SBR

Erhöhung der Einkommensgrenzen für den Bezug des Familiengeldes ab 01.07.2005


Thema
Nachlese zu den Gemeinderatswahlen

Soziale Orientierung und Zusammenschau

Die Gemeinderatswahlen sind seit mehr als einem Monat vorbei, aber die Lehren daraus müssen erst in den kommenden Monaten und Jahren gezogen werden. Für den ASGB erfreulich ist, dass die sozialen Komponenten in den Gemeinden bei diesen Wahlen wiederum verhältnismäßig stark zum Tragen gekommen sind: Die Arbeiterschaft hat in vielen Gemeinden ihre Positionen behauptet und zum Teil auch ausgebaut; in einigen Gemeinden sind diesbezüglich aber auch Einbußen hinzunehmen, und das vor allem sollte Anlass sein, in den kommenden Jahren verstärkt darauf hinzuarbeiten, dass die gewählten Vertretungen in allen Gemeinden der sozialen Gliederung der Gesellschaft entsprechen. Das heißt: Die Vertretungen der Arbeiterschaft müssen weiter ausgebaut werden, um eine ausgewogene Gemeindepolitik im Sinne der gesamten Bevölkerung zu gewährleisten.
Politische Spannungen
Dies ist aber nur ein Aspekt, wenn auch ein sehr wichtiger. Es hat bei diesen Wahlen große Bewegungen innerhalb der Wählerschaft gegeben. In vielen Gemeinden sind Dorflisten verschiedener Art angetreten und haben auch erhebliche Erfolge eingefahren. Gründe waren die politische Zerstrittenheit, die Bildung von Seilschaften oder auch der nicht richtige Umgang mit der Macht, in manchen Fällen zu große Selbstgefälligkeit der Verwalter und zu geringe Berücksichtigung der Anliegen aller Bevölkerungsteile. Das hat zu Aufsplitterungen geführt und den politischen – in manchen Fällen auch den sozialen – Frieden in den Gemeinden in Frage gestellt. Jetzt ist die Zeit, sehr genau darauf einzugehen, warum das so gekommen ist. Einige Ursachen sind offensichtlich: Nicht überall wurde in der letzten Amtsperiode demokratisch und offen gehandelt, Teile der Bürgerschaft haben sich von den Entscheidungen ihrer Verwalter ausgeschlossen gefühlt, in gar manchen Gemeinden „brannte die rote Lampe". Aber es ist zu spät, wenn erst hinterher erkannt wird, was falsch gemacht wurde.
Wählerwillen respektieren
Die Wähler haben sehr deutlich gesprochen. Sie haben die Vorzugsstimmen verteilt und sich erwartet, dass dieser deutliche Hinweis bei der Bildung der Verwaltungen auch respektiert wird. Das ist leider in zahlreichen Fällen nicht erfolgt, und das lässt in der Wählerschaft Enttäuschung und Bitterkeit zurück. Die niedrigere Wahlbeteiligung hat zudem gezeigt, dass manche Bürgerinnen und Bürger das Interesse an der aktiven Beteiligung verloren haben, weil sie enttäuscht wurden. Es ist immer schlecht, wenn der Volkswille missachtet wird. In unserer Gesellschaft will sich zu Recht niemand bevormunden lassen. Selbstherrlichkeit ist wirklich nicht gefragt. Deshalb muss der offene Dialog zwischen Wählern und Gewählten wieder stärker gepflegt werden.
Der Fall Bozen
Die Stadt Bozen hat sich zu einem politischen Grundsatzfall entwickelt. Viele Wähler, besonders in der deutschen Bevölkerung der Landeshauptstadt, sind wahlmüde geworden, und dies hat zu einem sehr kontroversen Ergebnis geführt. Offensichtlich sind auf beiden Seiten Fehler gemacht worden: Auf der italienischen Seite, weil der Nationalismus Jahre lang angeheizt und dabei vergessen wurde, dass die Entwicklung der Stadt Bozen in den letzten Jahren durchaus positiv war: Beide Volksgruppen haben miteinander verwaltet, und wenn die Stadt Bozen in den Statistiken fast immer weit vorne liegt, dann ist das sicher auch die Folge einer guten Verwaltung. Doch bei Teilen der italienischen Bevölkerung steht noch immer der nationalistische Geist im Vordergrund, und man hatte den Eindruck, dass diese Kreise der deutschen politischen Vertretung einen Denkzettel verpassen wollten und dabei viele große „nationale Kaliber" als Wahlhelfer eingespannt haben.
Auf der deutschen Seite ist die Wahlmüdigkeit stärker zum Vorschein gekommen. Nicht nur haben sich die „großen Kaliber" unserer Landespolitik weitgehend nicht um die Wahlkampagne in Bozen gekümmert, sondern auch zu wenig getan, um den Leuten klar zu machen, dass das Wählen wichtig ist, nach der alten Erfahrung: Wer nicht mitbestimmt, lässt andere für sich entscheiden. Genau das ist eingetreten. Wegen einer Handvoll fehlender Stimmen befindet sich Bozen in einer Zerreissprobe, aus der es derzeit keinen guten Ausweg zu geben scheint. Die politischen und weltanschaulichen Grundsätze der deutschen Bevölkerung in der Landeshauptstadt, aber ganz allgemein in der Südtiroler Bevölkerung, werden jetzt in Frage gestellt, und es wird lange brauchen, um diese Gegensätze zu überwinden und vor allem einem wesentlichen Teil der italienischen Bevölkerung verständlich zu machen, dass der Weg der Autonomie und der Zusammenarbeit zwischen den Sprachgruppen keine Alternative hat.
Lehren ziehen
Für Bozen und für das ganze Land sind aus diesen Wahlen Lehren zu ziehen. Diese Lehren sind klar: Der demokratische Dialog zwischen den Sprachgruppen muss die Stadt Bozen stärker einbeziehen. Es muss klar gemacht werden, dass die Rückkehr zu vergangenem Nationalismus der falsche Weg ist und dass es im Zusammenleben zwischen verschiedenen Sprachgruppen Werte gibt, die nicht verschiebbar sind. Die Aufarbeitung der politischen Stimmung, die bei diesen Wahlen in Bozen und im gesamten Land zu Tage getreten ist, muss ehrlich und umfassend sein, sonst läuft Südtirol Gefahr, das viele Positive, das in den letzten Jahrzehnten geleistet worden ist, zu verlieren.
Georg Pardeller