Kommentar

Welche Sozialpolitik für Südtirol?

Herausforderungen der nächsten Jahre
Südtirol hat sich in den vergangenen Jahren ein starkes lokales Wohlfahrtssystem errichtet. Damit dies auch in Zukunft trotz knapper werdenden Ressourcen erhalten und weiterentwickelt werden kann, bedarf es des Zusammenspiels und der Beteiligung vieler Akteure.
Karl Tragust,
ehemaliger Leiter der Abteilung Sozialwesen
Nach 1973 (2. Autonomiestatut) ist in Südtirol ein starkes lokales Wohlfahrtssystem eingerichtet worden. Wichtige Bausteine sind: Das organisierte Ehrenamt, das soziale Mindesteinkommen, der Kinderschutz, die Familienleistungen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Pflegesicherung, die Schul- und Arbeitsintegration, die Sozialgenossenschaften, der öffentliche Gesundheitsdienst, die delegierten Sozialdienste, der integrierte Sozial- und Gesundheitssprengel, die Schul- und Hochschulfürsorge, die Jugenddienste, das Arbeitsmarktservice, der soziale Wohnbau, die Hausfrauenrente, die Beiträge für die Übernahme von Versicherungszeiten, die Zusatzrente. Die Ausstattung der Autonomie mit finanziellen Mitteln ist Voraussetzung und Folge des Wirtschafts- und Sozialsystems. Südtirol hat einen eigenen autonomen Mix aus südlichen (inklusive Bildungsgesetzgebung, öffentlicher Gesundheitsdienst mit offener Psychiatrie) und nördlichen Elementen (universelle Mindestsicherung, Pflegesicherung, Familienleistungen) geschaffen. Das lebendige Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement und der Sinn für das Gemeinwohl sind wichtige Grundlagen.


Ressourcen werden knapp


Wie können wir das bewahren und weiterentwickeln? Allenthalben wird darauf hingewiesen, dass die Ressourcen knapp werden. Gleichzeitig wächst Ungleichheit. Von Süden und Osten kommen Menschen zu uns, die den Kriegen und der Armut entfliehen.

Ich sehen folgende Prioritäten:
a) Wirtschaft und Soziales sind gleichwertig.
Investitionen ins Soziale stärken den sozialen Zusammenhalt und dieser die Wirtschaft. Steuern zielen auf sozialen Ausgleich.
b) Das Leistungsniveau beibehalten.
Wir haben nichts überfinanziert. Die Leistungen sind im mitteleuropäischen Schnitt und einer reichen Region wie Südtirol angemessen. Reformen sollen das System vereinfachen und stärken und bestehende Lücken beseitigen.
c) Soziales Grundeinkommen:
Land, Region und Staat haben Grundsicherungsleistungen eingeführt, die nicht koordiniert sind. Das Land soll daraus ein soziales Grundeinkommen machen. Die Höhe des sozialen Grundeinkommens soll mit der Gesamtreform entschieden werden. Alles andere ist Flickwerk.
d) Familienleistungen:
Es gibt die Leistungen von Land, Region und Staat. Das Land soll alle Familiengelder in die Kompetenz des Landes übernehmen, Familiengeld und Kinderbetreuungsgeld trennen und mit den auszubauenden Diensten der Kinderbetreuung abstimmen.
e) Migration:
Südtirol ist ein reiches Land im Grenzgebiet. Der solidarische Umgang mit Migranten und Flüchtlingen ist uns Verpflichtung. Die grenzüberschreitende Optik (auch innerhalb der EUREGIO) ist erfolgversprechender und stärkt uns an allen Tischen. In der EU, interregional, auf Staatsebene.
f) Rechte:
Rechte, Ansprüche und Pflichten sind auf Gesetzesebene festzuschreiben und finanziell durch Einrichtung von Garantiefonds langfristig zu sichern. Neue Modelle der Bürgerversicherung und die Teil-Finanzierung aus der Bewirtschaftung von Gemeingütern (Wasserkraft, Energie) sollen angedacht und implementiert werden.
g) Plattform für Soziales:
Das Land ist für die Gestaltung und Verwaltung der Leistungen zuständig und koordiniert sie mit den staatlichen (INPS, INAIL), den regionalen Trägern (Pensplan, Zusatzrentenfonds, Zusatzgesundheitsfonds) und den EU-Stellen. Eine Landesplattform für Soziales soll eingerichtet werden, die Vorschläge unterbreitet, Innovation und Forschung anregt, EU-Gelder systematisch nutzt und im Verbund mit lokalen und überregionalen Forschungs- und Bildungseinrichtungen einsetzt.


Teilhabe und Beteiligung vieler


Wohlfahrt kann nur im Verbund gelingen: BürgerInnen, Zivilgesellschaft, Verbände, Sozialpartner, Fachkräfte, Dienste, Gemeinden, Bezirke, Land, Region, Staat, Forschung, lokale, überregionale/internationale Netzwerke. Eine auf Teilhabe und Beteiligung setzende Regie ist notwendig. Das Soziale und Sozialpolitik sind ohne diesen Zugang nicht möglich.
Text: Karl Tragust

KVW Aktuell

15 Jahre Bewegung bis ins Alter

Aktive Menschen bleiben länger jung
V.l. Maria Thaler Neuwirth, Lisl Lantschner, Maria 
Kußtatscher, Martha Stocker
Die Interessengemeinschaft „Bewegung bis ins Alter“ im KVW hat im Oktober ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert und zu diesem Anlass ihre Mitglieder, Bewegungsleiter und Ehrengäste zu einem abwechslungsreichen Vormittag mit Vorträgen, Musik und einem Gesamtüberblick auf die gebotene Tätigkeit eingeladen.
Nachdem bereits in den neunziger Jahren das Seniorentanzen im KVW erfolgreich eingeführt worden war, wurde das Bewegungsangebot erweitert, um die Gesundheit im Alter allgemein und nachhaltig zu stärken. Mit den Ausbildnerinnen Johanna Felsberger und Heidi Sereinig wurden Kurse organisiert, in welchen damals schon 47 Übungsleiterinnen das Zertifikat nach dem Programm des Deutschen Roten Kreuzes erwarben. Erste Hilfe und ein Zweitageslehrgang alle drei Jahre gehören auch zum Pflichtprogramm der Bewegungsleiterinnen.
Antriebsfeder der Interessengemeinschaft waren damals Lisl Lantschner und Marianne Bertagnolli, Karl Bachmann zusammen mit Maria Rinner, Anna Benedikter, Marianne Hofer, Paula Putzer und Ingrid Kramer. Marianne Hofer und seit kurzem Annemarie Seppi übernahmen danach die Vorstandsleitung, um die immer neuen Herausforderungen der Interessengemeinschaft wahrzunehmen.
Bewegte Geschichte

Die Pinnwände im Saal des Kolpinghauses in Bozen, von den Wipptaler Bewegungsleiterinnen Brigitte Holzner und Annemarie Seppi gestaltet, zeigten zahlreiche Ausschnitte und Bilder aus der „bewegten“ Geschichte dieser Initiative. Sie vermittelten die Wichtigkeit der Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit und einer nahen Betreuung, ob in Heimen, Turnhallen oder am Wohnort älterer Menschen. Denn Bewegung geht durch das Herz und die vielen gebastelten Filzherzen von Rosi Ferrari und Waltraud Lunger mit den Sprüchen „Mut zur Bewegung“, „Bewegung ist Leben“, „Bewegung macht Freude“ drückten genau diese Botschaft aus.
Die Entstehungsgeschichte von „Bewegung bis ins Alter“ ließen einige Mitglieder in einem Mundartgedicht Revue passieren.
Lustige Bewegungsübungen mit Waltraud Lunger, Maria Braun und Paula Putzer, ein Vortrag von Rosi Ferrari wechselten sich mit einem Taktapplaus ab und ein witziges Kurzspiel zwischen Jung und Alt der beiden Wipptalerinnen endete mit einer lehrreichen Pointe.
Bewegung ist Medizin

Dr. Valentina Vecellio, zertifizierte Sporttherapeutin an der Universitätsklinik Köln und Koordinatorin der Bewegungstherapie für onkologische Patienten in Südtirol, referierte über die positiven Wirkungen von Bewegung und Sport auf Atmung, Herz-Kreislauf, Muskulatur und Bewegungsapparat, die genauso wie ein Medikament, richtig dosiert, sowohl vorbeugend als auch therapeutisch im Rahmen eines gesunden Lebensstils zu verabreichen sind.
Dr. Wenter, Primar der Geriatrie in Meran, lobte den großen Einsatz und die Kompetenz der Interessengemeinschaft, rügte aber die Institutionen, die solche wertvollen Unternehmungen oft schlichtweg übersehen. Auch Landesrätin Martha Stocker gab ihre Begeisterung für die Initiative zum Besten. Alle Ehrengäste erhielten einen Gutschein für eine Schnupperstunde in einer Seniorengymnastikgruppe in ihrer Nähe.
Schließlich stießen alle auf das Jubiläum an und unterhielten sich noch eine Weile am reichhaltigen Buffet.
Nun heißt es wieder anpacken und die neu geschmiedeten Pläne für die Zukunft umsetzen, damit beim nächsten Jubiläum wieder viele bewegte Augenblicke gefeiert werden können.