Spezial

Von besonderen Begegnungen

Der Weg ist ebenso wichtig wie das Ziel
„Reisen ist auf den Horizont zugehen, den anderen treffen, kennen, entdecken und reicher zurückkommen als zu Beginn der Reise. (Luis Sepúlveda)
Warum sie pilgern und wie sie überhaupt dazu gekommen sind, darüber berichten hier drei erfahrene Pilgerinnen.
Noch 33 Kilometer bis Rom: Verena Kasslatter auf der Via Francigena 

Text und Fotos: Verena Kasslatter


Ich fühle mich eingebettet zwischen Himmel und Erde


Das Zitat von Luis Sepulveda (siehe Bild oben) steht auf meinem T-Shirt des Pilgerweges Via Francigena … und genauso empfinde ich es jedes Mal, wenn ich von meiner Pilgerreise wieder nach Hause zurückkehre. Reicher an Impressionen, Entdeckungen, Erfahrungen, aber auch an Erkennungen der eigenen Grenzen und der eigenen Persönlichkeit. Es sind auch die Zufälle, die manchmal an Wunder grenzen. Dankbarkeit. Vertrauen. Begegnungen. Neue Impulse geben und erhalten.
Die Via Francigena verbindet die Stadt Canterbury in Großbritannien mit Rom. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts reiste Sigeric, der damalige Erzbischof von Canterbury nach Rom zum Papst, und seitdem gibt es diesen Pilgerweg. Es ist, hoffentlich noch lange, ein sehr ruhiger Pilgerweg. Er läuft zumeist auf wunderschönen Wanderwegen und vermeidet, wo es möglich ist, stark befahrene Straßen. Man begegnet Dörfern, in denen die Zeit stehen geblieben ist.
Auf die vergangenen vier Jahre aufgeteilt, bin ich bis jetzt mit meiner Freundin von Pontremoli bis Rom und von Aosta nach Vercelli gelaufen.
Wieso macht man so was? Das fragen mich viele. Das frage ich mich auch jedes Mal am dritten Tag meiner Pilgerreise. Das ist nämlich der schlimmste Tag! Da fühlt man sich eigentlich kaputt. Aber dann am vierten Tag, wenn ich aufgestanden bin, freue ich mich schon wieder auf den Tag, auf das, was ich wieder kennenlernen darf. Es ist soooo spannend! Es ist Tag für Tag das neue Aufbrechen. Die vielen kräftigen Farben der Blumen, das Grün der Bäume und Wiesen, das Blau des Himmels. Das Wahrnehmen mit allen Sinnen. Die Ruhe, die Luft, das Licht. Ein Ziel zu haben und Schritt für Schritt darauf zuzugehen, eingebettet sein zwischen Himmel und Erde, auf Wegen, die scheinen in den Himmel hineinzugehen. Das Langsame und die gleichmäßigen Bewegungen, die das Wandern darstellen, empfinde ich wie Balsam für die Seele. Das Treffen von anderen Pilgern aus aller Welt mit der gleichen Passion, die Leute der Dörfer, die dir zuwinken und „Buon cammino!“ zurufen. Oft waren wir auch für lange Zeit nur wir zwei und ein paar Vögel oder Eidechsen. Das Reduzieren auf das Wesentliche. Man erkennt, wie man nur mit wenigen Dingen im Rucksack zurecht kommt. Vier Dinge werden wichtig: Trinken, Essen, Schlafen und wo ist die nächste Markierung!
Ruben Blades, ein Sänger aus Panama, sagt folgendes: „Il senso del viaggio sta nel fermarsi ad ascoltare chiunque abbia una storia da raccontare. Camminando si apprende la vita, camminando si conoscono le cose, camminando si cura la ferita che lascia il passato.“
Beim Pilgern fand Annemarie Trojer Antworten auf offene Fragen und den Weg zurück ins Leben.
Text und Foto: Annemarie Trojer


Pilgern bedeutet für mich „Beten mit den Füßen“


Schwere Schicksalsschläge in der Vergangenheit, der Verlust von Mann und Tochter nach schwerer Leukämieerkrankung innerhalb weniger Jahre, verlangten nach einer Neuorientierung in meinem Leben und der Aufarbeitung von offenen Fragen.
In diesem tiefen Loch fand ich beim Pilgern Antworten auf diese Schicksalsschläge und mein Leben konnte ich wieder „Schritt für Schritt“ zurückgewinnen.
Wer sich mit Gepäck auf den Weg macht und offen für das ist, was der Tag bringt, wird reich beschenkt:
Durch die Begegnungen mit Menschen und mit der Natur, durch die Stille in den Kirchen am Weg. Spüren wie man frei wird von unnötigem Ballast, den man mit sich getragen hat. Das Spüren von Dankbarkeit und Demut, was mir mein eigenes Leben tatsächlich bedeutet und mir im Alltag wieder geben kann.
Ein Pilgerweg ist kein Weg, dem man entlanggeht, um irgendwann, irgendwo anzukommen. Er ist vielmehr ein Weg der Kraft, ein meditativer Weg, der einen trägt und wirklich führt.
Ein Weg, den man lieben lernt und der mir Vertrauen und Dankbarkeit in meinem Leben wieder zurückgebracht hat.
Text und Foto: Barbara Piazzi


Die Erlebnisse in der Natur faszinieren mich


Seit einigen Jahren habe ich das Pilgern für mich entdeckt und begebe mich auf eine Reise mit mir selbst. Ich pilgere gerne alleine, da ich so noch intensivere Momente erleben kann. Meine Pilgerreisen führten mich nach Spanien zum bekannten Camino Francès (Jakobsweg) und der Via Podiensis in Frankreich. In Italien habe ich den Franziskusweg in mehreren Abschnitten zurückgelegt. Der Franziskusweg ist nicht so begangen wie der Jakobsweg und so bin ich dort im November in 10 Tagen nur einem einzigen Pilger begegnet. Beim Pilgern fasziniert mich der intensive Kontakt zur Natur, dass ich den ganzen Tag im Freien bin und Schritt für Schritt die Landschaft entdecken kann. Das Gespräch zu anderen Pilgern ergibt sich oft ganz von alleine, auch wenn Sprache, Alter oder Gehrhythmus verschieden sind. Meine Unterkünfte suche ich mir unterwegs spontan aus. In meinem Rucksack kann ich nur ein begrenztes Gewicht tragen, und so ist es erstaunlich, mit wie wenig man in dieser Zeit auskommt. Durch die gleichmäßigen Bewegungen beim Gehen wird der Kopf frei, viele Gedanken, die im Alltag keinen Raum finden, kommen hoch und klären sich.
Barbara Piazzi begibt sich beim Pilgern auf eine Reise mit sich selbst.

Thema

Steuersenkungen klingen gut

Wichtig ist die Frage, wo dann weniger augegeben werden soll
An der Steuerschraube zu drehen hat stets Auswirkungen auf die Höhe der Einnahmen.
Jede und jeder wünscht sich, weniger Steuern zu bezahlen. Leider bleibt bei diesem Wunsch die Frage unbeantwortet, wo dann das Geld bei den öffentlichen Ausgaben eingespart werden soll.

Text: Werner Steiner

Steuern werden erhoben, damit das Allgemeinwohl einer Gesellschaft finanziert werden kann. In der heutigen Zeit erlebe ich eine gespaltene Situation: die Anforderungen an das, was öffentlich finanziert werden soll, steigen. Es gilt gemeinsam gegen die drohende Klimaerwärmung vorzugehen, den Terrorismus einzudämmen verbunden mit dem Ruf nach mehr Sicherheit durch den Staat und nicht zuletzt auch den sozialen Ausgleich für jene Menschen zu garantieren, die es nicht aus eigener Kraft bis zum Monatsende schaffen. Staatsverdrossenheit durch neoliberale Politik und Steuerdruck durch die beinahe ausschließliche Besteuerung des Einkommens führen zu einer Steuermüdigkeit bei den Bürgern. Dass Geld nur ein Zahlungsmittel ist und wir uns an nachhaltigen, fairen und demokratischen Unternehmen orientieren sollten, fällt uns schwer. Ich bin überzeugt, dass kleine Kreisläufe viel zur Verbesserung unserer Lebensqualität und auch zu menschenwürdiger Arbeit beitragen können.
Wie wir aus den Medien entnehmen konnten, möchte die Landesregierung einige „Steuermaßnahmen für den sozialen Ausgleich“ einführen. Das klingt zunächst vielversprechend und gar einige werden diese Aussagen wohlwollend zur Kenntnis nehmen. Was bedeuten diese Erleichterungen aber aus der Sicht eines Sozialverbandes?
GIS als Steuerungsmittel

Die Gemeindeimmobiliensteuer GIS soll für alle jene Wohnungen gekürzt werden, die freiwillig zum Landesmietzins an Ansässige vermietet werden. Gleichzeitig sollen leerstehende Immobilien und solche, die nicht an Ansässige vermietet werden, höher besteuert werden. Der Ansatz zur Wohnungsbeschaffung klingt gut. Es stellt sich mir die Frage: „Wer wird zum Landesmietzins vermieten?“. Wir haben sicher in vielen Gemeinden leerstehende Wohnungen. Es gibt aber auch Vermieter, die ihre Wohnung durchaus vermieten würden, wenn die Miete regelmäßig bezahlt würde. Als KVW haben wir uns für das „Modell Vorarlberg“ ausgesprochen. Gerade bei einkommensschwachen Mietern könnte eine Institution die Garantie für den Mietpreis übernehmen und so den Mietmarkt attraktiver machen.
Durch IRPEF höhere Steuereinnahmen

Die regionale Einkommensteuer IRPEF soll besser verteilt werden. Höhere Einkommen ab 85.000 Euro sollen höher besteuert werden. Diese Maßnahme dürfte dazu führen, dass die Steuereinnahmen des Landes steigen könnten. Als Sozialverband vertreten wir das Prinzip der Subsidiarität. Das bedeutet, dass jeder nach seinen Möglichkeiten zum Gemeinwohl beizutragen hat. Es macht also Sinn, dass Besserverdienende auch mehr Steuern bezahlen. Allerdings ist zu schauen, dass die Einkommensschwachen von dieser Mehreinnahme auch etwas haben. Wenn die Mehreinnahmen dazu führen, dass die Schwächeren in unserer Gesellschaft leichter zum Monatsende kommen, ist gegen diese Maßnahme nichts einzuwenden. Ich denke aber gleichzeitig, dass eine Erhöhung der Steuersätze leicht zu einer Senkung des Steueraufkommens führen könnte. Immer wenn Steuern eingeführt wurden haben wir als Steuerzahler Strategien zur legalen und illegalen Steuervermeidung gefunden. Der Gedanke, dass Steuern für das Funktionieren der Gesellschaft notwendig sind und die Grundlage des Sozialstaates bilden, ist leider noch allzu selten in unserem Denken verankert.
Angemessene Löhne

Schließlich sollen Betriebe, die einen angemessenen Lohn an die Arbeiter bezahlen, Vergünstigungen bei der Wertschöpfungssteuer IRAP erhalten. Diese regionale Wertschöpfungssteuer wurde 1998 eingeführt. Gewerbliche Tätigkeiten, die im Landesgebiet ausgeführt werden, sind zu besteuern.
Werner Steiner,
KVW Landesvorsitzender