kommentar
Tony Tschenett

Es fehlt der politische Wille

Eigentlich sollten wir nicht über Rentenkürzungen und Rentenreformen diskutieren müssen. Das nationale Renten- und Fürsorgeinstitut NISF/INPS ist nämlich – anders als oft angenommen – kein Fass ohne Boden, sondern schreibt in der Gesamtbilanz durchwegs positive Zahlen. Der Rentenfonds der lohnabhängigen Arbeitnehmer hat jedes Jahr einen satten Überschuss zu verzeichnen. Anders sieht es bei den Rentenfonds der Selbständigen (Landwirte, Handwerker, usw.) aus. Da deren Fonds nicht ausreichen, um die Renten der Selbständigen zu zahlen, werden sie aus dem Arbeitnehmerfonds bezuschusst. Ebenso müssen die Rentenbeiträge der Arbeitnehmer zur Finanzierung der vom Staat beschlossenen Sozialleistungen herhalten, die wiederum allen Bevölkerungsschichten zugute kommen. Die Rentenreformen, die in erster Linie die lohnabhängig Beschäftigten treffen, haben zum Ziel, die Löcher im Staatshaushalt zu füllen.
Der Überschuss des NISF/INPS sollte eigentlich dazu dienen, die Renten jährlich an die reale Inflation anzupassen. Das Umgekehrte ist jedoch der Fall: die Lebenshaltungskosten steigen, die Renten stagnieren. Die Folge ist, dass viele Rentner nach einem langen und oft harten Arbeitsleben von der Rente nicht leben können. Das erklärt auch die steigende Anzahl der in Südtirol gepfändeten Renten.
Neben dem Beitragssystem für die Rentenberechnung wirken sich auch die so genannte Biagi-Reform negativ auf die Rentensituation aus, denn wo wenig eingezahlt wird, kommt auch wenig heraus: befristete Arbeitsverträge als Normalfall, Arbeit auf Abruf, Lehrverträge bis zum 30. Lebensjahr, Projektverträge, Leiharbeit oder die sogenannten Voucher (Arbeitsgutscheine). Statt des verkündeten Wirtschaftsaufschwungs, den diese Arbeitsformen bringen sollten, haben sich prekäre Verhältnisse breit gemacht, die den Konsum bremsen und eine langfristige Lebensplanung unmöglich machen.
Gerade deshalb muss dieses ungerechte System erneuert werden, welches die Arbeitnehmer in mehrfacher Hinsicht belastet. In erster Linie ist es Aufgabe des Staates, mit diesen Missständen aufzuräumen. Aber auch das Land ist gefordert und hier verweisen wir auf die Forderung des ASGB, die regionale und kommunale Einkommenszusatzsteuer abzuschaffen, da diese vor allem auf den Arbeitnehmern lastet.
Die Politik entfernt sich immer weiter von den verfassungsmäßigen Prinzipien, die dem Menschen, als Gegenleistung zu seiner Arbeit, ein würdiges Leben, sprich ein leistbares Gesundheitssystem, eine angemessene Rente usw. garantieren sollen. Was fehlt ist der politische Wille für soziale Gerechtigkeit!
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

aktuell

Der ASGB und die Autonomie

Der Bundesvorstand des ASGB hat kürzlich in groben Zügen seine Tätigkeit für die nächsten Jahre festgelegt. Ein Schwerpunkt bildet neben „Familie und Jugend" und „Gesundheit und Soziales" auch die Autonomie. Nachstehend das erarbeitete Papier zum Thema Autonomie.
Gleichstellung des ASGB
Der Landtag hat aufgrund des Art. 9 – DPR vom 6. Jänner 1978, Nr. 58 am 14. Juli 1978 festgestellt, dass der ASGB der repräsentativste Gewerkschaftsbund auf Landesebene ist, der ausschließlich aus Arbeitnehmern der deutschen und ladinischen Sprachminderheiten besteht.
Seit vier Jahren versucht nun die CISL dem ASGB diese Gleichstellung streitig zu machen. Sie hat im Februar 2006 über die Abgeordneten der Allianza Nationale einen Beschlussantrag zur Überprüfung der Representativität eingebracht. Die zuständige Gesetzgebungskommission hat diesen Antrag abgelehnt, die Vertreter der CISL haben diese Ablehnung angefochten und sind vor das Verwaltungsgericht gegangen, wo die Klage der CISL abgewiesen wurde.
Grundsätzlich wird festgestellt, dass die Grundlage der Existenzberechtigung einer eigenständigen Gewerkschaft wie es der ASGB ist, nicht das Wohlwollen einer politischen Partei oder die Anerkennung durch andere Gewerkschaften ist, sondern der Wille der Mitglieder dieser Gewerkschaft durch eine eigenständige Organisation die Wahrung ihrer Interessen selbst in die Hand zu nehmen. Ihnen das Recht auf eine eigenständige Interessenvertretung abzuerkennen kann nicht hingenommen werden. Wenn die Interessen der deutschsprachigen Arbeitnehmer vor mehr als 45 Jahren von den konföderierten Gewerkschaften ernst genommen worden wären, wäre es nicht zur Gründung des ASGB gekommen.
Anwendung der deutschen Sprache
Es wird festgestellt, dass die deutschsprachige Bevölkerung bei der Anwendung ihrer Muttersprache viel selbstbewusster auftreten muss. In allen öffentlichen Verwaltungen besteht die Pflicht des Personals zur Zweisprachigkeit; es ist oft zwar mühsam und erfordert viel Geduld, wenn man auf sein Recht besteht, aber nur so wird dieses längerfristig auch durchgesetzt werden können.
Wenn öffentliche Betriebe Fortbildungsveranstaltungen, Schulungen und anderes mehr nur in italienischer Sprache anbieten, muss von den deutschsprachigen Mitarbeitern auf solche Veranstaltungen in ihrer Muttersprache bestanden werden, da es ein festgeschriebenes Recht darstellt.
Auch bei der Bereitstellung von Protokollen der verschiedensten Arbeitsgruppen im Bereich Sanität kommt es in letzter Zeit immer öfter vor, dass diese nur in italienischer Sprache verfasst werden. Es muss auch hier vehement darauf gepocht werden, dass diese auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt werden und zwar zeitgleich.
Das gleiche Problem besteht auch bei der Übersetzung von Gesetzen und von staatlichen Kollektivverträgen.
Es sollte versucht werden, in den nationalen Kollektivverträgen festzuschreiben, dass diese auf provinzialer Ebene in die deutsche Sprache übersetzt werden müssen. Die konföderierten Gewerkschaften werden aufgefordert, dieses Anliegen des ASGB zu unterstützen, nachdem sie immer darauf verweisen, dass auch sie deutschsprachige Mitglieder in ihren Organisationen eingeschrieben haben.
Das Thema Toponomastik ist und bleibt ein großes Anliegen der deutschen und ladinischen Volksgruppe. Die Ortsnamen sind für die Identität und das Selbstbewusstsein einer Volksgruppe grundlegend. Die faschistische Italienisierung durch Tolomei stellt ein schmerzliches Symbol unserer Geschichte dar. Jede willkürliche Übersetzung der Eigennamen stellt einen unrechtmäßigen Eingriff in die Grundrechte einer angestammten Bevölkerung dar und darf nicht toleriert werden.
Deshalb muss dieses Thema von der Politik endlich angegangen und einer Lösung zugeführt werden, damit das jahrelange Hick-hack ein Ende nimmt. Das kulturelle Erbe und die eigene Identität unserer Volksgruppe müssen erhalten bleiben. Für den ASGB ist es selbstverständlich, dass die historisch gewachsenen italienischen Namen berücksichtigt werden, es kann aber nicht sein, dass die von Tolomei bis in den letzten Weiler unseres Landes übersetzten Flurnamen nur des Friedens Willens bestehen bleiben. Außerdem müssen die deutschen Orts- und Flurnamen eine gesetzliche Grundlage erhalten.
In den Führungsriegen des Südtiroler Sanitätsbetriebes stellen deutschsprachige Führungskräfte eine Minderheit dar. Der ASGB muss in Zukunft wieder vermehrt auf die Einhaltung des Proporzes auch in den obersten Etagen des öffentlichen Dienstes achten und Ungereimtheiten aufzeigen.
Bei den verschiedenen paritätisch besetzten Kommissionen des Landes muss in Zukunft das Recht auf deutschsprachige Präsidenten vehementer gefordert werden. Diesbezügliche Abkommen über Rotationen werden oft nicht eingehalten oder überhaupt nicht unterzeichnet.
Die Privatisierung staatlicher Dienste hat nur Chaos hinterlassen, Personalmangel, Versorgungsengpässe, fehlende Koordinierung und Gewerkschaftsfeindlichkeit sind Dauerzustände bei Post und Eisenbahn.
Die negativen Folgen dieser Entwicklung gehen zu Lasten der Bevölkerung, die nicht nur mangelhafte Dienstleistungen hinnehmen muss, sondern letztlich als Steuerzahler auch noch für die jährlichen Defizite aufzukommen hat. Südtirols Landesautonomie sollte diese Dienste übernehmen und entsprechend bürgerfreundlich und effizient gestalten.
Nicht weniger wichtig ist der Energiebereich. Besonders für die weniger starken Einkommensschichten bildet eine gute Energieversorgung eine wichtige Voraussetzung für die angemessene Gestaltung ihres Lebens. In Südtirol, wo große Landstriche relativ dünn besiedelt sind und daher die Versorgung mit Energie nicht von vorne herein nach privatwirtschaftlichen Kriterien profitabel ist, braucht es umso mehr die Garantie einer gesicherten und preiswerten Versorgung seitens der öffentlichen Hand. Hier trägt das Land Südtirol mit seinen autonomen Zuständigkeiten eine große Verantwortung, vor allem im Interesse jenes Teiles der Bevölkerung, der sich eine Energie mit teuren Preisen nicht ohne weiteres leisten kann. Der ASGB fordert die Landesregierung auf, mit den Gewinnen aus der Strom?erzeugung nicht den Landeshaushalt zu füttern, sondern vor allem die Bevölkerung zu entlasten. Im Sinne des Art. 3, Buchstabe p) der geltenden Statuten des ASGB ist die Anwendung des ethnischen Proporzes bei der Verteilung der Sozialwohnungen und der Besetzung der öffentlichen Stellen auf allen Ebenen genauestens zu beobachten und allfällige Aufweichungen derselben zu unterbinden.
Abschließend stellt die Arbeitsgruppe fest, dass der ASGB als Autonome Gewerkschaft der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler auf Sozialpartnerebene seinen Partnern auf gleicher Augenhöhe begegnen kann. Der Weg zum unternehmerischen Erfolg führt immer auch über die Beteiligung der Belegschaft und dieser Dialog kann nicht über Demonstrationen der Macht geführt werden, ganz gleich, ob es sich um Fragen zur Entlohnung, Weiterbildung, Arbeitszeit oder Mitbestimmung handelt. Genauso wie im öffentlichen Dienst muss es auch in der Privatwirtschaft möglich sein, auf lokaler Ebene Zusatzabkommen abzuschließen, da die Lebenshaltungskosten in Südtirol nicht mit jenen in Süditalien verglichen werden können.
In den nächsten Ausgaben des AKTIV werden wir auf die Themen „Familie und Jugend" und „Gesundheit und Soziales" näher eingehen.