kommentar
Georg Pardeller
Die soziale Feuerwehr
Diie dramatischen Verteilungskämpfe weltweit haben die Ungleichheit verschärft. Die These, Deregulierung und Privatisierung bringe in unterentwickelten Staaten den Fortschritt voran, ist empirisch nicht haltbar. Dies geht aus einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO mit Sitz in Genf hervor, die immer mehr als „soziale Feuerwehr der Globalisierung" einspringen muss. Seit 1989 beobachtet die ILO einen neuen Systemwettstreit zwischen dem angelsächsisch-neoliberalen und dem europäischen Sozialstaatsmodell. Aufgabe der ILO ist es dabei, u.a. durch Beratungsprojekte zu sozialer Sicherheit, Arbeitsrechten und Arbeitsmarktpolitik die soziale Orientierung zu fördern. Denn durch die Globalisierung sind die Länder der südlichen Halbkugel von der Wohlstandsentwicklung abgekoppelt worden. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die ökonomischen Wachstumsraten in der „Dritten Welt" halbiert. Investitionen fließen vor allem in die hoch entwickelten Industrieländer oder ausgesuchte Schwellenländer. Mittlerweile leben 300 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung; drei Milliarden Menschen müssen mit weniger als zwei US-Dollar pro Tag auskommen. Das Fazit der ILO: Die Globalisierung verschärft die soziale Lage bis ins Unerträgliche und lässt nicht nur in den Entwicklungsländern, sondern auch im reichen Norden einen Teufelskreis aus staatlichen Investitionsanreizen, wachsenden Steuerlöchern, Sozialabbau und Armut entstehen. Wo sich hingegen ILO-Standards wie Arbeitsschutz, die Beseitigung beruflicher Diskriminierung und das Recht auf Gewerkschaftsfreiheit sowie Tarifverhandlungen etablierten, sorgten sie für gesellschaftliche und wirtschaftliche Impulse. Das fördere den Entwicklungsprozess. Aber: Wie gefährlich Gewerkschaftsarbeit sein kann, belegt der Jahresbericht des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften: Den traurigen Rekord hält Kolumbien, wo in einem Jahr 184 Gewerkschafter in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land ermordet wurden. Aber auch Staaten wie die USA und Deutschland befinden sich auf der schwarzen Liste: die USA wegen der arbeitnehmerfeindlichen Praxis, Gewerkschaftsorganisationen notfalls mit physischer Gewalt zu verhindern; und Deutschland ob der Tatsache, dass Beamte immer noch kein Streikrecht besitzen. Insgesamt werden Verletzungen von Gewerkschaftsrechten in 133 Ländern beklagt.
Eines ist jedenfalls sicher: Solidarität hat derzeit keine Konjunktur, auch nicht bei uns in Südtirol. Es gibt viel zu tun. Packen wir's an!