hat uns nicht wenig Mühe gekostet, aber es ist gelungen. Wir sind immer überzeugt für die Lehrerschaft eingetreten, weil wir wissen, was die Lehrerschaft für unsere Jugend und somit für die nachkommenden Generationen bedeutet. Wir haben uns für die Lehrlinge besonders eingesetzt und nicht nur erreicht, dass der Landtag sich für die Lehrlingsmatura ausgesprochen hat – wenn sie auch vom Staat noch nicht anerkannt wird – und dass die Lehrlingszeiten besser und gerechter geregelt werden.
Gegen die Teuerung
Wir haben konsequent gegen die Teuerung gekämpft und unsere Stimme laut und vernehmlich erhoben. Es ist uns nicht gelungen, die vielen auch versteckten Preiserhöhungen vollständig zu unterbinden, aber wir haben die Verantwortlichen und die Politik darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht angeht, den Arbeitern und Angestellten ständig höhere Preise zuzumuten, während ihre Löhne und Gehälter gleich bleiben oder schrumpfen. Gern haben die Preismacher und Preistreiber das nicht gehört, aber vielleicht hat der eine und andere dann doch ein schlechtes Gewissen bekommen. Wir haben uns für eine Aufwertung der Verbraucherzentrale stark gemacht und dabei beim Land Erfolg gehabt. Diese wertvolle Einrichtung ist heute finanziell besser ausgestattet als früher und kann ihre Arbeit für uns alle, die wir ja Verbraucher sind, leisten, eine sehr notwendige Arbeit.
Kollektivverträge
Wir haben beständig um die Erneuerung der Kollektivverträge gerungen, besonders jener im öffentlichen Dienst, wo die Verträge immer mit Verspätung abgehandelt werden. Das darf nicht weiter so bleiben. Unsere Vertreterinnen und Vertreter dort haben hervorragende Arbeit geleistet, und dafür möchte ich ihnen danken.
Sanitätsreform
Wir haben bei der Sanitätsreform unsere eigenen Vorstellungen eingebracht und erreicht, dass diese Reform nicht ganz über unsere Köpfe hinweg erfolgt ist. Hier werden wir weiterhin den vollen Einsatz zeigen, denn es darf zu keiner Zweiklassenmedizin kommen.
Für die Familie
Wir haben für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz und für eine bessere soziale Ausrichtung der öffentlichen Investitionen in der Wirtschaft gefochten. Wir als Gewerkschaft und die Sozial?verbände haben uns ganz besonders für die Familie eingesetzt, und das Familienpaket ist ein Erfolg für uns alle.
Unser Existenzrecht
Wir haben für das Existenzrecht des ASGB gekämpft, und das ist eine der schwierigsten Aufgaben, die noch lange nicht erledigt ist. Immer wieder versuchen nationale Kreise, auch aus den Reihen von Gewerkschaften, uns das Existenzrecht als starke Gewerkschaft der ethnischen Minderheit streitig zu machen. Wir müssen Prozesse führen, und das ist beschämend. Die Arbeitervertretungen sollen zusammen stehen und gemeinsam kämpfen für die Rechte der gesamten Arbeiterschaft.
Sozialpartnerschaft
Wir sind für die Sozialpartnerschaft eingetreten und wir haben mit dem sozialpartnerschaftlichen Dialog manches Problem lösen und manche Spannung abbauen können. Leider ist in den letzten Jahren das Interesse am sozialpartnerschaftlichen Dialog etwas geringer geworden, gleich wie auch das Interesse der Arbeiterschaft an den Gewerkschaften abgenommen hat. Wir haben uns dagegen gestemmt, aber wir konnten uns dem Modetrend nicht entziehen, der da sagt, dass es die Gewerkschaften in unserer modernen und liberalen Zeit gar nicht mehr braucht, weil ja die Gesetze und Normen für soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde sorgen. Und da fragen wir uns: Seit wann haben Buchstaben das je getan?
Das sind nur einige Beispiele für die Arbeit, die wir geleistet haben. Auch wenn es manches Mal den Eindruck haben könnte, dass diese Leistungen Einzelleistungen sind, es steckt in Wirklichkeit der gesamte ASGB dahinter, denn aus seinen Reihen kommen Vorschläge und werden vorgetragen. Der ASGB als Ganzes formt unsere Mentalität; der ASGB ist die Grundlage, auf der wir alle arbeiten.
Politischer Einsatz
Ich habe in den Jahren, in denen ich für die Arbeiterschaft im Landtag bin, meine ganze Kraft eingesetzt, um Positives für uns alle zu erreichen, und in zahlreichen Fällen ist mir das auch gelungen, weil ich das Gewicht der Arbeiterschaft hinter mir wusste. Ich werde meine Ausrichtung in den kommenden Jahren beibehalten.
Die Zukunft
Ich bin sicher, dass der ASGB unter neuer Führung zumindest zum Teil ein anderer werden wird, denn das liegt in der Natur der Dinge. Der Wechsel an der Spitze erfolgt zu einem schwierigen Zeitpunkt für alle: für die Arbeiterschaft gleich wie für die Wirtschaft. Nur wenn beide am selben Strick ziehen und sich die Politik als Dritten im Bunde hereinholen, wird es gelingen, die Krise zu überwinden und in eine gute Zukunft zu gehen. Das wünsche ich dem ASGB, allen Mitgliedern, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ich danke allen, die mit mir in diesen Jahren im Einsatz standen. Ich danke allen Mitgliedern des ASGB für ihre Treue. Sie verkörpern die Eigenständigkeit und sie haben damit zur Stärkung unserer Autonomie wesentlich beigetragen. Und nicht zuletzt danke ich allen sozial Gesinnten und den sozial aufgeschlossenen Politikern, die den ASGB unterstützen, weil sie von seiner Arbeit überzeugt sind, in erster Linie dem Landeshauptmann, dessen soziale Gesinnung für Südtirols Arbeiterschaft eine Stütze zu jeder Zeit war und bleibt.

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Auszug aus dem Referat

Clemens Schneider, leitender Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes
Noch immer fragen sich viele Menschen, wie denn diese Weltwirtschaftskrise so unvermittelt über uns hereinbrechen konnte. Die Frage interessiert die Arbeitnehmer umso mehr, als ja sie in vorderster Linie die Leidtragenden sind. Sie verlieren Arbeitsplätze, sie haben nicht mehr das Einkommen, um ein würdiges Leben zu führen, sie können ihre Familien nicht mehr so versorgen, wie es notwendig wäre. Der Gastredner auf dem ASGB-Kongress, Clemens Schneider, Leitender Sekretär im ÖGB, gab auf diese Fragen klare Antworten. Warum also die Krise? Schneider: Weil führende Wirtschaftsländer, wie die USA, so lebten und handelten, als würde der freie Markt alles regeln und die einzige Garantie für Wachstum sein. Kapital müsse frei sein, hieß es. Aber: Der Finanzkapitalismus, wie wir ihn in den letzten Jahren erlebt haben, steht im Widerspruch zur Solidarität und zu den Zielen der Sozialpartnerschaft. Denn die ureigensten Ziele der Sozialpartnerschaft sind wirtschaftliche Stabilität und Wohlstand für alle. Dieses Ziel hat der Neoliberalismus bei weitem verfehlt.
Anfang 2000 ist die so genannte New-Economy-Blase geplatzt. Der Liberalisierungswahn hat sich nicht auf den Finanzbereich beschränkt, er erfasste alle Wirtschaftssektoren, die Dienstleistungen und den Arbeitsmarkt, die Zinsen schossen in die Höhe, die staatlichen Pensionsmodelle kamen ins Wanken. Der europäische Aktienmarkt wird von amerikanischen „toxischen" (wertlosen) Produkten überhäuft, die europäischen Banken wollen mitnaschen – und plötzlich stellt sich heraus, dass alles zusammen eine aufgebauschte Seifenblase war, die platzen und Millionen von gutgläubigen Sparern mitreißen musste. 2008 erreichte die Katastrophe einen ersten Höhepunkt, und plötzlich wurde der Ruf nach „mehr Staat" laut. Es riefen gerade jene, die sich bis dahin wie die Haifische im Forellenteich frei bewegt hatten.
Jetzt kommt das bittere Erwachen und die notwendige Rückkehr zu den ursprünglichen Konzepten der Sozialpartnerschaft. Nur soziale Stabilität schafft auch wirtschaftliche Stabilität: durch den Erhalt von Arbeitsplätzen, durch faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen, durch Armutsbekämpfung, durch verstärkte Investition in Forschung und Entwicklung.
Wohlstand für alle bedeutet aber auch Verteilungsgerechtigkeit. Es darf keine weiteren Steuerbelastungen oder neuen Sozialabbau geben. Die Steuerlasten müssen gerecht verteilt werden. Aber auch Mitbestimmung ist ein wichtiger Pfeiler vo Demokratie und sozialer Stabilität.