Allmählich reißt sogar den Rentnern der Geduldsfaden. Schuld daran ist die anscheinende Indifferenz dieser Regierung, die Kaufkraft der Renten einigermaßen zu gewährleisten. Zwar sehen die Erwerbstätigen auch keinen rosigen Zeiten entgegen, jedenfalls wenn es nach dem Regierungschef geht, der kürzlich sogar erhöhte Arbeitszeiten und Abschaffung von Feiertagen in Aussicht gestellt hat. Aber immerhin haben Erwerbstätige im Unterschied zu den Rentnern die Möglichkeit über neue Lohnabschlüsse, die allerdings oft erst hart erkämpft werden müssen, die Inflation abzufangen und darüber hinaus sich einen Anteil am Wirtschaftswachstum zu sichern.
Das eben trifft für uns Rentnern nicht zu; unsere Renten sind von der sogenannten Lohndynamik abgekoppelt und wir bekommen erst nach Ablauf eines Jahres aufgrund eines zu unserm Nachteil ausgeklügelten Warenkorbes eine Rentenanpassung, die aber seit Jahren so gering ist, dass nur ein Bruchteil der realen Inflationsrate damit abgedeckt wird. Diese Tatsache in Verbindung mit einer steigenden Lebenserwartung hat zur Folge, dass inzwischen sogar Rentner mit mittleren Renten an die Armutsgrenze stoßen.
Die Rentner sind wegen ihrer relativ niedrigen Bezüge und dem dadurch bedingten hohen Ausgabenteil für Nahrungsmittel und sonstige lebensnotwendige Güter und Dienste, die überdurchschnittlichen Preissteigerungen unterliegen, besonders vom Kaufkraftschwund betroffen.
Hinzukommt, dass in Südtirol die Lebenshaltungskosten noch gravierender sind als im übrigen Staatsgebiet, ganz zu schweigen von den Mieten. Immer häufiger klagen Rentner, dass ihre Rente wegen der unverschämt hohen Mieten –eine gesetzliche Obergrenze gibt es nicht mehr- kaum noch für das Allernötigste reicht.
Um Themen wie die gesteigerten Lebenshaltungskosten, die Wiedererlangung der Kaufkraft der Renten und um den Schutz des pflegebedürftigen alten Menschen ging es dann auch bei der gemeinsamen Tagung aller lokalen Rentnergewerkschaften am 23. März 2004 in Bozen. Dies war gleichzeitig der Auftakt zu der Großkundgebung , die am 3. April 2004 in Rom stellvertretend für alle Rentner und Rentnerinnen eine halbe Million Menschen zusammenbrachte. Hierzulande sind unsere Probleme den Parteien und Behördenvertretern schriftlich mitgeteilt worden und in allen größeren Orten Südtirols werden an verschiedenen Tagen Flugblattaktionen gestartet, um die gesamte Bevölkerung zu sensibilisieren.
Wir fordern:
- die Wiedererlangung der Kaufkraft der Renten, indem wie von der Gesetzesverordnung Nr. 503/92 Art. 11 Absatz 2 vorgesehen, über Verhandlungen mit der Regierung Maßnahmen getroffen werden, die den Rentnern über den Ausgleich zum Verbraucherpreisindex hinaus eine zusätzliche Ausgleichszuwendung sichert;
- eine Politik zur Überwachung der Preise und Tarife;
- einen Warenkorb des Zentralinstituts für Statistik, der die Art und Gewichtung der Lebenshaltungskosten der Rentner (Lebens- und Nahrungsmittel, Medikamente, Mieten) wirklichkeitsnaher widerspiegelt;
- die Zuerkennung der Rentenaufstockung auf ehemals 1 Million Lire (516,46 Euro, derzeit 535,95 Euro) an alle Berechtigten;
- die Abschaffung der Diskriminierung der Rentner bei der steuerlichen Behandlung und die Rückerstattung jener Steuern, die sich durch die Anwendung eines inflationsbedingten höheren Steuersatzes ergeben haben;
- eine Politik zugunsten der Familie und eine zufriedenstellende Lösung des dramatischen Problems der Pflegebedürftigkeit;
- die Bereitstellung von ausreichenden Ressourcen, um auf dem gesamten Staatsgebiet die wesentlichen gesundheitlichen und sozialfürsorglichen Versorgungsstandards gleichermaßen zu gewährleisten.
Am 26. März ist ein Generalstreik ausgerufen worden, den die Rentner voll mitgetragen haben, und der auf Staatsebene ein voller Erfolg war. Unsere Rentnergewerkschaft hat zudem die anstehenden Themen mit dem ASGB-Vorsitzenden Georg Pardeller erörtert und dabei die volle Unterstützung zugesichert bekommen. Gleichzeitig haben wir zusammen mit Gewerkschaftsfunktionären der lokalen Rentnergewerkschaften eine gemeinsame Aussprache zu diesen Themen mit Senator Oskar Peterlini und dem Parlamentsabgeordneten Hans Widmann geführt. Die Politiker teilten dabei weitgehend unsere Sicht der Dinge. Sie meinten: „Die Inflation und die Art sie zu berechnen sei kein zufälliges Phänomen, sondern eine Art, den Bürgern Kaufkraft zu nehmen, ein unsichtbarer Diebstahl." Zudem habe die Regierung es in sträflicher Weise unterlassen, bei der Währungsumstellung für eine Preisüberwachung zu sorgen; jetzt gäbe man dem Euro alle Schuld für die Misere der Teuerung, wo eigentlich die teils verfehlte, teils untätige Wirtschaftspolitik der Regierung, die einen hemmungslosen Neoliberalismus vertritt, verantwortlich gemacht werden muss." Bedenken zeigten die Politiker auch hinsichtlich des Föderalismus in der im Parlament bereits vorliegenden Form; er werde für Südtirol mehr Nachteile als Vorteile bringen, weil auch an unserer Autonomie gerüttelt werde.
Eingangs haben wir festgestellt, dass wir bei der Durchsetzung unserer Forderungen nicht über die Möglichkeiten der Lohnarbeiter verfügen, wir können nicht streiken. Aber wir sollten uns dennoch klar werden, dass wir nicht so machtlos sind, wie es aussehen mag. Jedenfalls sollten auch wir uns über die Politik der Regierung Berlusconi Gedanken machen, denn wenn wir uns nicht um sie kümmern, so „sorgt" sie für uns in einer Weise, die für uns noch schlimmer als bisher werden könnte. Wahltag ist Zahltag, da können wir durch unsere Stimme sei es zu den Europawahlen als in den nächsten Jahren bei den Parlamentswahlen neue Weichen stellen.