Mit dem Wort Globalisierung verbinden sich bei den Menschen in allen Erdteilen Hoffnungen und Ängste. Wer Einfluss auf das globale Geschehen hat, spricht typischerweise positiv bis enthusiastisch über die Globalisierung. Wer sich machtlos und ausgeliefert fühlt, und das ist wohl die Mehrheit, bei dem überwiegen die Ängste. Vor 1990 war das Wort „Globalisierung" kaum in Gebrauch. Schillernd wurde der Begriff „Globalisierung" dadurch, dass er häufig für allerlei Nebenzwecke eingesetzt wird. Er dient zu weilen:
als Entschuldigung für nationale Untätigkeit oder Misserfolge,
als Begründung für Rationalisierungsmaßnahmen,
als Ansporn zu erhöhter Leistung angesichts verschärften Wettbewerbs,
als Ausrede für Resignation oder Rückzug in die Schmollecke.
Obwohl der internationale Handel und die Globalisierung keineswegs die Hauptursache für die Beschäftigungs- und Budgetprobleme in den industrialisierten Ländern darstellen, wird unter dem Titel Standortwettbewerb das Globalisierungsargument als Kampfparole im Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit eingesetzt und als Vorwand für Lohn- und Sozialdumping verwendet. Der Standortwettbewerb wird zum Instrument, um die Macht- und Verteilungsrelationen zu verschieben und bildet den Hebel zur beabsichtigten „Rodung des Wohlfahrtsstaates". Dieser äußert sich im Steuer-, Sozialabgaben- und Lohnnebenkostenwettbewerb. Wie weit ist die Weltgemeinschaft seit dem Rio-Gipfel von 1992 damit gekommen, eine zukunftsfähige Entwicklung umzusetzen? Die Antwort kann nicht positiv ausfallen. Seit 1992 hat sich die ökologische Krise weiter verschärft, die Kluft zwischen arm und reich ist dramatisch gewachsen. Diese Art von Globalisierung verhindert die Verwirklichung von Zukunftsfähigkeit. Spätestens seit dem Scheitern der WTO-Konferenz in Seattle 1999 ist die wirtschaftlich dominierte Globalisierung ins Gerede gekommen. Immer mehr Menschen suchen weltweit nach Alternativen, nach Möglichkeiten, den globalen Handelsströmen sinnvolle ökologische und soziale Grenzen zu setzen.
Als Interessenvertretung der abhängig Beschäftigten zielen Gewerkschaften auf Solidarität und soziale Gerechtigkeit. Diese Grundsätze müssen immer wieder neu bestimmt und gegenüber konkurrierenden Vorstellungen argumentativ verteidigt werden. Soziale Gerechtigkeit, sozialer Ausgleich, gesellschaftliche Kontrolle der Marktwirtschaft, demokratische Gesellschaft, internationale Gerechtigkeit (Recht auf Entwicklung), Solidarität der Arbeitnehmer, Solidarität zwischen Regionen der Welt, Solidarität zwischen Gesellschaftsgruppen. Diese gewerkschaftliche Gerechtigkeits- und Solidaritätsvorstellungen geraten unter den Druck des herrschenden Globalisierungskurses.
Können die Gewerkschaften dieser Entwicklung erfolgreich Widerstand leisten und ist Widerstand ökonomisch sinnvoll? Die Antwort ist "Ja". Die Gewerkschaften haben Alternativmodelle, die für Solidarität und soziale Gerechtigkeit eintreten. Was können wir im kleinen Südtirol tun? Vieles. Zum Beispiel muss alles getan werden, um das Qualifikationsniveau besonders zu erhöhen. Das fängt bei der Schule und Ausbildung an, damit der Ausbildungsplatz in Zukunft nicht zu einer „Leerstelle" wird. Wer hier nicht investiert, kann mittelfristig auch keine Erfolge in der Wirtschaft erreichen. Die Zukunft Südtirols liegt nicht in der Konkurrenz zu Niedriglohnländern, sondern im Ausbau unserer Stärken, der Qualifikation der Menschen, der Innovationen und der Qualität.