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Die Macht der Wörter

Viele möchten die vermeintliche „Macht der Sprache“ für sich nutzen: Wirtschaft und Werbung um zu verkaufen, Politiker um zu überzeugen und Meinungsmacher um andere zu beeinflussen. Doch es sind nicht die Wörter selbst, die über Macht verfügen, sondern die Beziehungen unter den Menschen, die Wörtern Macht verleihen – oder auch nicht.
Ein gut 
formuliertes 
Pro und Contra führt bei Diskussionen eher zu 
einem Ergebnis.
Monika Obrist,
Sprachstelle im Südtiroler Kulturinstitut
Sprache ist eines der Mittel, durch die sich Macht ausdrückt: Möchte ich, dass jemand still ist, kann ich das durch eine Geste zeigen oder mehr oder deutlich sagen: „Sei still!“ Ob dies auch wirkt, hängt von der Machtbeziehung der Beteiligten ab. Als Elternteil oder Lehrperson verfügt man über jene Autorität, die diesen Befehl einem Kind gegenüber rechtfertigt. Das Kind stellt sich aber schnell die Frage: Und was passiert, wenn ich nicht still bin? Es ist also nicht so einfach, jemanden durch Sprache zu einer Handlung zu verleiten. Auch Gesetzestexte sind nichts anderes als die verschriftlichte „Macht“ eines Staates. Ob sie auch eingehalten werden, hängt auch von der Bereitwilligkeit des einzelnen ab und davon, was bei Verstößen passiert.
Manipulation durch Sprache
Bei einem Experiment haben Testpersonen denselben Tee anders beurteilt, je nachdem, ob er mit dem Namen „Tropical Feeling“ oder „Vor dem Kamin“ angeboten wurde. Wörter haben also einen gewissen Einfluss auf unsere Sicht der Dinge. Was wir mit Wörtern verbinden, kann aber sehr unterschiedlich sein. Der eine denkt bei „Tropical“ vielleicht an süße Ananas, der andere an schwüle Hitze und Mücken. Es ist also nicht so leicht, Menschen durch Wörter zu steuern. Wenn Machthaber die zivilen Opfer eines Krieges als „Kollateralschaden“ bezeichnen, ist dies der Versuch, die Dinge besser aussehen zu lassen als sie sind. Mit ein bisschen kritischem Verstand sind solche Manipulationsversuche durch verharmlosende Wörter aber schnell durchschaut.
Überzeugen durch Sprache
Die Rhetorik will uns lehren, wie man mit Sprache überzeugen kann. Die Wahlsprüche „Yes, we can“ von Barack Obama oder „America First“ von Donald Trump mögen zum Wahlerfolg dieser Präsidenten beigetragen haben. Die Kunst guter Reden und Texte sollten wir aber nicht nur kritisch im Sinne von Propaganda und Verführung sehen. Im Gegenteil, wir sollten uns verstärkt wieder der Kunst des Argumentierens zuwenden. Gut formulierte Argumente für und wider eine Sache führen unsere Debatten nämlich eher zu einem Ergebnis als Stammtischparolen und Bauchgefühle.
Kränkung durch Sprache
Wir alle wissen, wie sehr ein Satz, ein Wort oder eine Geste guttun oder verletzen können – bis hin zu verbaler Gewalt. Auch dies hängt nicht nur von den Wörtern, sondern von den Beziehungen zwischen den Menschen ab. Jemanden als „Flegel“ zu bezeichnen, ist kein Kompliment. Handelt es sich bei dem „Flegel“ um einen Pubertierenden, zieht er diese Beschimpfung einem Lob wie „braver Schüler“ aber vielleicht vor. Umgekehrt kann gut Gemeintes auch missverstanden werden. Lobt jemand das Aussehen einer Frau, könnte diese gekränkt sein: „Bei uns Frauen zählt immer nur das Äußere, niemand sieht meine anderen Stärken.“ Ist Schweigen also Gold? Nein, auch Schweigen kann verletzen.
Die „Macht der Wörter“ hängt also letztlich von den Menschen ab, die sie verwenden und an die sie sich richten. Nicht schaden kann es daher stets, sich zu überlegen, wie die Worte anderer gemeint sein könnten bzw. wie die eigenen Worte auf andere wirken könnten. Leichter gesagt als getan!
Text: Monika Obrist

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Die Macht der Worte oder was die falsche Wortwahl eines Journalisten anrichten kann
Zeitungen, die sich am Kiosk verkaufen müssen, versuchen es mit reißerischen Überschriften ud Übertreibungen
Thomas Angerer,
KVW Beziriksvorsitzender von Bozen
Worte erzeugen Bilder im Kopf, lösen Gefühle aus, können verletzten oder begeistern.
Wie wichtig die Wortwahl heutzutage in der Welt der Medien ist und was passieren kann, wenn danebengegriffen wird, dazu schreibt Thomas Angerer. Er ist KVW Bezirksvorsitzender von Bozen, seit über 30 Jahren Radiomoderator und Reporter und täglich gefordert, das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt zu finden.
Wann wurde Ihnen zum ersten Mal so richtig bewusst was Worte anrichten können?
Angerer: Ich war bei einer Südtiroler Segelregatta in Kroatien und berichtete live von einem Boot aus. Dabei sah ich wie zwei Boote zusammenkrachten. Ich dirigierte unser Boot zum Unglücksort und machte dort einige Interviews. Eigentlich gab es nur Sachschaden, aber die Interviews und meine etwas aufgeregte Stimme vermittelten den Radiohörern in Südtirol, dass da wohl etwas Gröberes passiert sei. Die Folge waren besorgte Anrufe bei den Bootsbesatzungen und die Frage, ob wohl alles in Ordnung sei.
Worte haben also eine große Macht auf unser Verhalten und können durchaus zu emotionalen Stress führen.
Angerer: Ja, als Radiomacher sind uns Emotionen wichtig. Die Hörer sollen miterleben, was der Reporter vor Ort sieht. Das sind aber für den Berichterstatter auch stressige Momente, wo er seine Gefühle unter Kontrolle haben und Emotionen wohldosiert an die Hörer abgeben muss. Sonst passiert es, dass er ein Bild zeichnet, das eben nicht der Wahrheit entspricht.
Gerade in der Früh ist eine positive Grundstimmung bei uns Menschen wichtig. Die kann aber schnell vermiest werden, wenn man im Verkehrsstau steht.
Angerer: Über den Stau in der Frühsendung zu schimpfen, ist kontraproduktiv. Den Menschen, die im Stau stehen, geht es deshalb nicht besser. Ihnen zu erklären, warum es zu den Staus kommt, macht mehr Sinn. Jeden zu Wort kommen lassen, Autofahrer wie Straßenarbeiter sichert Chancengleichheit und ist eigentlich das oberste Gebot eines Berichterstatters.
In den sozialen Medien wie z.B. Facebook und Co werden Worte allerdings schnell mal hingeschrieben ohne lange darüber nachzudenken, ob sie verletzen oder nicht.
Angerer: Ja, und hier hinken wir etwas nach. Denn ein Journalist, der eine Geschichte recherchiert, muss am Ende prüfen, ob das, was er geschrieben hat oder sagt, auch stimmt. Das geht deutlich langsamer als ein schnell hingeschriebener Satz auf Facebook. Hier kommen gerade Zeitungsmacher ordentlich unter Druck. Onlinemedien können schneller reagieren, sind aber anfälliger für „Fake News“.
Ein geflügeltes Wort unter den Medienleuten besagt, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Da werden dann härtere Worte eingesetzt, um eine ordentliche Schlagzeile zu machen.
Angerer: Packende Überschriften laden zum Lesen ein. Der Markt ist gerade bei den Zeitungen sehr umkämpft. Die Tendenz zur Skandalisierung, Übertreibung und Zuspitzung ist vorhanden. Wie stark diese Faktoren vorkommen, hängt von der Ausrichtung des Mediums ab. In eigenen Kursen werden wir Journalisten geschult, unsere Wörter mit Bedacht einzusetzen. Eigentlich müsste jeder wissen, welche Verantwortung er oder sie gegenüber den Hörern, Sehern und Lesern hat.
Eine ausgewogene Berichterstattung kann durchaus spannend und interessant sein. Klar muss man da ein wenig die Geschichte im Auge behalten. Geschichten, die nicht viel hergeben, können mit knackigen Formulierungen aufgepeppt werden. Das kommt immer wieder vor. Ich halte mich da lieber an Fakten, die belegbar sind und lasse beide Seiten zu Wort kommen.
Text: Thomas Angerer