Think
s'Muschi-Ding voll durchziachn #2
// Hannah Lechner //

© Elisabeth Öggl
Onkel Klaus
Sommerfrische auf einer idyllischen Alm im Vinschgau: Stundenlanges Kartenspielen und Übernachtungsparty im Schlafsack mit meinen Patenkindern, ein paar vereinzelte Kuhglocken im Hintergrund, während man unter sternenklarem Himmel nochmal zum Pinkeln hinters Haus verschwindet, am dritten Tag in Folge Pfifferlinge zum Abendessen (geil!) und: Onkel Klaus1. Onkel Klaus ist – so meinen manche – vom Typ her der Unterhaltsame, „a richtiger Paiaz!“, Onkel Klaus bringt immer den besten Wein mit und grillt für alle – und Onkel Klaus kommentiert: alles und jede*n, vorzugsweise Aussehen und Essverhalten. Und dabei ist er sich auch noch ganz sicher, das stünde ihm zu.
Ein Zusammentreffen mit Onkel Klaus ist aufwändig in der Vorbereitung. Es erfordert sorgfältig zurechtgelegte und flexibel anpassbare, aber dennoch schlagfertig und spontan erscheinende Reaktionen auf die bevorstehenden Untergriffigkeiten, ein durchgehend hohes Konzentrationslevel, um im Schlagabtausch niemals die Oberhand zu verlieren, und einen vollkommen intakten Schutzpanzer aus zynischem Humor (und ist daher in der 2. Zyklushälfte absolut nicht zu empfehlen). Auf der Alm im Sommer vor zwei Jahren war ich bestens gerüstet: Ich würde ein Spiel spielen, eine Art mentales Bullshit-Bingo, und mir für jeden bereits vorhergesehenen und erfolgreich abgewehrten Kommentar zu meiner Person selbst einen Punkt geben. Und dabei versprach jenes Treffen besonders spannend zu werden, hatte ich mir doch erst vor kurzem mein Septum piercen lassen und bot damit eine vielversprechende zusätzliche Angriffsfläche. Yay!
Es kam wie erwartet: Nachdem mein seit Jahren praktizierter, aber als Thema einfach nicht fad werdender Vegetarismus, Grillplatte um Grillplatte über den Tisch reichend, bereits kommentiert war („Pass auf, in die Zucchini honni a bissl Speck versteckt!“) und ein paar halbherzige Lacher geerntet hatte, fiel schon bald der Piercing-Kommentar. Ob ich wisse, dass man früher Stieren „sou schiache Nosenring“ verpasst hat? Ob man mich denn bändigen müsse, wie einen Stier? Während das Lachen der einen lauter wurde und das anderer verlegenen Blicken wich, erklärte ich Onkel Klaus mein Spiel – „…und a poor Punkte honni schun gsammelt, also enttäisch mi nit, ok?“ – Lacher auf meiner Seite. Und damit kann er eher nicht so. Er nannte mich ab diesem Zeitpunkt nur noch „den Stier“ („Konnsch in Stier nu a poor Zucchini geben?“), seine Verunsicherung trieb ihn zu immer waghalsiger werdenden Angriffsversuchen. Am Ende schoss er sich selbst ins Aus, indem er meinen Arsch kommentierte und das (im Laufe des Spiels häppchenweise sensibilisierte) Publikum auf mein für alle hörbar geäußertes Feedback, dass das unpassend und übergriffig sei, nur noch mit betretenem Schweigen reagierte. Diesmal hatte ich also gewonnen. Statt sich die Niederlage seines peinlichen Mobbings einzugestehen und sich beispielsweise zu entschuldigen, wurde Onkel Klaus richtig böse: Er verbrachte den Rest des Tages damit, mich mit (sexistischen bis misogynen) Abfälligkeiten zu strafen, die angesichts meines Sieges aber an mir abperlten wie Schweiß, während ich in Gedanken aus dem Boxring stieg.
Onkel Kläuse gibt’s wie Gras auf der Alm. Was sie eint: Abzüglich ihrem Verarbeitungspotential für theatralische Metaphorik in Kolumnen wie dieser bleibt ihnen wenig Unterhaltungswert – mehr noch: Sie sind eine Ressourcenverschwendung! Hab ich bei jedem Zusammentreffen Bock auf ein verstörendes Spiel, in dem ich meine Grenzen permanent aufwändigst verteidigen muss? Nein. Hab ich – denn das ist die Alternative – Lust darauf, mich nach einem Treffen stundenlang zu zermürben, weil ich nichts gesagt habe und es doch hätte tun sollen? Auch nein. Für diesen Bullshit hat doch niemand Zeit! Am allerwenigsten im Urlaub. Da chillt der Stier lieber mit seinen gepiercten Freund*innen irgendwo anders und zeigt sich nur noch „olle heiligen Zeiten“.
Ein Zusammentreffen mit Onkel Klaus ist aufwändig in der Vorbereitung. Es erfordert sorgfältig zurechtgelegte und flexibel anpassbare, aber dennoch schlagfertig und spontan erscheinende Reaktionen auf die bevorstehenden Untergriffigkeiten, ein durchgehend hohes Konzentrationslevel, um im Schlagabtausch niemals die Oberhand zu verlieren, und einen vollkommen intakten Schutzpanzer aus zynischem Humor (und ist daher in der 2. Zyklushälfte absolut nicht zu empfehlen). Auf der Alm im Sommer vor zwei Jahren war ich bestens gerüstet: Ich würde ein Spiel spielen, eine Art mentales Bullshit-Bingo, und mir für jeden bereits vorhergesehenen und erfolgreich abgewehrten Kommentar zu meiner Person selbst einen Punkt geben. Und dabei versprach jenes Treffen besonders spannend zu werden, hatte ich mir doch erst vor kurzem mein Septum piercen lassen und bot damit eine vielversprechende zusätzliche Angriffsfläche. Yay!
Es kam wie erwartet: Nachdem mein seit Jahren praktizierter, aber als Thema einfach nicht fad werdender Vegetarismus, Grillplatte um Grillplatte über den Tisch reichend, bereits kommentiert war („Pass auf, in die Zucchini honni a bissl Speck versteckt!“) und ein paar halbherzige Lacher geerntet hatte, fiel schon bald der Piercing-Kommentar. Ob ich wisse, dass man früher Stieren „sou schiache Nosenring“ verpasst hat? Ob man mich denn bändigen müsse, wie einen Stier? Während das Lachen der einen lauter wurde und das anderer verlegenen Blicken wich, erklärte ich Onkel Klaus mein Spiel – „…und a poor Punkte honni schun gsammelt, also enttäisch mi nit, ok?“ – Lacher auf meiner Seite. Und damit kann er eher nicht so. Er nannte mich ab diesem Zeitpunkt nur noch „den Stier“ („Konnsch in Stier nu a poor Zucchini geben?“), seine Verunsicherung trieb ihn zu immer waghalsiger werdenden Angriffsversuchen. Am Ende schoss er sich selbst ins Aus, indem er meinen Arsch kommentierte und das (im Laufe des Spiels häppchenweise sensibilisierte) Publikum auf mein für alle hörbar geäußertes Feedback, dass das unpassend und übergriffig sei, nur noch mit betretenem Schweigen reagierte. Diesmal hatte ich also gewonnen. Statt sich die Niederlage seines peinlichen Mobbings einzugestehen und sich beispielsweise zu entschuldigen, wurde Onkel Klaus richtig böse: Er verbrachte den Rest des Tages damit, mich mit (sexistischen bis misogynen) Abfälligkeiten zu strafen, die angesichts meines Sieges aber an mir abperlten wie Schweiß, während ich in Gedanken aus dem Boxring stieg.
Onkel Kläuse gibt’s wie Gras auf der Alm. Was sie eint: Abzüglich ihrem Verarbeitungspotential für theatralische Metaphorik in Kolumnen wie dieser bleibt ihnen wenig Unterhaltungswert – mehr noch: Sie sind eine Ressourcenverschwendung! Hab ich bei jedem Zusammentreffen Bock auf ein verstörendes Spiel, in dem ich meine Grenzen permanent aufwändigst verteidigen muss? Nein. Hab ich – denn das ist die Alternative – Lust darauf, mich nach einem Treffen stundenlang zu zermürben, weil ich nichts gesagt habe und es doch hätte tun sollen? Auch nein. Für diesen Bullshit hat doch niemand Zeit! Am allerwenigsten im Urlaub. Da chillt der Stier lieber mit seinen gepiercten Freund*innen irgendwo anders und zeigt sich nur noch „olle heiligen Zeiten“.
1 Zur Wahrung der Privatsphäre der betreffenden Person entsprechen natürlich weder der Name noch die Verwandtschaftsbezeichnung (so ganz) der Realität.