Aus dem Vorstand

Leicht entflammbare Würmli und der Mut professionell unangepasst zu sein

März 2018, Titus Bürgisser, PTSTA-E, Emmen
DGSTA Kongress – 17./18. März 2018 – Luzern
Die Deutschschweizer Gesellschaft für Transaktionsanalyse DSGTA hat unter dem Titel «Professionalität und Profession als Transaktionsanalytikerin und Transaktionsanalytiker» an einen zweitägigen Kongress in Luzern eingeladen. Rund 154 Teilnehmende sind der Einladung gefolgt, 39 Personen haben insgesamt 2 Hauptreferate und 26 Workshops angeboten. Kolleginnen und Kollegen aus der deutschsprachigen Schweiz, der Romandie, aus Deutschland und Österreich zeigen, dass der Kongress auch im deutschen Sprachraum und bei unseren Kolleginnen aus der französischen Schweiz wahrgenommen und geschätzt wird. Dieser Kongress-Bericht ist eine persönliche Sicht auf die zwei Kongresstage, welcher neben Fakten und Wissen immer auch wieder die Bedürfnisse und Erlebnisse meines kleinen Strudelwürmli durchblicken lässt.
Einleitung – Klima – Leute
Gleich beim Empfang wird spürbar, dass die Menschen, die sich mit Transaktionsanalyse beschäftigen miteinander vertraut sind. Viele kennen sich aus ihren Ausbildungsgruppen oder als Lehrende, zum Teil seit Jahrzehnten. Die Freude, bekannte Gesichter zu sehen und miteinander zwei Tage zu lernen und auszutauschen ist spürbar. Andere sind erst seit kurzem in einer Ausbildungsgruppe und sind interessiert, neue Menschen kennenzulernen. Dieses vertraute und gute Klima ermöglicht es, in den Workshops in kurzer Zeit einen geschützten und vertrauten Raum zu schaffen, und so inhaltlich und menschlich intensive Auseinandersetzungen zu erleben.
Die verschiedenen Räume für den Kongress sind in der Stadt Luzern verteilt: Mittelschule Hirschen­graben, der Marianische Saal und das Hotel Schweizerhof. Dadurch haben die Teilnehmenden immer wieder die Gelegenheit, eine der schönsten Städte der Schweiz hautnah zu erleben. Das Strudelwürmli freut sich auf die frische Luft auf diesen Spaziergängen und hat sich auch schon an den Regen als typisches Luzerner-Wetter gewöhnt. Zum Glück schützt die gedeckte Kapellbrücke während einigen Metern vor dem strömenden Regen.
Johann Storch - Professionalität im Umgang mit sich selbst
Das Zürcher Ressourcen-Modell bietet eine gute Grundlage, um eigenes Verhalten und Bedürfnisse zu erkennen und zu steuern. Johann Storch hat seinen Vortrag mit viel freiem Kind präsentiert und uns einen lebendigen und lustvollen Moment des Lernens ermöglicht. Das Bild des Strudelwurms, der – etwas verkürzt gesagt – für die Bedürfnisse des freien Kindes steht, zeigt schön, welche Motivation viele unserer Verhaltensweisen und Entscheidungen prägt: «Mag ich» oder «Mag ich nicht». Gut zu wissen, dass es möglich ist, Selbstmanagement zu erlernen, um nicht auf Gedeih und Verderben der Erstreaktion des Wurms ausgeliefert zu sein. Das erinnert mich doch stark an die TA, wo es darum geht, autonome Entscheidungen zu treffen, die im Hier und Jetzt Sinn machen und nicht übernommene und nicht steuerbare Reaktionen aus früheren Erfahrungen.
Ich habe gelernt, dass ich ein positiv dünnhäutiges – das heisst, leicht entflammbares – Würmli bin, das sich für vieles sehr schnell begeistern kann und dadurch tausend Dinge tut und noch vieles mehr tun möchte. Der freie Wurm (freies Kind) laut Storch tut seine Dinge, weil er sie gerne tut. Der gewürgte Wurm (angepasstes Kind) muss sich zwingen, gewisse Dinge zu tun, die er eigentlich nicht mag. Ein optimales Verhältnis zwischen freiem und gewürgtem Wurm ist 2/3 frei und 1/3 gewürgt. Was ist dein Wurm-Index, lieber Leser, liebe Leserin?
Ich bin dem Strudelwürmli schon vor Jahren an Vorträgen zum Zürcher Ressourcen-Modell begegnet, aber konnte mich nie richtig damit anfreunden. Aber mit dem Vortrag von Johann Storch habe ich es richtig lieb bekommen!
Workshops: Zwischen Rollen und Romandie
Die Palette der Workshops war wiederum so gross, dass das Würmli stark mit Entscheidungen beschäftigt war. Doch was tun, wenn das dünnhäutige Wümli nichts verpassen will? Ich verlasse mich auf mein «Wurmgefühl» und bereue die Entscheidung kein einziges Mal.
Die Workshopleitenden haben ihre Workshops auf das Konferenz-Thema ausgerichtet und keinen Aufwand gescheut, den Teilnehmenden gelungene Workshops zu ermöglichen. Sie sind von weither gekommen, haben schwer an ihren Rollen geschleppt und einen Einblick in ihre Arbeit mit Transaktionsanalyse gegeben.
Während ich am Samstag damit beschäftigt war, für unseren eigenen Workshop in jeder Hinsicht bereit zu sein, konnte ich am Sonntag zwei sehr anregende und unterschiedliche Workshops erleben. Michael Kossmann gab einen Einblick in sein Lernverständnis und seine vielfältige Arbeit in Unternehmen. Der einzige Workshop in französischer Sprache war mit den zwei Kursleiterinnen Valérie Cionca und Catherine Corbaz und zwei Teilnehmenden ein sehr intensives Erlebnis. Auf der Grundlage des «Cercle de la reliance» von Evelyne Papaux und des «Functional Fluency» Modells von Susanna Temple haben wir uns mit Beratung von Menschen in einer Situation der Verletzlichkeit beschäftigt. Die Erfahrung an Kongressen ist immer wieder, dass auch kleine Gruppen sehr gute Lernmöglichkeiten bieten.
Festabend – Begegnungen über die Grenzen hinweg
Im schönen Saal des Hotels Schweizerhof durften wir den Festabend verbringen.
Gleich beim Eintritt erlebte ich eine grosse Überraschung: Der Mann, der mir das Glas zum Apéritiv reichte, begrüsste mich freudig. Es war Nusred, der vor 25 Jahren als Flüchtling mit seiner Familie aus Bosnien in die Schweiz gekommen ist und im Durchgangszentrum gewohnt hatte, in dem ich als Betreuer gearbeitet hatte. Wir umarmen uns und erzählen von unseren Familien.
Der Abend bietet Gelegenheit, mit unterschiedlichen Menschen aus der TA-Familie im Gespräch zu sein. Dazu werden wir mit Köstlichkeiten in Kleinportionen verwöhnt. Immer wieder kommt das Servicepersonal mit den Platten vorbei und schafft es jedes Mal, uns zum einen oder anderen zusätzlichen Häppchen zu animieren. Dass wir schon lange satt sind, kümmert das Würmchen kein bisschen!
Wie in der TA Szene üblich, gehören zu einem Festabend Live-Musik und Tanz. Die Gruppe Why hat alles gegeben, um uns zum Tanzen zu bringen.Leider musste der Schlagzeuger in einer Pause wegen Herzproblemen mit der Ambulanz ins Notfallzentrum gebracht werden.
Hans A. Wüthrich – Führen als Profession
Das Schlussreferat war nochmals ein Höhepunkt. Das Credo des «Musterbrechers» Hans A. Wüthrich «Haltung statt Technokratie» und die daraus abgeleiteten Konsequenzen für Professionalität in der Führung hat er mit grossem Engagement und überzeugenden Beispielen und Argumenten konkretisiert. Er regt an, professionelles Handeln und Professionsstandards immer wieder kritisch zu hinterfragen. Je nach Situation sei es angepasst, die in einer Profession üblichen Standards zu übergehen und neue und experimentelle Lösungen zu testen. Das heisst, dass wir manchmal unprofessionell handeln müssen, um professionell zu führen. Dies braucht Mut zu unkonventionellem Handeln und die Bereitschaft, sich auf experimentelle Settings einzulassen, oder diese bewusst zu schaffen und zu gestalten. Letztlich war sein Vortrag eine Ermutigung, in der Führung autonom zu handeln und für die eigenen Entscheidungen einzustehen – In der TA sagen wir dieser Qualität «Autonomie»!
Transaktionsanalyse – Mag ich! Danke!
Mein Würmli ging gut genährt von Schweizerhof-Häppchen, Referaten, Workshops und Begegnungen nach Hause. Einmal mehr wurde klar «Transaktionsanalyse – mag ich!» und nach solchen Kongressen noch einmal mehr und mit viel Lust auf Vertiefung und Fortsetzung.Ein grosser Dank gilt dem OK und dem Kongress-Team, welche die ganze Zeit mit blinkendem Herzen dafür gesorgt haben, dass fast kein Wunsch unerfüllt blieb. Schön, so lebendig und auf Augenhöhe lernen und nachdenken zu können! Danke an alle, die mit dazu beigetragen haben, dass dieses Erlebnis möglich wurde!


Alle Bilder zum DGSTA Kongress finden Sie auf dsgta.ch/6-dsgta-kongress-fuer-transaktionsanalyse/



Aus dem Vorstand

Wichtige Termine für die TA-Agenda

10. bis 13. Mai 2018
DGTA-Kongress in Wien – Eric Berne trifft Sigmund Freud
9. Juni 2018
DSGTA / ASAT SR – Lehrendentreffen Biel
5. und 6. Juli 2018
EATA Konferenz London
26. und 27. Oktober 2018
SGTA-Strategietage
8. und 9. November 2018
Lehrendentreffen DGTA/ CTA und TSTA-Exams Rösrath
9. März 2019
DSGTA-TA Tag und GV
10. bis 12. Mai 2019
DGTA-Konferenz Lindau / Bodensee