Thema
Beide Seiten zu Wort kommen lassen
Die Macht der Worte oder was die falsche Wortwahl eines Journalisten anrichten kann
Zeitungen, die sich am Kiosk verkaufen müssen, versuchen es mit reißerischen Überschriften ud Übertreibungen
Thomas Angerer,
KVW Beziriksvorsitzender von Bozen
KVW Beziriksvorsitzender von Bozen
Worte erzeugen Bilder im Kopf, lösen Gefühle aus, können verletzten oder begeistern.
Wie wichtig die Wortwahl heutzutage in der Welt der Medien ist und was passieren kann, wenn danebengegriffen wird, dazu schreibt Thomas Angerer. Er ist KVW Bezirksvorsitzender von Bozen, seit über 30 Jahren Radiomoderator und Reporter und täglich gefordert, das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt zu finden.
Eine ausgewogene Berichterstattung kann durchaus spannend und interessant sein. Klar muss man da ein wenig die Geschichte im Auge behalten. Geschichten, die nicht viel hergeben, können mit knackigen Formulierungen aufgepeppt werden. Das kommt immer wieder vor. Ich halte mich da lieber an Fakten, die belegbar sind und lasse beide Seiten zu Wort kommen.
Text: Thomas Angerer
Wie wichtig die Wortwahl heutzutage in der Welt der Medien ist und was passieren kann, wenn danebengegriffen wird, dazu schreibt Thomas Angerer. Er ist KVW Bezirksvorsitzender von Bozen, seit über 30 Jahren Radiomoderator und Reporter und täglich gefordert, das richtige Wort zum richtigen Zeitpunkt zu finden.
Wann wurde Ihnen zum ersten Mal so richtig bewusst was Worte anrichten können?
Angerer: Ich war bei einer Südtiroler Segelregatta in Kroatien und berichtete live von einem Boot aus. Dabei sah ich wie zwei Boote zusammenkrachten. Ich dirigierte unser Boot zum Unglücksort und machte dort einige Interviews. Eigentlich gab es nur Sachschaden, aber die Interviews und meine etwas aufgeregte Stimme vermittelten den Radiohörern in Südtirol, dass da wohl etwas Gröberes passiert sei. Die Folge waren besorgte Anrufe bei den Bootsbesatzungen und die Frage, ob wohl alles in Ordnung sei.
Worte haben also eine große Macht auf unser Verhalten und können durchaus zu emotionalen Stress führen.
Angerer: Ja, als Radiomacher sind uns Emotionen wichtig. Die Hörer sollen miterleben, was der Reporter vor Ort sieht. Das sind aber für den Berichterstatter auch stressige Momente, wo er seine Gefühle unter Kontrolle haben und Emotionen wohldosiert an die Hörer abgeben muss. Sonst passiert es, dass er ein Bild zeichnet, das eben nicht der Wahrheit entspricht.
Gerade in der Früh ist eine positive Grundstimmung bei uns Menschen wichtig. Die kann aber schnell vermiest werden, wenn man im Verkehrsstau steht.
Angerer: Über den Stau in der Frühsendung zu schimpfen, ist kontraproduktiv. Den Menschen, die im Stau stehen, geht es deshalb nicht besser. Ihnen zu erklären, warum es zu den Staus kommt, macht mehr Sinn. Jeden zu Wort kommen lassen, Autofahrer wie Straßenarbeiter sichert Chancengleichheit und ist eigentlich das oberste Gebot eines Berichterstatters.
In den sozialen Medien wie z.B. Facebook und Co werden Worte allerdings schnell mal hingeschrieben ohne lange darüber nachzudenken, ob sie verletzen oder nicht.
Angerer: Ja, und hier hinken wir etwas nach. Denn ein Journalist, der eine Geschichte recherchiert, muss am Ende prüfen, ob das, was er geschrieben hat oder sagt, auch stimmt. Das geht deutlich langsamer als ein schnell hingeschriebener Satz auf Facebook. Hier kommen gerade Zeitungsmacher ordentlich unter Druck. Onlinemedien können schneller reagieren, sind aber anfälliger für „Fake News“.
Ein geflügeltes Wort unter den Medienleuten besagt, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Da werden dann härtere Worte eingesetzt, um eine ordentliche Schlagzeile zu machen.
Angerer: Packende Überschriften laden zum Lesen ein. Der Markt ist gerade bei den Zeitungen sehr umkämpft. Die Tendenz zur Skandalisierung, Übertreibung und Zuspitzung ist vorhanden. Wie stark diese Faktoren vorkommen, hängt von der Ausrichtung des Mediums ab. In eigenen Kursen werden wir Journalisten geschult, unsere Wörter mit Bedacht einzusetzen. Eigentlich müsste jeder wissen, welche Verantwortung er oder sie gegenüber den Hörern, Sehern und Lesern hat.Eine ausgewogene Berichterstattung kann durchaus spannend und interessant sein. Klar muss man da ein wenig die Geschichte im Auge behalten. Geschichten, die nicht viel hergeben, können mit knackigen Formulierungen aufgepeppt werden. Das kommt immer wieder vor. Ich halte mich da lieber an Fakten, die belegbar sind und lasse beide Seiten zu Wort kommen.
Text: Thomas Angerer