Kommentar

Krieg und Menschlichkeit

Georg Pardeller
Eine höchst betrübliche und schmerzliche Situation erleben wir zur Zeit, Terrormeldungen von Tod und Zerstörung, von Menschenverachtung und Entrechtung laufen fast ohne Unterbrechung über die Bildschirme. Im Irak wird Krieg geführt, weltweit wird dagegen protestiert, demonstriert, auch der ASGB beteiligt sich laufend an den vielen Kundgebungen für den Frieden.
Dabei hätte man sich vieles, wenn nicht alles ersparen können, hätten die Amerikaner beim Golfkrieg vor 12 Jahren den richtigen Schlussstrich gezogen und das Saddam-Regime endgültig so oder so ausgeschaltet. Damals schon hat die wirtschaftliche Spekulation, sei es von arabischer wie amerikanischer Seite das politische Handeln bestimmt und man wollte Saddams Regime nur unschädlich machen, abrüsten, nur soviel Erdöl ausführen lassen, als der Zukauf von Medikamenten und Lebensmitteln für das tatsächlich Not leidende Volk an Finanzmitteln brauchte. Und die UNO wachte, kontrollierte, bis Saddam sie hinauswarf.
Trotzdem liefen die Geschäfte: Die Russen lieferten die von den Amerikanern im Golfkrieg zerstörten Panzer, Geschütze, Waffen nach, schickten „Berater" und Ausbildner für moderne Kriegstechnik mit, erbauten ganze Produktionsstätten, einschließlich Ausstattung, sodass sie erst kurz vor Kriegsbeginn über Tausend ihrer im Irak beschäftigten „Techniker" aus dem Irak zurückziehen mussten. Nicht minder machten ungestört gute Geschäfte die Deutschen, Franzosen, Italiener, Engländer und Amerikaner, entweder direkt oder über unverdächtige Drittländer. Und ganz plötzlich, nach dem 11. September, und nicht zufällig parallel zum Eingriff in Afghanistan, wurde auch wieder das Problem Irak aktuell. Die UNO sollte wieder den Stand der nach dem Golfkrieg aufgebürdeten Abrüstung des Saddam-Regimes überprüfen, stieß auf Ablehnung und wertete doch als Zusammenarbeit, wenn man die Inspektoren wieder unbrauchbares, verrottetes Kriegsmaterial finden ließ, wie die verrosteten Raketen. Doch chemische, biologische, eventuell atomare Kampfmittel wurden weder spurenweise noch tatsächlich aufgefunden.
Dagegen haben sich die Fronten im Zick-Zack-Kurs verschoben und die verschiedenen Staaten haben sich im Namen der Liebe zum Frieden und der Einsicht, dass nur Frieden fruchtbar wirken kann, auf Wartestellung ohne Beitrag zur Friedenssicherung zurückgelehnt: Die Russen dachten an Tschetschenien, an die Wirtschaftsmisere im eigenen Haus und an ihre gewaltigen Interessen im Irak; die Chinesen besannen sich wohl ihres Verhaltens im Tibet, in der Mongolei, mit den Pazifisten im eigenen Land; die Franzosen, die Deutschen und Italiener listeten ihre Lieferaufträge für Fabriken, Maschinen, Rohstoffe auf; die Amerikaner haben Palästina am Rücken und die Araber sind gespalten, ist doch ihr randalierender Artgenosse ein konkurrierender Störfaktor im Erdölgeschäft, aber andererseits ein bequemes Alibi gegen die politische und wirtschaftliche Präpotenz der Amerikaner. Die Türken möchten zwar Dollars, nicht den Nato-Partner USA, um die Kurden im Irak zu schnappen. Hätten dagegen diese alle zusammen und in ehrlichem, energischem Friedensbemühen den Irak politisch entrümpelt, die Diktatur entsorgt, die Befriedung der ganzen Region, einschließlich Israel und Palästina vor das Durchboxen gegensätzlicher Einzelinteressen gestellt, müsste doch die zivile Bevölkerung in aller Welt nicht nach Frieden rufen, müssten die Kirchen nicht an das Gewissen der Menschheit appellieren, um diese Zerstörungsorgie zu beenden. Ein Krieg ist immer ein Verlust, auch für die Kriegswirtschaft, denn auch diese zerstört eine gewaltige Portion an Menschlichkeit und guten Glauben. Und damit wird auch die Arbeit entehrt, was unseren Protest auf den Plan ruft.

Aktuell

Frieden und Fortschritt

Eine weltweite Auflehnung, ein wirklich globaler Aufschrei gegen Kriegstreiberei und Bedrohung kamen in den wichtigsten Ländern Europas und der westlichen Welt kürzlich, am Aktionstag für den Frieden, auf und konnten als Stimme des Volkes, auch von gegenteilig und auch nur anders gesinnten Regierenden nicht mehr überhört werden.
Die Initiative für die Großdemonstration ging vom europäischen Gewerkschaftsbund in Brüssel aus, also nicht unter ideologischer und parteipolitischer Belastung, sondern alleinig dem Welt-, Kontinental- und Regional-Frieden verpflichtet und aus Respekt und Rücksicht für alle Menschen, denn betroffen sind sowohl die Unterdrückten, Leidenden, aber auch alle anderen rund herum, ob diesseits oder jenseits des Atlantiks, und ebenso die Umwelt, ob ober – oder unterirdisch und die Atmosphäre.
Der internationale, globale Aufschrei fand auch in Italien seinen Widerhall und rund drei Millionen Menschen strömten in der Hauptstadt zusammen: Alle Schichten der Bevölkerung aus allen Teilen des Staates fanden sich zur friedlichen und hoffnungsvollen Demonstration zusammen, um die Mächtigen eindringlich zu verpflichten, alle noch möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um drohende Zerstörung und Vernichtung von Mensch und Umwelt durch Entmachtung und Entwaffnung zwingend zu erreichen. Waffengewalt ist nur die letzte, unausweichliche Maßnahme und für den Schutz von Mensch und Gesellschaft, aber nicht versteckter oder offenkundiger wirtschaftlich-finanzieller Interessen aus kaltem Kalkül angebracht. Der Papst hat, als religiöse Instanz, mit seinen Aussagen, Initiativen und mit seiner Haltung mächtig beeindruckt und die Zustimmung der meisten erlangt, sogar Bundeskanzler Schröder hat ihn als Zeugen genannt.
Und der ASGB war mit einer Delegation, mit Spruchband und Fahnen auch dabei. Eine Nachtfahrt mit dem Sonderzug für die Gewerkschaften hin, ein Tag in Rom für die beeindruckende und ausdrucksstarke Massendemonstration und wieder eine Nachtfahrt zurück waren unser anstrengender Beitrag der Arbeiterschaft aus dem autonomen Südtirol. Wir wissen, dass wir nur ein kleines Steinchen im großen Mosaik des Weltgeschehens sind, doch eben viele kleine Steinchen bilden das Mosaik und gerade ein Leerraum fiele negativ auf. Sonst erhebt Südtirol, gesamtstaatlich wie international, auf verschiedenen Gebieten auch seine Stimme; warum nicht auch wir vom ASGB, in Vertreter der Südtiroler Arbeiterschaft, wenn es um einen Grundwert unserer Existenz, den Frieden und den fruchtbaren Ausbau der Völkergemeinschaft geht? Zudem sind wir, als Einzelne oder kleine und größere Arbeiterhaushalte mit unserer heutigen Volksgemeinschaft schon vielfach betroffene Opfer auch schon des Vorspiels vielleicht noch abzuwendender, schwer lastender Ereignisse. Bedenken wir doch was die Bewirtschaftung und Nutzung der Erdöl- und Gasvorkommen im Nahen Osten und umliegenden Ländern kostet, wobei der Aufwand direkt oder auf Umwegen über die Wirtschaft den Konsumenten aufgerechnet wird: UNO-Truppen und andere für Friedensstiftung und –erhaltung, Beihilfen an verschiedene Länder für deren Aufbau, leider auch Waffen und Ausrüstung von der einen und der anderen und von dritter Seite, womöglich getarnt als Wirtschaftshilfe, Rieseninvestitionen in die Erdölindustrie mit Transporten und Eigentümern außerhalb Europas und der (monopolistischen) Preisgestaltung auch von dort her, Beteiligung der Finanzminister durch Steuern, Gebühren und andere Abgaben in den verschiedenen Stufen der Verarbeitung, Lagerung und Verteilung und somit Aufblähung der Preise und der Lebenshaltungskosten, Steuerentnahme aus Arbeits- und Kapitalerträgen für die Finanzierung von Rüstung, Heer und nationale wie internationale Organisationen usw. Da summieren sich die Ausgaben, die Kosten für die privaten Haushalte, wird das Niveau der Lebenshaltungskosten mit der Armutsgrenze angehoben, der Wohlstand angeknabbert. Und für Südtirol, besonders als Tourismusland, sind Auswirkungen negativer Art nicht auszuschließen und Fortschrittserwartungen, Glauben in die Zukunft, erfahren einen kräftigen Dämpfer und damit auch unsere Lebensqualität. Und dagegen anzukämpfen, unseren Friedenswillen anzumerken, haben wir uns für die Südtiroler Arbeiterschaft beteiligt. Unsere Ablehnung von Gewalt und Krieg im Allgemeinen und besonders dieses versteckten Wirtschaftskrieges ist weder ideologisch noch politisch begründet, sondern Ausdruck der Hochachtung vor der Menschlichkeit und dessen, was die Gesellschaft für deren Fortbestand geschaffen hat. Damit ist der Gewaltherrschaft, der Willkür über Leben und Gut, der Zerstörung von Grundsätzen vernünftiger Zusammenarbeit eine gründliche Absage erteilt. Und die weltweite Mehrheit in der Bevölkerung aller Hautfarben, die Arbeitnehmer, sollen nicht die schwerwiegenden Folgen derartiger Zerstörungsorgien an Leib und Lebenshaltungskosten zu tragen haben, nicht zusehen müssen, wie die Früchte ihrer Arbeit respektlos vernichtet werden. Daher unser Protest, unser lauter Aufschrei im Chor Besserdenkender! •