Einleitung

Der Schatzmeister und Hüter aller Dinge

„Das Gedächtnis ist unser Zusammenhalt, unser Verstand, unser Gefühl, sogar unsere Handlung“, hat Luis Buñuel einmal gesagt. Damit beschreibt er sehr gut, wofür wir Menschen unser Gedächtnis brauchen: Nämlich für fast alles.
Das Gedächtnis beinhaltet einerseits unsere persönlichen Erinnerungen – etwa unsere glücklichsten Momente und unsere peinlichsten Ausrutscher – andererseits umfasst es auch das gesamte Faktenwissen, das wir im Laufe unseres Lebens anhäufen: Das reicht vom Wissen, dass ein Stuhl ein Stuhl ist bis hin zur komplizierten mathematischen Formel. Dieses Gedächtnis wird von den Forschern das „autobiographische“ bzw. das „semantische“ Gedächtnis genannt.
Zusätzlich zu diesen „expliziten“ Inhalten ist das Gedächtnis aber auch für ganz essenzielle„implizite“ Inhalte zuständig, über die wir nicht lange nachdenken müssen: Körperliche oder geistige Abläufe wie das aufrechte Gehen, das Schuhe knüpfen oder das Radfahren verdanken wir der Leistungsfähigkeit unseres Gedächtnisses.
Auch erlernte Ängste und schlechte Gewohnheiten, unsere Fähigkeiten und Verhaltensweisen finden sich als Engramme (=Gedächtnisspuren im Gehirn) wieder und machen uns zu der Person, die wir sind.
Gedächtnis bedeutet also viel mehr, als sich daran zu erinnern, dass Rom Italiens Hauptstadt ist. Es bedeutet, die Umwelt, die uns umgibt, korrekt entschlüsseln und sich in ihr adäquat bewegen und verhalten zu können. Das klappt vor allem deswegen so gut, weil unser Gedächtnis in der Lage ist, die Fülle an permanent auf uns einprasselnden Eindrücken zu filtern, und nur jene herauszupicken, die für uns in Zukunft von Bedeutung sein können. So können wir uns an die Umwelt anpassen und uns in ihr zurechtfinden, denn unser Gedächtnis liefert uns die benötigten Informationen, die unser Handeln und unsere Entscheidungen beeinflussen.
Das Gedächtnis ist also ein Überbegriff für eine ganze Reihe essenzieller Fähigkeiten die uns helfen, Erfahrungen einzuprägen, sie zu behalten, zu assoziieren und wiederzuerkennen. Das Gedächtnis ist eine biologische Meisterleistung, es ist der Schatzmeister und Hüter aller Dinge, wie Cicero schon sagte. Eine Schatzkammer, die nicht endlich ist und immer weiter befüllt werden kann und soll.
Noch in den 60er Jahren dachte man, dass die Erinnerungen in bestimmten Zellen gespeichert werden. Bezeichnend dafür waren die Studien von McConnell, der Würmern beibrachte Licht zu meiden, diese dann zerstückelte, an ihre Kollegen verfütterte und feststellte, dass diese Würmer dieselbe Aufgabe nun schneller lernten. Die Zeitung New York Times empfahl daraufhin „Eat your Professor“ („Iss deinen Professor“). Inzwischen wissen wir, dass unser Gedächtnis ein komplexes Netzwerk aus vielen molekularen Strukturen ist und Erinnerungen keinesfalls in einzelnen Nervenzellen gespeichert sind – und dass es einige (legalere) Strategien gibt, das Gedächtnis zu unterstützen und Schwierigkeiten vorzubeugen. Denn als komplexes Netzwerk unterschiedlicher Zellen wird unsere Gedächtnisleistung von genetischen wie auch von umweltbedingten Faktoren beeinflusst. Mit der vorliegenden Broschüre möchten wir aufzeigen, was die Wissenschaft bisher herausgefunden hat und dir konkrete Tipps und Ratschläge für deinen Alltag anbieten, damit du deinen ganz persönlichen Schatz – dein unbezahlbares Gedächtnis – hüten kannst.
Merk dir, dass…!
…  es keine Maßnahme gibt, mit der man ausschließen kann, jemals an irgendeiner Form der Demenz zu erkranken. Für einige Ursachen, wie zum Beispiel Durchblutungsstörungen im Gehirn, ist eine gewisse Vorbeugung allerdings möglich.
Weißt du, dass…?
…  Leipziger Demenzforscher berechnet haben, dass für rund 30 Prozent der aktuellen Demenzfälle insbesondere sieben Lebensstilfaktoren verantwortlich gemacht werden können: Bluthochdruck und starkes Übergewicht im mittleren Lebensalter, Diabetes, Depression, mangelnde körperliche Aktivität, Rauchen und niedrige Bildung. (Luck et al., 2016)
Merk dir, dass…!
… Gedächtnisprobleme ganz viele unterschiedliche Ursachen haben und auch behandelbar sein können. Wenn du bei dir oder einer anderen Person eine rasch auftretende, plötzliche Veränderung der kognitiven Fähigkeiten bemerkst, such bitte sofort einen Arzt auf!

1. Kapitel


Ernährung

Die sogenannte Mittelmeerdiät vermindert nicht nur das Risiko eines Herzinfarkts, sondern auch das Risiko, an einer vaskulären (= die Gefäße betreffende) Demenz oder Alzheimer-Erkrankung zu erkranken. Auf dem Speisplan sollten viel Obst, Gemüse, Fisch, Olivenöl, Nüsse und Vollkornprodukte stehen. Schweine- und Rindfleisch, Wurst, Speck, Käse, Butter und Schmalz sollten dagegen nur in geringen Maßen genossen werden, denn sie enthalten vor allem gesättigte Fettsäuren. Diese liefern zwar genau wie ungesättigte Fettsäuren viel Energie und unterstützen das Immunsystem, allerdings sollte der Mensch einen hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren und einen niedrigen Anteil gesättigter Fettsäuren zu sich nehmen – damit sinkt das Risiko für Herzerkrankungen und die Gesamt- und LDL-Cholesterolkonzentration im Blut.
Gesättigte Fettsäuren treiben den Cholesterinspiegel in die Höhe, machen dick und erhöhen das Risiko, dass die Gefäße verkalken. Ungesättigte Fettsäuren, die beispielsweise in kaltgepressten Olivenöl oder Fisch enthalten sind, senken den Gehalt an „schlechtem“ LDL-Cholesterin im Blut. Zusätzlich sind in Fisch, Nüssen, Schalentieren und in manchen Pflanzenölen Omega-3-Fettsäuren zu finden. Diese reduzieren das Demenzrisiko, denn sie verhindern, dass sich Gefäße verengen und sie stabilisieren die Kontakte zwischen den Nervenzellen im Gehirn. Bekannt ist auch, dass erhöhtes Homocystein (= ein natürlich im Körper vorkommendes Molekül, das hilft, Eiweiße zu bilden) im Blut die Gefäße schädigen kann und im engen Zusammenhang mit Depressionen und Demenz steht. Studien konnten zeigen, dass Folsäure (= gehört zur Gruppe der B-Vitamine) hilft, den Homocysteinspiegel im Rahmen zu halten. Eine ganz besondere Last für unsere Gefäße ist Diabetes (siehe Kapitel 3), auch hier spielt die Ernährung eine wichtige Rolle.
Eine „mediterrane“ Ernährung besteht aus Obst, Gemüse, Olivenöl, Fisch und Kohlenhydraten. Sämtliche Produkte findest du bei uns in Südtirol in den Supermärkten und im Kleinhandel.
Eine niedrige Fettzufuhr wirkt sich günstig auf deinen Stoffwechsel aus und hält deine Gesamt- und LDL-Cholesterolkonzentration in Maßen.
Freie Radikale (siehe Kapitel 6) entstehen bei der Zellatmung und können Nervenzellen schädigen. Vitamin A, C und E bauen freie Radikale ab. Besonders viel Vitamin A enthält Gemüse wie Spinat und Karotten. Vitamin C findest du in Zitrusfrüchten wie Orangen, Zitronen und Grapefruits, während Vitamin E besonders in Nüssen, Vollkorngetreide, Sellerie und Kohl enthalten ist.
Folsäure bildet gemeinsam mit Vitamin B6 und B12 den sogenannten Vitamin-B-Komplex und hält den Homocysteinspiegel im Rahmen. Besonders viel Folsäure findest du in Brokkoli, Endiviensalat, Spinat und Hühnerleber.
Ungesättigte Fettsäuren sind in Olivenöl, Kohlenhydraten (Brot, Nudeln, Reis, Kartoffeln usw.), Walnussöl, Rapsöl usw. enthalten und senken den LDL-Cholesterinspiegel. Frittierte Produkte, Fertigprodukte oder Backwaren aus Blätterteig sind reich an sogenannten „Trans-Fettsäuren“. Auch die sind nicht besonders gut für uns, denn sie erhöhen das Risiko für Fettstoffwechselstörungen und Herzerkrankungen und sollten demnach nur selten verzehrt werden.
Omega-3-Fettsäuren sind in Fisch (v.a. Lachs, Sardellen, Sardinen, Hering), Gemüse (v.a. Peperoni, Lauch, Spinat), Nüssen und Samen (v.a. Walnüssen, Leinsamen, Sesam), Ölen (v.a. Walnussöl, Leinsamenöl, Rapsöl, Sojaöl) enthalten. Sie schützen die Nervenzellen im Gehirn und verhindern Entzündungen.
Der Inhaltsstoff EGCG (Epigallocatechingallat) im grünen Tee schützt möglicherweise vor freien Radikalen (siehe Kapitel 6), indem er deren Bildung vermindert. Noch ist die Wirkung von EGCG allerdings nicht eindeutig belegt.
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist in jedem Alter essentiell und lebensnotwendig, um sämtliche körperliche und geistige Funktionen aufrecht zu erhalten. Als Richtwert wird 1,5 Liter Trinkmenge pro Tag für einen gesunden Erwachsenen angegeben, wobei unterschiedliche Faktoren (z.B. Gewicht, Aktivitätspensum, Temperatur etc.) diesen Wert beeinflussen. Auf die Dauer sollte niemand weniger als 1 Liter pro Tag trinken.
Merk dir, dass…!
…  es sehr wichtig ist, zu wissen, woher deine Lebensmittel kommen. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass auch Milch, Fleisch und Käse Omega-3 Fettsäuren enthalten, wenn die Tiere nicht aus Massentierhaltung kommen, sondern Weidezugang haben bzw. mit frischem Gras gefüttert wurden.
Wusstest du, dass…
…  eine ausgewogene Kost den Bedarf an Vitaminen und Antioxidantien im Normalfall abdeckt und es keine zusätzlichen Produkte aus dem Drogeriemarkt braucht? Der Nutzen solcher Nahrungsergänzungsmittel ist umstritten, sie können sogar Schaden anrichten.