Kommentar

„Reddito di cittadinanza“ in Südtirol

Mindestsicherung ist für Italien neu
Rund 1,43 Millionen Familien werden nach Angaben der italienischen Regierung von der Einführung der Mindestsicherung ab April profitieren. Die Einführung dieser für Italien neuen Mindessicherung würde der Staatskasse 8,5 Milliarden Euro kosten. Die Mindestsicherung von 780 Euro pro Monat soll ab dem 1. April an all jene volljährigen Staatsbürger ausgezahlt werden, die ein Einkommen von weniger als 6.000 Euro pro Jahr beziehen und in den Arbeitsvermittlungszentren eingeschrieben sind. Südtirol hat die primäre Zuständigkeit für die öffentliche Fürsorge und Wohlfahrt und hat eine Mindessicherung bereits seit Jahrzehnten.
Karl Tragust
Was ist das soeben von der Regierung mit G.D, vom 28.1.2019, Nr. 4 eingeführte „Reddito di cittadinanza“? Ich schlage den Begriff Mindestsicherung vor. Die Übersetzung „Bürgereinkommen“ ist irreführend. Es handelt sich im deutschen Sprachgebrauch um eine Leistung der bedarfsgerechten Mindestsicherung. Über die Mindestsicherung soll den Betroffenen eine Leistung zur Befriedigung der Lebengrundbedürfnisse zustehen. Bedarfsgerecht bedeutet: Anspruch haben nur jene, deren Haushaltsgemeinschaft wegen ihrer Einkommens- und Vermögensituation „bedürftig“ ist, und welche ihrer Pflicht zur Selbsthilfe nachkommen, also zumutbare Arbeitsangebote annehmen. Wer nicht „bedürftig“ und nicht „arbeitswillig“ ist und nicht eine 10-jährige Ansässigkeit nachweisen kann, hat keinen Anspruch.
Es ist kein bedingungsloses Grundeinkommen
Die Berücksichtigung der Haushaltsgemeinschaft bei der Bedarfsprüfung bedeutet, dass Unterhaltspflichten und -rechte eine Rolle spielen. Die Leistung ist also weit vom bedingungslosen Grundeinkommen entfernt. Bedingungslos würde bedeuten, dass jede/r unabhängig von seiner familiären und ökonomischen Situation Anspruch auf eine monatliche Leistung von der öffentlichen Hand hat. Diese Mindestsicherung garantiert das nicht.
Das Arbeitsministerium und das Nationalinstitut für soziale Fürsorge INPS/NISF arbeiten zurzeit auf Hochtouren, um das Versprechen einzuhalten, die Mindestsicherung schnell auszuzahlen. Allerdings bezweifle ich, dass übermäßige Eile ein guter Ratgeber ist.
Südtirol hat bereits Mindestsicherung
Und was bedeutet das für Südtirol, welches mit dem LG vom 26. Oktober 1973, Nr. 69 „Maßnahmen zugunsten der Grundfürsorge in der Provinz Bozen“, den nachfolgenden Anpassungen, dem Sozialen Mindesteinkommen und dem Mietgeld eine soziale und finanzielle Mindestsicherung garantiert?
Primäre Zuständigkeit hat das Land
In Südtirol gibt das Autonomiestatut dem Land die primäre Zuständigkeit für die „Öffentliche Fürsorge und Wohlfahrt“. Das Land hat die Zuständigkeit genützt, Maßnahmen gesetzt und sie mit den Mitteln der Autonomie finanziert. Die Staatsgesetzgebung stand dabei nicht im Wege. Italien hat erst mit dem zitierten GD 4/2019 eine staatliche Mindestsicherung geregelt, welche annähernd an das Niveau der Landesmindestsicherung herankommt. Die früheren zaghaften Versuche (das SIA: Sostegno per l’inclusione attiva 2016, das REI: Reddito di inclusione 2017) waren kein Thema, weil sie mit den Leistungen des Landes nicht konkurrieren konnten, wenn auch beim REI, welches über das INPS/NISF verwaltet wird, bereits ein Bruch im einheitlichen autonomen Landessystem akzeptiert wurde. Und so bereits heute zwei Mindestsicherungskompetenzen in Südtirol existieren: Jene des Landes, welche über die Gemeinden/Sozialsprengel abgewickelt werden und jene des Staates, die über die Gemeinden/ Sozialsprengen/INPS/NISF abgewickelt werden. Das führt zu parallelen Zuständigkeiten, Verwirrung und Ineffizienzen.
Fürs Land Südtirol besteht Handlungsbedarf
Jetzt die staatliche Mindestsicherung beim Staat/INPS/NISF zu belassen, wäre ein arger Bruch in der Sozial- und Autonomiepolitik des Landes. Dabei scheint der Staat die Befugnisse der autonomen Regionen und Provinzen durchaus respektieren zu wollen: im Finanzgesetz 2019 und im GD 4/19 sind die Schutzklauseln für die autonomen Befugnisse enthalten. Natürlich ist das im Detail zu verhandeln und die auch für Südtirol wichtigen Neuerungen und Schnittstellen mit dem Staat abzuklären. Das ist dringend und sollte die Grundlage für ein neues Landesgesetz bilden.
Staat gibt Mindeststandards vor
Das Land soll hier also schnell gesetzgeberisch tätig werden. Die finanzielle Grundsicherung ist inzwischen komplex und auf Land, Region und Staat verteilt. Die neue Staatsgesetzgebung definiert Mindeststandards (livelli essenziali) an welche das Land gebunden ist. Höhere Standards des Landes sind möglich. Für immer mehr Menschen wird wegen des rapiden Wandels der Arbeits- und Lebensbedingungen die Mindestsicherung ein wichtiger Sicherungsbereich.
Es braucht eine starke lokale Wohlfahrt
Das Land soll sich auch vom Umstand nicht einbremsen lassen, dass das GD 4/19 Maßnahmen enthält, welche die Niedrigrenten (pensione di cittadinanza) anheben und Unterstützungen für Betriebe vorsehen, die arbeitslose Mindestsicherungsempfänger einstellen und deren Umschulung finanzieren. Das erschwert zwar die korrekte Einordnung ins autonome Wohlfahrtsgefüge des Landes, weist aber eine wichtige Tür in die Zukunft: Das Land, die Region, der Staat müssen eine starke lokale Wohlfahrt bauen, welche die Schnittstellen zwischen staatlicher Sozialversicherung (Renten, Arbeitslosigkeit, Unfall, Familiengeld) und steuerfinanzierter universeller Grundsicherung (Mindestsicherung, Pflege, Familienleistungen, Bildungsförderung, Wohnen) in ein abgestimmtes lokales Gesamtsystem bringen. Die bereits vorhandene aber nicht umgesetzte Durchführungsverordnung zum Autonomiestatut über die Übertragung ans Land der Leistungen bei Arbeitslosigkeit und das seinerzeitige Konzept (unter Otto Saurer, 2002) für die Errichtung einer Autonomen Sozialversicherungsanstalt in Südtirol weisen in diese Richtung.
TEXT: Karl Tragust

KVW Aktuell

Arche im KVW bringt Landesrätin Deeg ihre Anliegen vor

Gestaltung des Wohnbaufördergesetzes, Pilotprojekt für leistbares Wohnen
Eine Delegation der Arche im KVW mit der Obfrau Ulrike Thalmann, den MitarbeiterInnn Lisa Ploner und Leonhard Resch sowie KVW Geschäftsführer Werner Atz haben die neue Landesrätin für Wohnbau, Waltraud Deeg, besucht.
Die Arche im KVW darf auf eine lange und gute Zusammenarbeit mit Deeg zurückblicken. Als Stadträtin in Bruneck war Deeg für den geförderten Wohnbau zuständig und hat sich gemeinsam mit der Arche im KVW darum bemüht, dass Familien ihre eigenen vier Wände realisieren konnten.
Beim Besuch haben die VertreterInnen der Arche die Meilensteine der vergangenen 20 Jahre Revue passieren lassen, die aktuellen Projekte vorgestellt und vor allem darüber gesprochen zu welchen Bereichen sich die Arche im KVW in den kommenden Jahren gerne einbringen möchte.
Zum Thema „leistbares Wohnen“ möchte die Arche im KVW zusammen mit Land, Gemeinden und der Wirtschaft ein Pilotprojekt mit Modellcharakter starten.
Das Nutzen von bestehenden Bauvolumen in Zentrumsnähe war und ist der Arche im KVW ein großes Anliegen. Zu diesem Thema möchte die Arche im KVW gemeinsam mit der Landesrätin, der Plattform Land und anderen Akteuren Möglichkeiten aufzeigen wie leer stehende Gebäude für den geförderten Wohnbau genutzt werden können.
Die Obfrau der Arche im KVW deponierte den Wunsch die Erfahrungen aus 20 Jahren Arbeit im geförderten Wohnbau auch in die Gestaltung der zukünftigen Wohnbauförderung, das geplante neue Wohnbauförderungsgesetz einbringen zu dürfen.
Der Arche im KVW ist es ein großes Anliegen das aktuelle Wohnbauförderungsgesetz bzw. die entsprechenden Durchführungsbestimmungen an einigen Punkte so abzuändern, dass der Grundgedanke des Gesetzes beibehalten wird, als unnötig erachteter bürokratischer Aufwand jedoch reduziert wird. Ein solcher Punkt wäre zum Beispiel ein Änderungsvorschlag der die Umsetzung des Bauprogramms für den Mittelstand vereinfachen und wesentlich verkürzen könnte.Landesrätin Deeg hat die Anliegen und Wünsche der Arche im KVW aufgenommen wird diese mit ihrem neuen Team besprechen.
Viele der vorgebrachten Punkte decken sich mit Themen, die auch der Landesrätin ein Anliegen sind, weshalb auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit gehofft werden darf.