aktuell
Zeit für sich selbst, für die Familie, für die Gemeinschaft

Ein Appell gegen die Sonntagsarbeit

Die vier Fachgewerkschaften Handel im ASGB, AGB-CGIL, SGB-CISL und SGK-UIL, der KVW, die ACLI und der KFS (Katholische Familienverband) sind die Promotoren einer Initiative für den arbeitsfreien Sonntag im Handel.
Wir haben Zeit… nicht die Zeit hat uns…. so lautet der gewählte Slogan, er bringt die Vorstellungen der Promotoren sehr gut zum Ausdruck.
Die tiefen Veränderungen der Wirtschaft und der traditionellen Erwerbsarbeit haben zu einer Ausuferung der Arbeitszeiten geführt: längere Wochenarbeitszeiten und immer mehr individuelle Arbeitszeiten mit dem Ziel, Produktion und Dienstleistungen rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche zu gewährleisten.
Von dieser Ausuferung der Arbeit ist auch der Sonntag nicht ausgenommen. Seine ursprüngliche Bedeutung wird immer mehr verwässert.
Während die Sonntagsarbeit früher die Ausnahme bildete und nur in wirklich notwendigen Fällen zu leisten war (unverzichtbare öffentliche Dienste, Schutz der öffentlichen Sicherheit und der Unversehrtheit von Personen), wird sie heute immer mehr zum Regelfall – auch in Bereichen, in denen dies nicht unbedingt erforderlich wäre.
Es geht dabei ausschließlich um die Schaffung zusätzlicher Konsummöglichkeiten. Als Beispiel seien die großen Einkaufszentren im norditaliensichen Raum genannt.
Diese Tendenz ist Teil eines umfassenden Umwandlungsprozesses, der die gesamte Wirtschaft und Arbeitswelt betrifft. Da die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Flexibilisierung erhebliche Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Erwerbstätigen hat, braucht es eine bessere gesetzliche und vertragliche Regulierung der Arbeitszeiten. Flexibilisierung darf nicht unkontrolliert erfolgen, sie muss sozialverträglich gestaltet werden.
Wir appellieren daher an die Institutionen, an die Legislative, an ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, am Sonntag als Feiertag festzuhalten.
Hinter diesem Appell steht die Überzeugung, dass ökonomische Rationalität in Einklang gebracht werden kann mit einer Vision des gesellschaftlichen Zusammenlebens, in dem Wert und Würde des Menschen und dessen soziale und spirituelle Dimension ebenso zur Geltung kommen wie die Bedeutung der Beziehung Mensch-Gemeinschaft, angefangen bei deren ursprünglichster Form, der Familie. Unser Leitbild sind solidarische Beziehungen zwischen den einzelnen Personen und den sozialen Gruppen.
Unsere Forderungen lauten:
1. Sonntagsarbeit muss die Ausnahme bleiben, entgegen allen Tendenzen, sie zum Regelfall zu machen, indem als wöchentlicher Ruhetag jeder x-beliebigen Wochentag in Frage kommt.
2. Überdacht werden müssen jene gesetzlichen Arbeitszeitregelungen, die von dem Grundsatz abgerückt sind, dass der wöchentliche Ruhetag auf den Sonntag fallen sollte, insbesondere aber jene Bestimmungen, die alle möglichen Ausnahmen von der Sonntagsruhe zulassen und damit die Sonntagsarbeit faktisch sanktionieren, wie es zum Beispiel im Handel erfolgt.
3. Überdacht werden müssen auch die Handelsordnungen. Wir fordern die Rückkehr zu den bis vor ein paar Jahren geltenden Bestimmungen, die eine Geschäftsöffnung am Sonntag nur in der Weihnachtszeit und an weiteren acht Sonntagen im Jahreslauf erlaubten.
Für die konkrete Umsetzung dieser (arbeits)zeitpolitischen Forderungen gilt es, Interessenverbände und Institutionen einzubeziehen. Lösungsansätze mit breiter gesellschaftlicher Akzeptanz, die ökonomisch sinnvoll und zugleich sozialverträglich sind, können nur auf dem Verhandlungsweg erzielt werden. Auch muss endlich dem Gesetz Nr. 53/2000 volle Geltung verschafft werden. Neben Möglichkeiten zur Gestaltung der Arbeitszeiten in den Betrieben, sieht dieses Gesetz eine umfassende und koordinierte Zeitpolitik auf Gebietsebene vor, mit dem Ziel:
Arbeits- und Lebenszeiten besser aufeinander abzustimmen;
einen Ausgleich zu schaffen zwischen den Interessen der Konsumenten und den Bedürfnissen der ArbeitnehmerInnen;
Zeitwohlstand zu schaffen im Sinne von mehr Zeit, die der Familie und den persönlichen, kulturellen und sozialen Interessen gewidmet werden kann.

aktuell
Appell des ASGB an die Gewerkschaften:

Für eine ehrliche Haltung zur Autonomie

Der ASGB ist, im Sinne des friedlichen politischen und sozialen Zusammenlebens der Volksgruppen in Südtirol der Überzeugung, dass die sehr gespannte Situation, die sich in der Stadt Bozen in den letzten Monaten gebildet und in den Gemeindewahlen ihren konkreten Ausdruck gefunden hat, nicht so ohne weiteres zur Kenntnis genommen werden darf, sondern dass es neue Initiativen braucht, um in der zwischen Rechts und Links „geteilten Stadt" ein neues und besseres Klima herzustellen. Das gilt vor allem für die italienische Sprachgruppe. Deshalb hat unser ASGB-Vorsitzender Georg Pardeller an die italienischen Gewerkschaftsverbände einen dringenden Appell gerichtet, in dem er unter anderem schreibt:
Zweigeteilte Stadt
„Als Gewerkschaften haben wir uns in den letzten Monaten weitgehend aus dem politischen Geschehen heraus gehalten und uns auf die institutionellen Aufgaben beschränkt. Es sollte aber doch so sein, dass Gewerkschaften auch an der Gestaltung der Gesellschaft als Ganzes mitreden, denn sie haben die Kraft dazu. Es gibt Umstände, in denen die institutionellen Aufgaben einfach breiter gesehen werden müssen. So auch im Zusammenhang mit den Gemeindewahlen in Bozen.
Die Gemeinderatswahlen in Bozen haben zu einem Ergebnis geführt, das zwar knapp ausgefallen ist, aber eine politische Linie zum Tragen gebracht hat, mit der sich die Mehrheit von uns identifizieren kann. Die Gefahr, dass Bozen eine Verwaltung der rechten und nationalistischen Kräfte bekommt, ist abgewendet worden. Zurück bleibt jedoch ein tiefer politischer Riss in der Bevölkerung. Man redet davon, dass Bozen heute eine zweigeteilte Stadt zwischen Mittelinks und Mitterechts ist. Eine Stadt, in der hunderttausend Menschen mehrerer Sprachgruppen zusammenleben, darf nicht politisch und ethnisch geteilt sein und noch weniger geteilt bleiben.
Haltung zur Autonomie
Gegenüber der Landesautonomie gibt es in der italienischen und in der deutschen Sprachgruppe unterschiedliche Einstellungen. Bei der deutschen Bevölkerung ist zwar ein relativ kleiner Teil der Ansicht, die Autonomie sei zu gering; generell wird aber anerkannt, dass die Autonomie für die gesamte Bevölkerung viele Vorteile besonders sozialer und wirtschaftlicher Natur gebracht hat. Bei der italienischen Bevölkerung ist das Misstrauen gegenüber der Autonomie viel weiter verbreitet und vor allem in rechten, nationalistischen Kreisen tief verwurzelt. Diese Ablehnung hat mehr einen politischen als einen sachlichen Hintergrund. Es wird behauptet, dass die Autonomie in erster Linie für die ethnischen Minderheiten da sei, während die Angehörigen des Staatsvolkes benachteiligt würden. Damit wird der sogenannte „disagio" (Unbehagen) in der italienischen Bevölkerung geschürt und werden permanent Spannungen erzeugt, die das Zusammenleben der Gesamtbevölkerung stören.
Das sollte nicht so bleiben dürfen. Der ASGB sieht es deshalb als eine wichtige Aufgabe der Arbeitervertretungen, also der Gewerkschaften, gemeinsam etwas dagegen zu unternehmen, denn wo es um den Frieden, um die Gerechtigkeit, um die soziale Solidarität, um das Leben aller geht, dürfen die Gewerkschaften nicht abseits stehen.
Objektiv aufklären
In erster Linie geht es darum, die Bevölkerung besser aufzuklären. Seit jeher herrscht ein Mangel an gezielter Aufklärung über die Autonomie. Es muss unsere Aufgabe sein, wahrheitsgemäße Aufklärung zu betreiben. Die Realität der Autonomie ist mit Fakten und Daten belegbar. Es seien nur einige Fakten aufgezählt, welche belegen, dass die Entwicklung der Autonomie allen Vorteile gebracht hat: Seit Jahren herrscht fast Vollbeschäftigung. Die Provinz Bozen verfügt über ein vergleichsweise gutes Netz sozialer, wirtschaftlicher und struktureller Einrichtungen, die der gesamten Bevölkerung zugute kommen: Die Gesundheits- und Sozialdienste, der soziale Wohnbau, die Verkehrsstrukturen, die wirtschaftlichen Förderungsmaßnahmen, dann die schulische und berufliche Ausbildung, die Studienbeihilfen, die Schülertransporte, die kulturellen Strukturen. Sicher gibt es auch Mängel und diese müssen in gemeinsamer Anstrengung überwunden werden.
Spitzenwerte für Bozen
Besonders unsere Landeshauptstadt Bozen hat sich in den letzten Jahren zu einem Beispiel einer fortschrittlichen, wirtschaftlich florierenden, sozial engagierten, kulturell aufgeschlossenen Stadt entwickelt. Das zeigt sich auch darin, dass unsere Stadt bei allen offiziellen Statistiken, die im Staat über den Stand der allgemeinen Entwicklung ausgearbeitet werden, Spitzenplätze einnimmt.
Gemeinsame Errungenschaften
Es ist unbestritten, dass alle diese Errungenschaften ein Gemeinschaftswerk der gesamten Bevölkerung darstellen und keinesfalls nur einzelnen Sprachgruppen zugeordnet werden können. Sie gehören uns allen. Damit sei gesagt, dass die Vorteile der Autonomie allen zugute kommen. In der italienischen Bevölkerung wird über diese Vorteile mit Zurückhaltung und nur begrenzt oder überhaupt nicht offen geredet und das, was die deutsche Vertretung sagt, nicht geglaubt.
Verantwortlicher Weg
Es gibt einen verantwortlichen Weg: Jede Sprachgruppe sollte die eigenen Leute selbst ehrlich aufzuklären. Hier sehen wir auch eine große Aufgabe der Gewerkschaften. Wir als Gewerkschaften haben bei der werktätigen Bevölkerung Gewicht und Glaubwürdigkeit, weil wir immer gezeigt haben, dass wir es ehrlich meinen, dass auf uns Verlass ist, dass wir unsere Leute nicht hinters Licht führen. Diese Glaubwürdigkeit sollten wir gemeinsam nutzen. Deshalb schlage ich im Namen und im Auftrag des ASGB folgendes vor:
Die demokratisch und sozial denkenden Gewerkschaftsverbände dieses Landes setzen es sich zum Ziel, einen gemeinsamen Diskussionstisch einzurichten, um in der Frage des Wertes, der Errungenschaften, der Ziele und der Auswirkungen der Autonomie eine objektive, glaubwürdige und mit Fakten belegte Linie zu vertreten und damit allen unseren Mitgliedern und darüber hinaus der aufgeschlossenen Bevölkerung ein ehrliches Selbstverständnis der Autonomie und ihrer Bedeutung für die gesamte Bevölkerung dieses Landes zu bieten.
Wir könnten und sollten ein gemeinsames Dokument ausarbeiten, in dem wir unsere Überzeugung zum Ausdruck bringen und dieser Aussage eine möglichst große Breitenwirkung verleihen.
Bozen braucht Aktion
Unsere Stadt Bozen braucht eine solche Aktion dringend, damit sie nicht eine geteilte Stadt bleibt. Wir müssen dort eingreifen, wo die Politik nicht Schritt hält und Versäumnisse an ehrlicher und wahrheitsgemäßer Information begangen hat. Wenn wir tatenlos bleiben und nur zusehen, wie sich die politischen Spannungen, die vielfach mit Absicht betrieben werden, weiter vertiefen, dann ist dies dem Frieden und dem Verständnis zwischen den Sprachgruppen nicht förderlich. Zudem würde das hier vorgeschlagene Diskussionsforum auch dazu dienen, neue Ideen und Vorschläge zu entwickeln, wie sich das Zusammenleben in der Stadt und allgemein zwischen den Sprachgruppen besser weiterentwickeln kann."
Georg Pardeller Vorsitzender des ASGB