kommentar
Tony Tschenett

Älter werden – Zukunft haben

Durch die Anhebung des Pensionsalters wird die Frage immer dringender, wie sich jeder Arbeitnehmer seine Arbeitsfähigkeit bis in das hohe Alter bewahren und dadurch einen aktiven Beitrag für unsere Wirtschaft und unserem Sozialsystem leisten kann.
Die Arbeitsfähigkeit ist sehr individuell und hat somit kaum eine allgemeingültige Definition. Fakt ist aber, dass durch die individuelle Arbeitsfähigkeit die Leistung erbracht wird, welche sich durch Zeit und Produktivität messen lässt. Auch setzt sich die Arbeitsfähigkeit aus verschiedene Fähigkeiten zusammen, die sich in unterschiedliche Bereiche eingliedern lassen: in emotionale, elementare, spezielle und soziale Fähigkeiten und zur Abrundung aller Fähigkeitsbereiche, das Selbstbild.
Verschiedene und ganz natürliche Faktoren lassen den menschlichen Körper altern, wobei aber die Zusammenhänge mit Stresserkrankungen immer mehr auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse an Bedeutung gewinnen. Diese Erkrankungen sind in unserer Wohlstandsgesellschaft zu einem Volksleiden geworden, wobei die Wirtschaftskrise in den letzten Jahren einen nicht unerheblichen Beitrag dazu geleistet hat. Leistungswahn bzw. Produktionssteigerung sind zum vermeintlich einzigen Ausweg aus dieser Krise geworden. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass man mit schlechter Arbeit, einer schlechten Arbeitskultur und unglücklich kranke Beschäftigte keinen Wirtschaftserfolg verbuchen kann. Zum Glück reifen die Arbeitsschutzbestimmungen in der Arbeitswelt hinsichtlich stofflicher Art, ein Rückgang bei Berufskrankheiten und Arbeitsunfällen ist deutlich spürbar. Die stärksten Gesundheitsgefahren sind daher nicht mehr stofflicher Art, sondern liegen im Bereich der Arbeitsorganisation.
Der finnische Prof. Juhani Ilmarinen hat 35 Jahre lang Forschung und Entwicklung über das Alters- und Generationsmanagement betrieben. Von ihm stammt die Erkenntnis, dass die Arbeitsfähigkeit zu 60 Prozent von den Betrieben abhängt. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht die Herausforderung der immer älter werdenden Bevölkerung, Zwei zentrale Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
1. Wie können ältere, erfahrene Beschäftigte motiviert werden, länger gut zu arbeiten?
2. Wie können Unternehmer motiviert werden, auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die Erfahrung und Kompetenz der Älteren im Unternehmen behalten?
Die von uns organisierte Tagung zu diesem Thema (siehe Seite 22) hat Lösungsansätze aufgezeigt und wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, ein entsprechendes Netzwerk in Südtirol aufzubauen.
Erholungsphasen sind für uns alle wichtig, um den Anforderungen des Alltages besser stand halten zu können; in diesem Sinne wünsche ich euch und euren Familien einen schönen Sommer und erholsame Tage an denen ihr Kraft und Energie tanken könnt.
Tony Tschenett
Vorsitzender des ASGB

aktuell
1. Mai-Feier 2012

„Jung und Alt gemeinsam in die Arbeitswelt von Morgen"

so lautete das Motto der diesjährigen 1. Mai-Feier unserer Gewerkschaft. Trotz des kühlen Wetters und der niedrigen Temperaturen sind wieder viele Mitglieder und ihre Familien zu unserem Fest nach Völs gekommen.
Priska Auer konnte auch wieder viele Ehrengäste begrüßen, den Landeshauptmann Luis Durnwalder, den Bürgermeister von Völs und Präsidenten des Verbandes der Gemeinden, Arno Kompatscher, die Landesrätin Sabina Kasslatter-Mur, den Fraktionssprecher der SVP im Südtiroler Landtag, Elmar Pichler-Rolle, die Landtagsabgeordneten Ulli Mair und Siegmar Stocker (Freiheitliche), Eva Klotz (Südtiroler Freiheit), Christoph Gufler von den Arbeitnehmern in der SVP, den Vizedirektor des LVH, Thomas Hager, den ehemaligen Präsidenten des Laborfonds, Josef Hofer, den Generalsekretär des AGB/CGIL, Lorenzo Sola, den Herausgeber der Tageszeitung, Arnold Tribus, den Direktor des AFI, Karl Gudauner u.a.m.
Der Bürgermeister von Völs drückte seine Freude darüber aus, dass der ASGB seit über 30 Jahren seine 1.Mai-Feier in seiner Gemeinde abhält. Er ermutigte die Menschen trotz der vielen negativen Nachrichten positiv in die Zukunft zu blicken.
Der Landeshauptmann bedankte sich beim ASGB dafür, dass er sich nicht nur am Tag der Arbeit, sondern 365 Tage im Jahr für die arbeitenden Menschen einsetzt. Er bekundete seinen Einsatz alles zu unternehmen, damit in unserem Lande jeder eine Arbeit hat. Er forderte die Arbeitgeberverbände auf, endlich Zusatzabkommen auf Landesebene zu unterzeichnen.
Unser Vorsitzender Tony Tschenett, ging seinem Referat näher auf das Tagungsmotto ein. Wir veröffentlichen nachstehend einen Auszug aus seiner Rede:
Wir haben dieses Thema gewählt, da heuer das europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen ist. Das allgemeine Ziel des Europäischen Jahres besteht darin, die Schaffung einer Kultur des Aktiven Alterns in Europa zu fördern. Dadurch soll der Zusammenhalt zwischen den Generationen als Grundlage einer Gesellschaft für jedes Lebensalter gestärkt werden.
Die derzeitigen Umwälzungen in Italien und in ganz Europa, gehen ganz klar in eine Richtung, welche vorsieht, dass wir alle länger arbeiten müssen. Dies hat wiederum zur Folge, dass wir uns, Jung und Alt, so organisieren müssen, dass wir nicht gegeneinander, sondern miteinander diesen Weg gehen.
Außerdem sind Ältere und Jüngere von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich stark betroffen. Bei älteren Arbeitnehmern dauert Arbeitslosigkeit zudem im Schnitt länger als bei jüngeren.
Um eine Vollbeschäftigung der Jugendlichen zu garantieren, muss sich die berufliche Ausbildung stets den Anforderungen der Berufswelt anpassen. Deswegen fordert der ASGB für unsere Jugend:
1. das neue staatliche Lehrlingsgesetz muss angepasst werden, um die Ausbildung der Lehrlinge zu garantieren und dadurch die Projektverträge zurückzudrängen. Durch das neue Lehrlingsgesetz haben wir die Möglichkeit, das Image der Lehre aufzuwerten und den rückläufigen Lehrlingszahlen entgegenzuwirken.
2. es sollte vermehrt in die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte im produzierenden Gewerbe investiert und das Bildungsangebot an das Arbeitsplatzangebot angepasst werden. Man muss die Jugendlichen darüber informieren, dass die Nachfrage an Arbeitskräften in gewissen Berufen stark rückläufig ist.
2. die Bildungspolitik muss sich verstärkt darum kümmern, Maßnahmen oder soziale Auffangnetze zu finden um Schulabbrüche bzw. Lehrabbrüche zu vermeiden, denn diese jungen Menschen haben die schlechtesten Karten auf dem Arbeitsmarkt.
3. Es muss mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden, damit Uni-Abgänger in Südtirol bleiben bzw. nach Südtirol zurück kehren können.
4. Wir alle gemeinsam müssen bestrebt sein und darauf achten, dass die einheimischen Betriebe bei Vergabe der Arbeiten stets den Vorzug erhalten, da dies auch die Arbeitsplätze in unserem Land sichert und die Steuer im Lande bleibt.
Der demografische Wandel wird in den nächsten Jahrzehnten eine Reihe vonerheblichen Veränderungen am Arbeitsmarkt und in den Betrieben mit sich bringen. Daher werden sich die Unternehmen den Herausforderungen mit älteren Belegschaften schon bald stellen müssen. In Südtirol gab es 2011 ca. 16.000 über 55-jährige Lohnabhängige, das sind um 9.000 mehr als noch vor zehn Jahren; Ende 2016 wird es bereits über 23.000 Lohnabhängige geben, die über 55 Jahre alt sind. Vor allem diese Zunahme der Zahl der älteren Arbeitnehmer wird eine „altersgerechte Erwerbsarbeit" unumgänglich machen. Dies auch deshalb, weil der Staat im letzten Jahr eine neue Pensionsreform gemacht, und das Rentenalter einfach angehoben hat, ohne z.B. in seiner Arbeitsmarktpolitik die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Menschen auch länger arbeiten können.
Wie das Südtiroler Wirtschaftssystem in die Lage versetzt wird, lohnabhängige Arbeitnehmer mit einem Lebensalter von über 60 Jahren weiterhin angemessen zu beschäftigen, wird meiner Meinung nach eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte darstellen. Wer sich erst in zehn Jahren mit dem demografischen Wandel beschäftigt, verschläft nicht nur die Zukunft, sondern wird auch beträchtliche Wettbewerbsnachteile erdulden müssen.
In Zeiten der endlosen Diskussionen zum Freistaat, zur Vollautonomie und ähnlichen politischen Zukunftsszenarien verweise ich auf ein Problem, das der Arbeiterschaft und den Rentnern viel mehr unter den Nägeln brennt und das ist das Auskommen mit dem Einkommen, welches eben auch davon abhängt, in wieweit Südtirol die Rahmenbedingungen für die eigene Bevölkerung selbst bestimmen kann. Es ist Realität, dass die Vertragsverhandlungen zwischen den Sozialpartnern erfolgen und so soll es auch bleiben. Das Problem ist, dass diese Tarifautonomie lokal sehr stark eingeschränkt ist. Dazu ist zu vermerken, dass die Kollektivverträge in der Privatwirtschaft von Sizilien bis zum Brenner bei unterschiedlichen Lebenshaltungskosten dieselbe Gültigkeit haben und wir uns sehr schwer tun, auf provinzialer Ebene Zusatzabkommen abzuschließen. Zur Vollautonomie gehört für uns auch die Vertragsautonomie der Kollektivverträge in der Privatwirtschaft. Dies hätte die positive Auswirkung, dass die Steuer auf Arbeit niedriger gehalten werden und so die Löhne den Lebenshaltungskosten in unserem Lande angepasst werden könnten.
Für uns sind die bisherigen Reformen der Regierung Monti nichts anderes als eine Reihe von zusätzlichen oder erhöhten Steuern, die vor allem der Arbeiterschaft das Wasser abgraben. Die Arbeitsmarktreform Monti verdient diesen Namen nicht, da sie keine neuen Arbeitsplätze schafft, sondern durch die Einführung immer neuer Steuern, Arbeitsplätze vernichtet. Als ein Beispiel dafür nenne ich die IMU.In diesem Zusammenhang fordern wir die Gemeinden auf, bei den Erstwohnungen den niedrigst möglichen Wert anzuwenden und dafür die Zweitwohnungen umso höher zu besteuern. Positives hierzu war zuletzt aus den Medien zu vernehmen.
In letzter Zeit wird viel über Steuergerechtigkeit geredet, wir finden aber, dass auch über die gerechte Vergabe von Landesbeiträgen geredet und umverteilt werden muss. Immer mehr Mitglieder und Arbeitnehmer beklagen, dass man für´s Arbeiten und Steuerzahlen „bestraft" wird, wie etwa bei den Landesbeiträgen. Je höher die Abgaben für die Allgemeinheit, desto weniger bekommt man bei Bedarf (Familiengeld, Erstwohnung, Miete usw.) zurück. Das ist nicht unsere Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit und bestraft vor allem jene Familien, bei denen heute beide Elternteile arbeiten „müssen".
Es besteht ein Unterschied zwischen den wirklich Bedürftigen mit niedrigem Einkommen, die wirklich auf öffentliche Unterstützung angewiesen sind und jenen, die aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nur geringe Einkommen erklären können.
In letzterem Fall fordern wir, dass bei den Landesbeiträgen genau geschaut wird, wie groß die Beteiligung am Steueraufkommen ist und dies bei den Landesbeiträgen berücksichtigt wird".