Thema

Arbeit - was ist das?

Arbeit, wie sie Jahrtausende ablief
Die Gesellschaft heute lässt sich mit Rolltreppen vergleichen: während die einen nach oben fahren, geht es gleichzeitig bei anderen aufgrund von prekären Arbeitsplätzen, Arbeits­losigkeit o.ä. nach unten.
Um das Thema ‚Arbeit‘ besser zu verstehen, lohnt ein Blick in die Vergangenheit. In der ganzen hinter uns liegenden Geschichte mussten die Menschen ihre volle Arbeitskraft aufwenden, um das unbedingt Notwendige zum Überleben zu erwirtschaften. Die ganz große Mehrheit der Bevölkerung musste von frühester Kindheit an bis ins Alter die Arbeitskraft einsetzen, um den Lebensunterhalt für sich selbst zu bestreiten, darüber hinaus hatten sie als Untertanen für den Luxusbedarf einer schmalen Oberschicht aufzukommen.
Seit zweihundert Jahren hat sich für die Bevölkerung der westlichen Welt die Lage grundlegend zum Besseren verändert. Dank neuer Produktionstechniken und einer rationelleren Arbeitsorganisation steht uns heute ein Überangebot an materiellen Gütern zur Verfügung. Um dem Weltproblem Arbeit beizukommen, dürfen wir nicht nur bei der bezahlten Arbeit – der Erwerbsarbeit - stehenbleiben, sondern müssen die gesamte in der Gesellschaft geleistete Arbeit – also auch die nicht bezahlte Arbeit – in die Überlegungen mit einbeziehen. Dazu zählen die Arbeit von Hausfrauen und Müttern sowie andere Tätigkeiten. Sie werden nicht nur nicht bezahlt, sondern sie scheinen auch in der wirtschaftlichen Gesamtrechnung, dem Sozialprodukt, nicht auf. Dennoch sind sie für das Funktionieren der Gesellschaft unentbehrlich. Arbeit hat neben einer wirtschaftlichen eben auch eine sozialethische Seite.
Steigende Arbeitsproduktivität – Segen oder Fluch?
Ich führe meine Überlegungen zum Thema Arbeit mit zwei Zitaten fort. Das erste stammt von Hannah Arendt, das zweite von Ralf Dahrendorf. Zwei Gelehrte mit Weltformat, die intensiv über die Zukunft der Arbeit nachgedacht haben.
„Was uns bevorsteht ist die Aussicht auf eine Arbeitsgesellschaft, der die Arbeit ausgegangen ist, also die einzige Tätigkeit, auf die sie noch versteht. Was könnte verhängnisvoller sein?“ Die beiden Sätze kann man nachlesen im Buch von Hannah Arendt „Vita activa oder vom tätigen Leben“. Aufgangspunkt ihrer bahnbrechenden Überlegungen in der Mitte des letzten Jahrhunderts war die Befürchtung, dass sich durch die Automation die Arbeitswelt dermaßen verändern wird, dass sich der enorme Produktivitätsfortschritt nicht als Segen sondern als Fluch auswirken könnte.
Ein Vierteljahrhundert später diagnostizierte der Soziologe Ralf Dahrendorf: „Arbeit ist das größte Problem vor dem die Menschheit steht und eine Lösung des Problems haben wir nicht. Die Arbeit, wie wir sie kennen, steht in der Tat vor einem radikalen Umbruch. Sie trägt den Namen Industrie 4.0. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als die vierte industrielle Revolution in zweihundert Jahren. Ziel von Industrie 4.0 ist die Vernetzung von Produktionsprozessen in sogenannten ‚intelligenten‘ Fabriken. Der Wettlauf Mensch gegen Maschine geht also weiter - in die nächste Runde.
Ist menschliche Zuwendung Arbeit?
Wir sollten uns angewöhnen, Arbeit sehr viel breiter zu sehen. Die Zeit, die Mann und Frau einander schenken, ist, auch wenn da nichts „hergestellt“ wird, keine vergeudete Zeit, sondern viel mehr in höchstem Maße produktive Zeit; sie trägt bei zu einer guten Ehe. Ebenso produktiv verwendet ist die Zeit, die Eltern ihren Kindern schenken, wenn sie auch nur bei den Kindern sind und die Kinder sich bei ihnen wohl fühlen. Was für die Zuwendung in der Familie gilt, trifft in einem analogen Sinn auch auf die Dienstleistungsberufe zu. Die demografische Entwicklung hat die Dienstleistungsberufe enorm aufgewertet und wird dies weiterhin tun. Ein Widerspruch tut sich auf. Einerseits wird beim hauptamtlichen Pflegepersonal aus Kostengründen ein drastischer Sparkurs gefahren, andererseits steigt bei ratsuchenden, hilfsbedürftigen Menschen das Bedürfnis nach geschenkter Zeit. Da taucht die Frage, ist der Freiwilligendienst am hilfsbedürftigen, kranken, sterbenden Menschen wirklich „Arbeit“? Ich denke Ja, auch wenn wir uns an so eine Sicht von Arbeit erst gewöhnen müssen. Hier verlassen wir die rein ökonomische Sicht von Arbeit. Denn solche Dienste werden nicht des Geldes wegen angeboten, sondern aus Menschlichkeit. Der Bedarf an Zuwendung, an Mitmenschlichkeit enthält ein enormes Potential für die Zukunft.
Arbeit wird flexibler, anspruchsvoller, unberechenbarer
Etwa die Hälfte der Bevölkerung steht in Lohn und Brot. Die Unternehmen schreien nach Fachkräften und werben um sie sogar im Ausland. Gleichzeitig klagen Unternehmen, dass die Kosten für Löhne und Gehälter zu hoch seien und sie versuchen diese zu drücken. Arbeiter und Angestellte haben oft das Gefühl, ihre Arbeit werde nicht genügend geschätzt. Wer heute eine neue Stelle antritt, erhält meist nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Die Zeiten, in denen Arbeit sicher war, sind vorbei. Die Umschichtungen auf dem Arbeitsmarkt haben längst begonnen. Begünstigt und gut bezahlt werden Jobs mit hohem Ausbildungsgrad. Nieder qualifizierte Berufe werden in der Regel nicht nur schlechter bezahlt, sondern finden auch schlechtere Arbeitsbedingungen vor.
Arbeitslos oder in prekären Jobs
Von wenigen Regionen abgesehen sind in Europa Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ein ernstes Problem, nicht zuletzt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. So etwas wie Vollbeschäftigung gab es in der jüngeren europäischen Geschichte lediglich in der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Soziologe Ulrich Beck hat die Lage der Arbeiterschaft damals mit dem Bild eines Aufzugs beschrieben. Alle sozialen Klassen fahren im Aufzug gemeinsam nach oben. Die Ungleichheiten bleiben zwar bestehen, aber allen geht es besser. Für die Arbeiterschaft ist sozialer Aufstieg kein Fremdwort mehr. Die Einkommen steigen, Bildungsmöglichkeiten, Freizeit und Konsum ebenso.
Seit den 1990er Jahren hat sich die Lage grundlegend geändert. Das Bild des Aufzugs trifft nicht mehr zu. Die Gesellschaft des gemeinsamen Aufstiegs für alle hat sich ins Gegenteil verkehrt. Immer mehr Menschen haben prekäre Arbeitsplätze. Die Zahl von einfachen, schlecht bezahlten, unsicheren Jobs wird von Jahr zu Jahr größer. Die veränderte Situation wird von Soziologen mit einem neuen Bild beschrieben.
An die Stelle des Aufzugs tritt die Rolltreppe in einem Kaufhaus. Während die einen mit der Rolltreppe nach oben fahren, fahren die anderen nach unten. Die Fahrtrichtung ist nicht mehr dieselbe. Prekäre Arbeitsplätze, Arbeitslosigkeit gleichen einer Rolltreppe nach unten. Beruf, Einkommen, soziales Ansehen, nichts erscheint mehr sicher. Dieselben Soziologen haben errechnet, dass der Rolltreppeneffekt sich besonders negativ bei den Nettoeinkommen zeigt. Bis Anfang der 1990er Jahre seien sie gestiegen. Seit zwanzig Jahren etwa fallen sie.
Bedrohung für die Demokratie
Unsicherheit hat zum Entstehen eines weiteren, äußerst bedenklichen Phänomens beigetragen. Anstatt den Ursachen für den Abstieg auf den Grund zu gehen, wird Jagd auf noch schwächere Gruppen in der Gesellschaft gemacht. Die Ablehnung von Flüchtlingen, Sozialhilfeempfängern, Langzeitarbeitslosen, Habenichtsen dürfte hier ihre Erklärung haben. Nicht übersehen werden sollte: Unsichere, schlechte bezahlte Jobs und die Abstiegsängste großer gesellschaftlicher Schichten sind auch eine Bedrohung der Demokratie.
TEXT: Josef Stricker
Josef Stricker, geistlicher Assistent des KVW

Kommentar

Klimawandel bedroht Menschen

Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaft
Die Entwicklung der CO²- Emissionen weltweit, Abbildung nach Prof. Franz Josef Radermacher
Ende 2015 hat die Weltgemeinschaft beim Klimagipfel in Paris konkrete Maßnahmen beschlossen um dem Klimawandel entgegen zu treten. Über 95 Prozent aller Wissenschaftler weltweit sind sich in den grundlegenden Fragen der Erderwärmung einig und die politischen Institutionen beschlossen dem zu folgen. Laut den meisten Experten sind die getroffenen Maßnahmen aber leider immer noch zu wenig.
Zurzeit verbraucht die gesamte Menschheit ca. 35 Mrd. Tonnen CO²/Jahr. Sollten wir nichts gegen den Anstieg tun, erreicht dieser Wert im Jahr 2050 65 Mrd. Tonnen CO²/Jahr. Das wäre eine Welt mit ca. 6° C mehr als jetzt, eine Horrorvorstellung, die den Menschen in seiner Existenz bedroht. Ganze Inselstaaten verschwinden, unsere Kinder kennen Gletscher nur mehr von Postkarten, das globale Klima ändert sich in einer Art und Weise, dass auch abrupte Eiszeiten durch Verschiebungen von Meeresströmungen möglich werden.
Reduzierung der CO² Emissionen
In Paris wurden deshalb zwei Dinge beschlossen. Erstens konkrete Zusagen zur Reduzierung der CO² Emissionen. Mit diesen Zusagen erreicht man die Eingrenzung des Temperaturanstieges auf 4 Grad Celsius. Die Auswirkungen mit 4 Grad wären enorm. Schauen wir uns Südtirol an, denn könnten folgende Szenarien im Jahr 2050 nur des Klimas wegen Wirklichkeit sein:
Wintertourismus: So wie wir ihn kennen gibt es ihn nicht mehr. Es gibt kaum ein Skigebiet, welches wirtschaftlich überleben könnte da nur mehr mit Kunstschnee gearbeitet werden kann. Auch Gletschergebiete gibt es kaum mehr. Die besten Technologien würden uns höchsten falls Zeit verschaffen. Die Frage bleibt, ob wir uns die Kosten dafür noch leisten können. Vielleicht fährt dann nur noch eine kleine Elite Ski.
Landwirtschaft: Jetzt schon sind wir mit der Blütezeit um 2 bis 3 Wochen früher dran. Die Wälder werden den landwirtschaftlichen Gründen Platz machen müssen, denn wir müssen mit unseren Äpfeln & Co höher hinaus. Die Temperaturverschiebungen, speziell im Winter, können die Kulturlandschaften vor neuen gesundheitlichen Herausforderungen stellen. Wenn es nicht mehr richtig kalt wird im Winter, überleben Schädlinge und Parasiten. Ganz neue Sorten werden angebaut werden müssen.
Sommertourismus: Die Berggebiete könnten im Sommer profitieren, die Tallagen werden sich neu orientieren müssen.
Handel und Handwerk hängen eng mit dem Tourismus zusammen und werden entsprechend in Mitleidenschaft gezogen.
Verarbeitendes Gewerbe: Die bestehenden Unternehmen arbeiten gut bis sehr gut und sind international gut aufgestellt. Der Export wird daher (je nach Branche) unabhängiger sein von den lokalen Veränderungen und sogar in seiner Wichtigkeit für den Gesamtwohlstand Südtirols noch zunehmen. Heißt aber auch, wir werden noch abhängiger von internationalen Ereignissen, von den Dynamiken der Globalisierung. Welche weltweiten Phänomene hierbei ihre Auswirkungen zeigen, ist noch nicht abschätzbar.
Begrezung der Erderwärmung
Mit 4 Grad Celsius wäre die Welt eine andere, definitiv. Aus diesem Grund hat Paris sich zum zweiten ein weiteres Ziel gesetzt: Die Begrenzung auf 2 bzw. 1,5 Grad Celsius. Nachdem es aber dafür keine konkreten Umsetzungsstrategien gibt wurde dies als sogenannte Zielvorgabe definiert. Mit einer „ambition Gap“, einer Ambitionslücke, die es zu füllen gilt. Doch wie soll das gehen?
Jeder mit der Überzeugung, mit der Reduktion unserer Emissionen würden wir das schaffen, dem sei ein einfaches Rechenbeispiel vor Augen geführt. Zurzeit haben wir in Europa einen Durchschnittswert des CO² Ausstoßes pro Einwohner von 9 Tonnen pro Jahr. Um das 2 Grad Celsius Ziel bis 2050 alleine über Reduktion der Emissionen zu erreichen, müssten wir auf 1 Tonne pro Jahr pro Einwohner runterkommen. Unmöglich ohne einen sehr schmerzhaften Wohlstands-Einbruch. Auch in Südtirol müssten wir unseren Ausstoß um 75 Prozent senken.
Fossile gegen erneuerbare Energie austauschen
Aus diesem Grund muss es noch eine weitere Strategie geben die uns hilft die Ambitionslücke zu schließen, und diese heißt Kompensation. Eine Kompensation, oder auch Klimaschutzprojekt genannt ist, vereinfacht gesagt, die Investition in ein Projekt, welches entweder CO² aus der Atmosphäre entzieht oder CO² gar nicht entstehen lässt, indem fossile Energie mit erneuerbarer ausgetauscht wird. Dies ist unsere zurzeit einzige Chance um genügend Zeit zu gewinnen.
Anders leben auf diesem Planeten
Und wir brauchen Zeit und zwar einige Jahrzehnte. Kompensationen sind ein Mittel, um uns Zeit zu kaufen. Zeit, um Bewusstsein zu schaffen und Technologien hervor zu bringen, die es uns ermöglichen, anders auf diesen Planeten zu leben. Mit anderen Ressourcen, mit anderen Lebensstilen, aber nicht mit weniger Wohlstand. Dazu müssen wir allen Menschen auf diesem kleinen Planeten die Möglichkeit geben Wohlstand, Bildung und Sinn in ihrem Tun zu erreichen. Klimaschutzprojekte sind so eine Möglichkeit.
TEXT: Klaus Egger
Klaus Egger ist Mitarbeiter des Terra Institutes in Brixen und koordiniert das „Klimaneutralitätsbündnis 2025 – Region Südtirol“, bei dem sich Unternehmen in Österreich und Italien freiwillig der Herausforderung stellen, klimaneutral zu werden.