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Arbeit 4.0 braucht Gestaltung

4.0 steht für das, was man die vierte oder digitale industrielle Revolution nennt. Vor der Zukunft der Arbeit darf man nicht erschrecken, man darf ihr aber auch nicht passiv begegnen.
Stefan Perini
Direktor AFI | Arbeitsförderungsinstitut
Globalisierung, Alterung der Belegschaften, Digitalisierung und Automatisierung, neue und veränderte Berufsbilder: Der Wandel der Arbeitswelt ist nicht aufzuhalten. Man muss ihn aber mitgestalten, wenn man will, dass er nicht zu einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt.
Digitalisierung und Bildung im Wettbewerb
„Technologie zerstört Jobs, Bildung schafft Jobs“, sagt Colin Crouch, eine internationale Ikone der Sozialforschung. Er benennt auch gleich die Herausforderung für die Zukunft: „Die Frage ist, ob wir es schaffen, über Bildung mehr Jobs zu schaffen, als durch Technologie zerstört werden.“ Die landläufige Meinung, in erster Linie niedrig qualifizierte Jobs würden der fortschreitenden Digitalisierung bzw. Automatisierung zum Opfer fallen, stimmt nur bedingt. Schaut man sich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte an, so hat sowohl der Anteil der hoch- als auch jener der niedrig qualifizierten Jobs zugenommen, zurückgegangen sind die mittelqualifizierten. Jene Berufe, bei denen der menschliche Kontakt und die Emotionsarbeit im Vordergrund stehen, wird es auch in Zukunft noch geben: Friseurinnen oder Schönheitspflegerinnen werden nicht verschwinden, genauso wenig wie Erziehungs- und Pflegearbeit. Ein hohes Risiko, der Technologie zum Opfer zu fallen, haben hingegen niedrig qualifizierte Jobs mit hohem Standardisierungspotential, wie zum Beispiel Jobs am Fließband.
Bildung ist somit gleich zweifach vorteilhaft. Zunächst ist sie das einzige wirkliche Rezept, um sich vor dem ‚Jobkiller‘ Digitalisierung zu behaupten. Des Weiteren ist – unter anderem auch durch AFI-Studien – belegt, dass das Qualifikationsniveau jener Faktor ist, der am stärksten das Lohnniveau bestimmt. Will heißen: Personen mit einem hohen Bildungsabschluss verdienen im Schnitt deutlich mehr als jene mit keinem oder niedrigem Bildungsabschluss.
Was „faire Arbeit 4.0“ ausmacht
Die digitale Transformation ist für die einen Verheißung und Lebensgefühl, für die anderen bedeutet sie Unsicherheit, aber sie kann beides sein. Ausschlaggebend ist, wie es gelingt, die treibende Kraft der Digitalisierung so zu kanalisieren, dass sie in „faire Arbeit 4.0“ mündet. Ein Grundsatz muss sein, dass bei den neuen digitalen Arbeitsformen der Mensch im Mittelpunkt steht. Also wird auch die Diskussion um feste Arbeitszeiten und Arbeitsorte wieder neu zu führen sein. Außerdem müssen in der Aus- und Weiterbildung die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sie der neuen Zeit standhalten. Eine weitere Gefahr gilt es abzuwenden: In der neuen Arbeitswelt sind massenhaft Daten verfügbar, die missbraucht werden können. Davor muss sich die Gesellschaft schützen.
Vor allem aber darf die Digitalisierung kein Geldvermehrungsprogramm für wenige Reiche sein. Es muss dafür gesorgt werden, dass alle einen gerechten und solidarischen Beitrag zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates leisten.
Fragen der Ethik und der Werte müssen neu diskutiert werden, und zwar unabhängig und losgelöst von dem, was im Wirtschaftssystem technisch möglich ist. Auch die Gewerkschaften und sozialen Kräfte werden ihren Blickwinkel verändern müssen, um viel mehr Menschen wirkungsvoll vertreten und vor Ausbeutung und sozialem Abstieg schützen zu können. Gesellschaftliche Prozesse von dieser Tragweite beginnen mit einer gemeinsamen Standortbestimmung und erfordern ein hohes Maß an Mitgestaltung im Interesse der ar-beitenden Menschen: Das AFI ist bereit.
Text: Stefan Perini
Arbeit 4.0 ist die sogenannte vierte industrielle Revolution

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Zukunftsangst ist keine Lösung

Nimmt uns die Digitalisierung Arbeit weg?
Der Siegeszug der Technik hat auf die selbständige und die unselbständige unterschiedliche Auswirkungen.
Viele Menschen schauen mit gemischten Gefühlen auf die Zukunft der Arbeit – mit einer Tendenz zur negativen Sicht. Fast die Hälfte der Arbeitsplätze ist in den kommenden zwei Jahrzehnten bedroht. Das sagt zumindest eine Studie der Universität Oxford. Wie auch immer, Tatsache ist, die Arbeitswelt wird sich in den kommenden Jahren infolge des digitalen Vormarsches tiefgreifend verändern.
Josef Stricker,
geistlicher Assistent des KVW
Ursprünglich war vom technischen Fortschritt hauptsächlich die Industrie betroffen. Von dort ist er zeitlich später zum Handwerk übergesprungen. Nochmals später wurde die Landwirtschaft erfasst. Nur Handel und Dienstleistungen blieben lange Zeit so gut wie verschont. Mittlerweile ist die Elektronik dabei, die gesamte Bürotätigkeit – die private und die öffentliche – umzukrempeln, mit erheblichen Auswirkungen auf die Beschäftigung. Stichwort Arbeitsplatzabbau bei Banken, Versicherungen, Medienunternehmen. Noch ein Hinweis: Der Siegeszug der Technik hat auf die selbständige und die unselbständige höchst unterschiedliche Auswirkungen. Die unselbständige Arbeit und nur sie allein ist von der Gefahr bedroht, infolge der Produktivitätssteigerung massiv Arbeitsplätze zu verlieren.
Denkanstöße fürs Gestalten
In welche Richtung die Entwicklung geht, hängt nicht allein von der Technikentwicklung ab, sondern kann, muss gesellschaftlich und politisch gesteuert werden. Die Frage lautet: Wie kann technische Innovation in sozialen Fortschritt münden, der wiederum möglichst vielen Menschen zugutekommt? Anders formuliert, es geht darum Möglichkeiten auszuloten, wie die Arbeit der Zukunft menschengerecht gestaltet werden kann. Digitalisierung, Globalisierung ect. sind keine Naturereignisse, denen die Menschheit schicksalhaft ausgesetzt ist. Keinem Erdbeben, keinem Tsunami vergleichbar, nein, sie sind von Menschen gemacht und können daher auch gestaltet werden. Ich will noch deutlicher werden. Digitalisierung als vierte industrielle Revolution ist mit einer umfassenden Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu begleiten. Eine rein markwirtschaftliche Digitalisierung ohne Korrekturen durch die Politik wäre eine große Gefahr.
Digitalisierung als Chance
Jesuitenpater Oswald von Nell Breuning - der vielleicht bedeutendste Vertreter der katholischen Soziallehre im 20. Jahrhundert - schrieb vor nunmehr dreißig Jahren: „Man kann nur darauf hinweisen, welche große Möglichkeiten der ständige Anstieg der Arbeitsproduktivität da erschließt, und versuchen, die Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass, wenn man sie nutzt, die Arbeitsproduktivität und deren Anstieg keinen Grund gibt zu Besorgnis und schon gar keinen Fluch für die Menschheit bedeutet, sondern einen Segen. Dieser Segen kostet allerdings seinen Preis. Dieser Preis besteht darin, dass wir uns der auf uns zukommenden Aufgabe nicht zu entziehen versuchen, dass wir vielmehr alles tun, um sie zu meistern.“
In Richtung Umgang mit Menschen
Ob es uns passt oder nicht, wir stehen vor einer Verlagerung der Arbeit von der Produktion in Richtung Umgang mit Menschen. Der menschliche Faktor wird zunehmend wichtiger. Neue Tätigkeitsfelder tun sich auf. Ich denke an die demografische Entwicklung, an die Vereinsamung einer rapide wachsenden Zahl von Menschen, an zerbrochene Lebensbiografien, an den weiten Bereich der Erziehung, der Bildung, der Kontaktpflege. Lauter Tätigkeiten, die von der Technik nie übernommen werden können. Es wird zu einer beruflichen Neu- und Umorientierung kommen. Die Arbeit geht uns mit Sicherheit nicht aus.
Text: Josef Stricker