WALD

Im Wald baden

Bei einem Waldspaziergang die heilenden Kräfte des Waldes erfahren
Ein Spaziergang im Wald ist gut für den Körper und die Seele. Dies spüren viele Menschen intuitiv. Nun hat die Forschung entschlüsselt, welche positive und heilende Wirkung der Wald auf unsere Gesundheit hat. Martin Kiem aus Prissian ist ausgebildeter Waldtherapie-Führer, Ausbilder in Alpinem Waldbaden und bringt Interessierten die wohltuenden Wirkungen des Waldes näher.


Waldbaden - damit ist ein ganz bewusstes Eintauchen in die Natur, die Stille eines Waldes gemeint. Den Begriff Waldbaden prägten in den 80er Jahren japanische Forscher, die erstmals die therapeutische Wirkung des Waldes untersuchten und feststellten, dass der Aufenthalt im Wald messbare heilende Wirkung auf die Patienten hat. Die Sauerstoffversorgung der Zellen wird verbessert, denn Waldluft ist besonders sauerstoffreich. Zusätzlich sinken durch das gleichmäßige, eher langsame Gehen nachweislich Blutdruck und Puls, Stresssymptome legen sich.
Durch den Wald zu gehen ist wie Medizin
Die Waldluft ist ein richtiger Heiltrank für unseren Körper. Die von den Bäumen abgegebenen Terpene sorgen dafür, dass unser Immunsystem neue Kraft tanken kann. So steigt nach einem längeren Aufenthalt im Wald nachweislich die Zahl bestimmter Abwehrzellen, die natürlichen Killerzellen. Sie sind nicht nur wichtig zur Bekämpfung von Viren und Bakterien sondern identifizieren vor allem Krebszellen und leiten deren programmierten Zelltod ein. Zusätzlich produziert der Körper unter dem Einfluss der Waldtherapie wesentlich mehr Proteine, die zusätzlich Krebszellen angreifen. Diese Anti-Krebs-Wirkung des Waldes entdeckten wiederum japanische Wissenschaftler. Sie schickten junge, gesunde Frauen auf eine Waldwanderung. Bereits nach zwei Stunden Waldspaziergang, waren bei den Probandinnen die Anzahl der Killerzellen schon um 50 Prozent erhöht, die noch sieben Tage danach nachweisbar waren.
Bühne frei für den Wald
Außerdem sorgt der Wald mit seinen vielfältigen Ausdrucksformen dafür, dass sich unsere im Alltag und Beruf zielgerichtete Fokussierung in eine ziellos entspannte Aufmerksamkeit wandelt. Dies wiederum regeneriert unsere Fähigkeit der Konzentration, die wir für Beruf und Alltag benötigen. Und nicht zuletzt entspannt der Blick ins Grüne und wirkt beruhigend.
„Wenn wir in den Wald gehen, dann erhalten wir viele Eindrücke, die wir oft gar nicht wahrnehmen, weil unser Kopf vielfach auf Autopilot schaltet“, erklärt Martin Kiem. „Daher biete ich beim Waldbaden mit einer Kombination aus körper- und sinneszentrierten Übungen eine Möglichkeit an, um die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper zu bringen.“ Die Aufmerksamkeit sei wie eine Taschenlampe und diese versuche er auf die Sinne zu lenken. „Über die Sinne haben wir die einzige Möglichkeit uns mit der Umwelt zu verbinden“. Denn Kiem weiß, dass auch beim Spaziergang in der Natur die meisten Menschen den eigenen Gedanken nachhängen und über 60 Prozent von dem, was sich um sie herum abspielt, gar nicht richtig wahrnehmen. „Denken und erleben gleichzeitig geht nicht. Wenn ich an etwas anderes denke, schließen sich meine Sinnestüren und ich verpasse den Wald“, so Kiem. Wir sollten die Bühne freigeben für den Wald, ansonsten sei die Bühne frei für das Kopfkino, das bei den meisten Menschen eher problembehaftet sei und sich wie in einer sich ständig wiederholenden Dauerschleife befände. Kiem leitet seine TeilnehmerInnen mit einfachen Übungen an wie dem Barfußlaufen, der Sitzplatzübung und der Baumatmung den Wald bewusst wieder in den Vordergrund zu rücken. „Zum Barfußgehen gibt es eine Vielzahl an Studien, welche die positiven Wirkungen auf unseren Körper aufzeigen“, erklärt Kiem. Das sei Steinzeitmedizin. Die Erdoberfläche hat eine negativ geladene Überschussladung. Wenn wir barfuß gehen können wir diese überschüssigen Elektronen absorbieren. Da in unserem Körper Nerven- und Gehirnfunktionen über elektrische Signale übertragen werden, können so etliche Körperfunktionen beeinflusst werden. Die Blutviskosität, der Stresspegel, Entzündungen und der Cortisolspiegel gehören zu einigen Körperfunktionen, die durch das Barfußlaufen positiv beeinflusst werden. Bei wiederholtem Erden kann auch das Schlafhormon Melantonin eingependelt werden, was die Schlafqualität nachweislich verbessert. Tragen wir jedoch Schuhe mit Kunststoff- oder Gummisohlen und gehen auf Asphalt, Teppichen, Holz- oder Kunststoffböden, wird diese elektrische Weiterleitung gestört. Diese Materialien sind Isolatoren, wie sie auch verwendet werden, um elektrische Drähte zu isolieren.
Schnittstelle Mensch – Natur ist Mangelware
„Wir müssen uns wieder mehr Freiräume für die Natur schaffen“, resümiert Kiem. Es gehe dabei nicht um Selbstoptimierung oder Leistung wie beim Sport sondern um die Qualität der Aufmerksamkeit. Der Mensch habe immer sehr mit der Natur zusammengelebt, sich aber in den vergangen Jahren davon entfremdet. Im Prinzip vermittle er als Waldtherapie-Führer nichts Neues, sondern trage das Wissen von Naturvölkern oder Bauern wieder weiter. Doch nicht er, sondern der Wald sei der Therapeut, sagt er. Er sei nur der Vermittler. Es gehe um die Interaktion des Menschen mit der Natur. Im Grunde genommen brauche es dafür auch keine Anleitung, schließlich sei jeder in der Lage alleine in den Wald zu gehen. Es gehe darum der Sehnsucht nachzugeben, sich mit der Natur zu verbinden um sich wieder lebendig zu fühlen. Es sei im Grunde genommen wie ein Heimkommen.
Übungen zum Waldbaden
1. Barfuß gehen: ist sehr stimulierend, denn die Fußsohle hat rund 200 Nervenenden pro Quadratzentimeter. Zusätzlich nehmen wir negativ geladene Elektronen über die Fußsohlen auf, welche die Gegenspieler zu den freien Radikalen sind.
2. Sitzplatzübung: Dazu sucht man sich einen Ort („magischen Ort“) in der Nähe, den man regelmäßig für 15 – 20 Minuten aufsucht. Dabei lässt man passiv die Außenwelt auf sich einwirken so, als würde man die Fenster einer Almhütte nach der Winterszeit wieder öffnen und die frische klare Luft hereinströmen lassen.
3. Baumatmung: Dazu steht man vor einem Baum und stellt sich vor wie der Baum das Kohlendioxid, das man ausatmet mittels Fotosynthese in Sauerstoff verwandelt und man beim Einatmen Sauerstoff von diesem Baum erhält.
Zur Person
FOTO: ©Tourismusverein Partschins, Helmuth Rier
Martin Kiem, studierte Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Innsbruck. Nach seinem Abschluss arbeitete er für viele Jahre als Coach und Psychologe in Sydney, Australien. Er besitzt internationale Zusatzausbildungen u.a. in Natur- und Waldtherapie.

WALD

Der Wald wird zum Sehnsuchtsort

Der Anonymität der digitalen Welt entfliehen
Die Südtiroler Wälder werden nachhaltig bewirtschaftet mit dem Ziel, die Waldressourcen zu schützen, zu erhalten und zu verbessern. - FOTO: Forstinspektorat Meran
Der Wald in Südtirol ist sehr naturnah und Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Damit dies auch so bleibt, wird er nachhaltig bewirtschaftet, damit auch zukünftige Generationen ihre Freude daran haben. Der Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume: Wer sich achtsam darauf einlässt, findet Ruhe und erlebt die stille Größe dieses Lebensraumes. Ein Gespräch mit Peter Klotz, Leiter des Forstinspektorats Meran.
Wie geht es dem Südtiroler Wald?
Peter Klotz: Dem Südtiroler Wald geht es momentan sehr gut. Wenn wir uns im Land umschauen, sehen wir durchwegs vitale geschlossene Waldbestände, die äußerlich sehr gesund aussehen. Es gibt einige Ausnahmefälle wie das Trockenereignis vor zwei Jahren im Vinschgau, wo großflächig das Kiefernsterben zu beobachten war. Das hat damit zu tun, dass durch extreme Klimaereignisse, wie in diesem Fall die Trockenheit, Sekundärschädlinge auftreten und den Wald bedrohlich befallen können. Die monatelange Trockenheit und der karge Standort haben viele Bäume zum Absterben gebracht. Der Vinschgau hat von der geschichtlichen Vergangenheit her noch großflächige Aufforstungsflächen v.a. mit Schwarzkiefern. Es ist mittlerweile zukunftsweisender den Wald naturnahe zu behandeln. Die Schwarzkiefer ist nicht eine heimische Baumart, die damals aber zur Verfügung stand und daher anfällig für Krankheiten ist.
Wie naturnah ist die Waldwirtschaft in Südtirol?
Peter Klotz: Südtirol hat im Landesforstgesetz und in den Durchführungsverordnungen sehr klar verankert, den multifunktionalen, naturnahen Waldbau zu betreiben und zu fördern. Man versucht die verschiedenen Interessen, die man an den Wald stellt, unter einen Hut zu bringen. Man fördert Wälder, die für die Zukunft sowohl ökologisch als auch mechanisch stabil sind, weil gerade mit der Klimaveränderung sich auch die Lebensbedingungen für die Bäume und Pflanzen ändern. Dabei soll man ja bedenken, dass gerade ein Baum, sofern man ihn nicht künstlich zu früh entnimmt, jahrhundertealt wird. Im Gegensatz dazu laufen unsere Veränderungen im Klima und in der Gesellschaft mittlerweile rasant ab. Die Förster waren die „Erfinder“ des Begriffs der Nachhaltigkeit. Wald bedeutet langfristig denken, über Jahrhunderte planen und handeln und nicht über Jahre, Monate, Tage oder gar Minuten, wie es in der digitalen Welt üblich ist.
Kann dieses Spannungsfeld auch ein Grund sein, weshalb der Wald in der Gesellschaft zum Thema geworden ist? Der deutsche Buchmarkt wird derzeit geradezu überschwemmt mit Büchern über den Wald.
Peter Klotz: Der Wald wird wieder zum Sehnsuchtsort. Hartmut Rosa spricht in seinem Buch „Resonanz“ von horizontalen Resonanzachsen zwischen Personen, diagonalen Resonanzachsen zwischen Mensch und Materialien und einer vertikalen Resonanzachse ins Transzentale nach oben. Ich glaube, dass der Mensch in der heutigen Zeit nicht nur nach neuen Erklärungen sucht, sondern dass der Wald auch wieder zum Ort wird der Natürlichkeit, der Entspannung, des Zu-sich-selber-Findens. Da offenbart sich der Wert, den der Wald in sich birgt, wieder stärker. Deshalb wundert es mich nicht, dass eine Antwort gesucht wird auf diese Schnelllebigkeit, auf die flüchtige digitale Welt. Meine Überzeugung ist, dass die Menschen im Wald wieder das Ganzheitliche finden können. Menschen suchen wieder nach einem Ausgleich zum Berufsleben, das oft durch formale Vorgaben sehr zerstückelt ist. Die Natur bietet auch deshalb diesen Ausgleich, weil Wälder als höchste Form komplexer Ökosysteme viele Eigenregulationsmechanismen haben, die in sich alle zusammen hängen und miteinander verwoben sind.
Die einen suchen Erholung im Wald und die anderen sehen den Wald als „Spielplatz“. Wird es nun durch die Zunahme der Freizeitaktivitäten im Wald wie Downhill, E-Bike und Mountainbike in manchen Wäldern „ungemütlich“ für diejenigen, die im Wald Ruhe tanken wollen?
Peter Klotz: Die Erholungsfunktion des Waldes ist schon seit langem in der Forstwirtschaft bekannt. Es ist massiv spürbar wie stark die Freizeitaktivität zunimmt, die wir auch in ihre Grenzen weisen müssen. Wir spüren häufig Nutzungskonflikte der verschiedenen Benutzergruppen. Alle anderen Nutzer dieser Lebensräume wie die Wildtiere sollten auf dieser Fläche auch noch ihren Platz haben.
Gibt es schon gesetzliche Regelungen für die Nutzung der Wälder?
Peter Klotz: Ich hoffe, dass es nicht für jede Art und Intensität von Freizeitnutzung eine Regelung geben wird. Eine einfache Regel könnte hier behilflich sein: Wenn ich in den Wald gehe, sollte ich daran denken: Ich bin dort ein Gast und sollte die dort üblichen Regeln und Gewohnheiten anwenden. Ich sollte die Natur respektvoll behandeln.
Wir sollten also achtsam sein?
Peter Klotz: Ich finde ein achtsamens Verhalten sehr wichtig für den, der in den Wald hineingeht. Wenn man im Wald alle Sinne öffnet, dann sieht man in kürzester Zeit so viele Dinge, die alles - vom Einfachen bis zum Transzendenten - in sich tragen und wo das Kleine gleichzeitig das Große in sich trägt, dass es nicht verwunderlich ist, dass Leute diesen Sehnsuchtsort Wald suchen. Wenn man abends mal die Stille im Wald förmlich „hören“ kann, dann kriegt man auch leichter den Respekt für dieses Umfeld und kann die Tiefe und Größe des Waldes erfahren.
Mit dem Wald sollte also sorgfältig umgegangen werden im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit des Waldes?
Peter Klotz: Mir ist immer der Respekt für den Wald wichtig, dass das Ökosystem Wald so behandelt wird, dass der Wald sich weiterentwickeln kann. Ich sehe den Wald nicht nur als Rohstofflieferant sondern auch in seiner enormen Vielfalt und den Leistungen, die uns der Wald sonst noch bietet. Es geht um die Einfühlung, um die Verbindung Wald – Mensch, auch in der Vorstellung, dass ich eine Gemeinschaft von vielen wertvollen Lebewesen, den Bäumen, Tieren, Pilzen und Kleinstlebewesen, vor mir habe, mit denen ich in irgendeiner Weise kommuniziere und dann auch interagiere. Dies geht wie in jeder Kommunikation nur durch Einfühlung, Wertschätzung und Respekt.
Sie sind auch ein Unterstützer der Waldkindergärten, warum?
Peter Klotz: Ich bin ein begeisterter Verfechter dieser Strukturen, weil die jungen Menschen dadurch die einmalige Chance bekommen eine ganzheitliche, natürliche Umgebung zu spüren und den Hausverstand entwicklen können. Sie lernen mit Komplexität umzugehen. Diese Komplexität findet man am besten in der Natur. Solche Empfindungen erleben zu dürfen ist ein wichtiger Mosaikstein zu einer gesunden Entwicklung der Persönlichkeit. Die Kinder machen die Erfahrung, dass zwischen zwei Elementen, der Natur und dem Menschen, etwas mehr entsteht als eine rein mechanistische abstrakte Verbindung.
Eignen sich die jungen Förster bereits in ihrer Ausbildung dieses Verständnis vom Wald an?
Peter Klotz: Die meisten Mitarbeiter bekommen eine spezialisierte Ausbildung in der Waldpädagogik. Die Ausbildung ist sehr breit gefächert zwische Aufsicht, Beratung und Bautätigkeit. Wir haben nämlich auch eine breite Kontaktfläche mit der Bevölkerung. Dazu zählen zum Beispiel die Waldtage, die Umweltbereiche, wir sind im Territorium sehr präsent und diskutieren die ermächtigten Eingriffe in der Landschaft, in den Regiearbeiten versuchen wir im Einklang mit der Natur zu handeln.
Zur Person
Peter Klotz, Amtsdirektor des Fortinspektorates Meran, studierte Forstwirtschaft an der Universität Padua.