> AKTIV: Die Renten sind eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen und es vergeht beinahe kein Tag ,an dem nicht über die Renten gesprochen wird. Warum?
H. RENZLER: In den letzten 20 bis 25 Jahren wurden in Italien und in den anderen europäischen Staaten immer wieder neue Rentenreformen durchgeführt. Zum einem sollten diese Rentenreformen dazu dienen auch zukünftigen Generationen weiterhin im Alter eine finanzielle Absicherung zu garantieren und zum Anderem sollten durch diese Reformen die Ausgaben für eben diese Renten eingeschränkt werden. Die wichtigste Reform wurde im Jahr 1995 durchgeführt. Durch diese Reform werden die zukünftigen Renten nicht mehr nach dem Umlageverfahren finanziert werden sondern durch ein Kapitalisierungssystem.
> AKTIV: Was bedeutet dies konkret für den Einzelnen?
H. RENZLER: Bis heute wurde für die Rentenberechnung als Bemessensgrundlage die durchschnittliche Entlohnung der in den letzten 5 bis 10 Jahren vor der Pensionierung bezogenen Entlohnung herangezogen. Die neuen nach dem beitragsbezogenen System berechneten Renten, werden hingegen auf der Grundlage der gesamten in einem Arbeitsleben eingezahlten Rentenversicherungsbeiträgen errechnet. Dies bedeutet für die zukünftigen Arbeitnehmer dass sie bei 40 Rentenversicherungsjahren nicht mehr 80 Prozent ihrer letzten vor der Pensionierung bezogenen Bruttoentlohnung an Rente beziehen werden, sondern nur mehr, je nach Berufslaufbahn, bis höchstens 48 Prozent bis 62 Prozent ihrer letzten vor der Pensionierung bezogenen Entlohnung. Die öffentliche Rente wird somit in Zukunft nicht mehr ausreichen, eine angemessene Altersversorgung zu garantieren.
> AKTIV: Bedeutet dies etwa, dass die jungen Arbeitnehmer in Zukunft im Alter hungern müssen?
H. RENZLER: Ja, wenn sie sich nur auf die öffentliche Vorsorge verlassen, dann wird dies wohl der Fall sein. Die Zeiten, wo man sich nicht um die Altersvorsorge kümmern musste, da alles automatisch von der öffentlichen Hand geregelt wurde, sind endgültig vorbei. Heute muss sich jeder rechtzeitig selbst um seine Altersvorsorge kümmern, indem er rechtzeitig vorsorgt.
> AKTIV: Wie kann ein Arbeiter oder Angestellter selbst fürs Alter vorsorgen?
H. RENZLER: Der Jugendliche muss sich bewusst werden, dass er sich sofort bei Arbeitsbeginn in einen Zusatzrentenfonds z.B. Laborfonds einschreiben lässt um sich somit eine zweite Rente anzusparen. Die Summe aus der zukünftigen öffentlichen Rente und der Zusatzrente ergibt dann eine Gesamtrente welche monatlich ungefähr so hoch ist wie die öffentlichen Renten welche zur Zeit ausbezahlt werden.
> AKTIV: Letzthin hat man in den Medien immer wieder gehört, dass die Arbeitnehmer durch Ihre Rentenversicherungsbeiträge die Renten der Selbständigen mitfinanzieren. Stimmt dies?
H. RENZLER: Ja zum Teil stimmt dies. Das NISF/INPS hat in seiner Gesamtheit seinen Haushalt für das Jahr 2008 mit einem Überschuss von 11.275 Millionen Euro abgeschlossen. Der Haushaltsvoranschlag des NISF/INPS für das Jahr 2009 sieht einen Überschuss von 10.443 Millionen Euro vor. Während der Rentenfonds der Arbeitnehmer im Jahr 2008 einen Überschuss von 9.000 Millionen Euro (mit Sonderfonds) aufweist, schrieben – wie seit Jahren – auch im Jahr 2008 beinahe alle Rentefonds der Selbständigen nur rote Zahlen. Der Rentenfonds der Bauern und Pächter weist im Jahr 2008 ein Negativsaldo von – 5.074 Millionen Euro, jener der Handwerker ein Negativsaldo von – 3.195 Millionen Euro und der Sonderfonds des Klerus ein Negativsaldo von – 115 Millionen Euro auf. Diese Rentenfonds werden auch im Jahr 2009 wiederum ein Negativsaldo aufweisen und das NISF/INPS erwartet für das Jahr 2009 erstmals auch ein Negativsaldo des Rentenfonds der Kaufleute.
Es stimmt also, dass die lohnabhängigen Arbeitnehmer mehr an Rentenversicherungsbeiträgen einzahlen als sie aus den Rentenfonds beziehen und ihre Rentenversicherungsbeiträge werden dazu verwendet um die Renten anderer Kategorien von Bürgern zu bezahlen.
> AKTIV: Und wer soll sie nun bezahlen?
H. RENZLER: Die Bilanzen des NISF/INPS zeigen in beeindruckendem Maße auf, dass die Voraussetzungen gegeben sind, um die Renten der lohnabhängigen Arbeitnehmer und gleichzeitig die Bezüge der in die Lohnausgleichskasse überstellten Arbeitnehmer zu erhöhen. Der Staat sollte endlich den Willen aufbringen, die finanziellen Leistungen, (wie etwa Familiengeld, Sozialrenten, Sozialgeldern, Sozialzuschlägen, Aufstockung der effektiven Renten auf den Mindestrentenbetrag) durch die Steuereinnahmen zu finanzieren und nicht durch die Rentenbeiträge der lohnabhängigen Arbeitnehmer.
Deshalb müssen sich die Gewerkschaften auch weiterhin energisch gegen weitere Rentenkürzungen wehren und jede neue Reform argwöhnisch analysieren. Gleichzeitig wird es vordringliche Aufgabe sein, alle Arbeitnehmer genauestens über ihre Rentensituation aufzuklären und Maßnahmen zu setzen welche es den Arbeitnehmer ermöglicht schon frühzeitig die richtigen Schritte für eine finanziell gute Altersvorsorge zu setzen. Der ASGB war sich diese Problems als erste Gewerkschaft bewusst und wurde schon im fernen Jahre 1994 aktiv. Auf eine Initiative des ASGB geht es nämlich zurück, dass wir in der Region Trentino – Südtirol heute einen eigenständigen Zusatzrentenfonds haben. Auf diesem Wege sollte der ASGB auch in Zukunft weiterarbeiten sowie weiterhin den Südtiroler Arbeitnehmern durch die Tätigkeit seines Patronates SBR Hilfe und Beratung in allen Rentenfragen zukommen lassen.
> AKTIV: Kollege Helmuth Renzler, danke für das Gespräch.