Das ethnische Vertretungsrecht des ASGB für die deutschen und ladinischen Arbeiter und dessen Gleichstellung mit den gesamtstaatlichen Gewerkschaftsorganisationen ist noch immer ein Dorn im Auge der italienischen Nationalisten. So wollen Vertreter von Alleanza Nazionale in einer Landtagsanfrage nämlich wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage das Land den ASGB weiter als repräsentativste ethnische Gewerkschaft betrachten wolle, wo seit der anonymen Volkszählung die Muttersprache der Gewerkschaftsmitglieder nicht feststellbar sei.
Nach der gleichen Logik könnte man auch den Südtiroler Wirtschaftsring (SWR) nicht mehr als rechtmäßiger Vertreter aller deutschen und ladinischen Unternehmer in Südtirol anerkennen, weil seit der anonymen Volkszählung die Muttersprache der SWR-Mitglieder nicht mehr feststellbar ist. Und das gleiche ließe sich von der Vereinigung der Südtiroler Freiberufler (VSF) sagen.
Nach der gleichen Logik könnte man weiters dem HGV sein Vertretungsrecht aberkennen oder den Verband sogar gänzlich abschaffen, weil die Hoteliers und Gastwirte im restlichen Italien in der „Federalberghi" organisiert sind. Und wozu braucht es ein Südtiroler Kulturinstitut (SKI), wenn es ja ein multikulturelles Landestheater am Verdiplatz und noch dazu eine Vielzahl von interethnischen, äußerst aktiven Kulturvereinen gibt?
Viele vergessen eben allzu schnell, dass wir Südtiroler eine Autonomie, sprich Selbstverwaltung, erhalten haben, die es uns ermöglichen soll, alle unsere Lebens- und Arbeitsbereiche direkt zu gestalten und zu bestimmen, weil wir eine Sprachminderheit sind.
Manche haben aber auch ein kurzes Gedächtnis. Denn im Jahr 1978, also erst 14 Jahre nach der Gründung des ASGB und erst sechs Jahre nach Verabschiedung des Autonomiestatuts, wurde mittels Durchführungsbestimmung endlich zuerkannt, dass alle gewerkschaftlichen Rechte auch auf jene gewerkschaftlichen Vereinigungen ausgedehnt werden, die erstens „ausschließlich unter Arbeitnehmern der deutschen und ladinischen Sprachminderheit" gebildet worden sind und zweitens dem „für diese deutschen und ladinischen Arbeitnehmer repräsentativsten Verband" angeschlossen sind. Gibt es bitte, so wird sich wohl jeder fragen, in Südtirol außer dem ASGB eine andere ethnische Gewerkschaft?
Und noch etwas zur Erinnerung für all jene, die ein kurzes Gedächtnis haben: Erst vor acht Jahren, im Jahr 1998, hat das also demokratische Italien mittels Legislativdekret endlich zuerkannt, dass die bis dahin diskriminierten Gewerkschaften der ethnischen Minderheiten in Aosta, Friaul und Südtirol mit den gesamtstaatlichen Gewerkschaften gleichberechtigt sind.
Soweit zu den rechtlichen Grundlagen. Aber unabhängig von diesen, haben auch die kürzlich stattgefundenen Wahlen beim Laborfonds gezeigt, dass der ASGB nach wie vor von den meisten Südtirolerinnen und Südtirolern als ihre Gewerkschaft angesehen wird. Oder gibt es jemanden, der sogar die Ergebnisse demokratischer Wahlen in Frage stellen will?
Die Anfrage von Alleanza Nazionale zeigt, dass es bei uns offensichtlich immer noch einige Herren und Damen gibt, die keine eigenständige, ethnische Vertretung für die Südtiroler zulassen wollen. Derartige Einstellungen sind von all jenen, denen eine demokratische Politik zum Schutz der Sprachminderheiten etwas bedeutet, strikt abzulehnen und zu bekämpfen.