Kommentar

Tourismuszonen im Grünen
Das Spiel mit der Landschaft

Bereits in der Gesetzgebungsphase zum neuen Raumordnungsgesetz „Raum und Landschaft“ warnte der Heimatpflegeverband davor, dass die lange Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes 2020 Tür und Tor für „Unmengen an spekulativen Vorarbeiten und vollendeten Tatsachen“ öffnet. Dies bewahrheitet sich nun in einer Vielzahl von Fällen, wie Heimatpflegeverband und Dachverband für Natur- und Umweltschutz kürzlich aufzeigten.
Der Tourismus in Südtirol boomt. Was Touristen in Südtirol nach wie vor suchen ist eine typische und unberührte Kultur- und Naturlandschaft. Sie ist das Aushängeschild des Landes und eine der Hauptquellen für die gute Lebensqualität der Einheimischen.
Doch zurzeit erlebt Südtirol einen massiven Ausbau der touristischen Infrastruktur, der diese einzigartige Kultur- und Naturlandschaft nachhaltig verändern wird und zwar nicht zum Besseren. Es ist Zeit die Strategie des touristischen Ausbaus zu überdenken.
Der Tourismus boomt – Aber keine vollständige Nutzung des Bettenpotentials
Südtirol nimmt unter den touristisch hoch entwickelten Zentralalpenregionen eine absolute Spitzenposition ein. Der Tourismusintensitätsindex, das heißt die Übernachtungen im Verhältnis zur Wohnbevölkerung, liegt in Südtirol bei 13,3 und ist damit doppelt so hoch wie der Durchschnitt.
Sogar absolute Tourismusmagneten wie Tirol und Salzburg werden übertroffen. Auch bei der Anzahl der verfügbaren Gästebetten ist Südtirol Branchenprimus. Während in den touristisch hoch entwickelten Zentralalpenregionen 12,3 Betten pro Quadratkilometer zur Verfügung stehen, sind es in Südtirol 20,7. Das wird von keiner anderen Region übertroffen. Nur bei der Auslastung der Betten muss sich Südtirol dem Bundesland Tirol knapp geschlagen geben, das heißt es besteht keine vollständige Nutzung des Bettenpotenzials. Es gibt also keine unmittelbare Notwendigkeit für eine Aufstockung der Gästebettenzahl.
Touristisch schwach entwickeltes Gebiet?
Trotz dieser beindruckenden Zahlen bewertet die Südtiroler Landesregierung mehr als die Hälfte der Südtiroler Fraktionen als touristisch schwach entwickelte Gebiete. Nur wenige Gemeinden, wie zum Beispiel Dorf Tirol, Meran, Gröden und das Gadertal werden als stark entwickelt eingeordnet. Die sogenannten Tourismusentwicklungskonzepte der letzten Jahre erlauben in vielen Gemeinden die Ausweitung der Bettenzahl in bestehenden Betrieben und zudem die Errichtung neuer Hotels und gastgewerblicher Unternehmen.
Damit fördert die Landesregierung den massiven Ausbau von touristischen Einrichtungen und die Ausweisung neuer Tourismuszonen.
Torschlusspanik vor dem Inkrafttreten der neuen Raumordnung
Bereits in der Gesetzgebungsphase zum neuen Raumordnungsgesetz warnten der Heimatpflegeverband und der Dachverband davor, dass die lange Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes 2020 Tür und Tor für „Unmengen an spekulativen Vorarbeiten und vollendeten Tatsachen“ öffnet. Die Entwicklung der letzten Monate zeigt nun, dass genau das eintritt, wie die vielen geplanten und genehmigten Tourismuszonen und Projekte zeigen. In ganz Südtirol sprießen die Zonen für touristische Einrichtungen aus dem Boden, raumplanerische Werkzeuge, wie Ensembleschutz und Bannzonen, sowie Gutachten von Fachkommissionen werden dabei vielfach geflissentlich ignoriert.
Keine Besserung mit dem neuen Raumordnungsgesetz
Doch auch die neue Raumordnung verspricht keine Verbesserung der Situation. Die 1997 eingeführte Bettenobergrenze wird ersatzlos gestrichen und damit dem grenzenlosen Ausbau die Tür geöffnet. Bestehende Tourismusbetriebe können auch weiterhin erweitert werden, auch außerhalb der Siedlungsgrenzen. Und neue Tourismuszonen können auch weiterhin mitten im Grün, außerhalb von Siedlungen ausgewiesen werden. Mit dieser Politik des maßlosen Ausbaus wird Südtirol mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert.
Mit dem Tourismus boomt auch der Bodenverbrauch
In den letzten fünf Jahren ist die Gesamtfläche der Zonen für touristische Einrichtungen in Südtirol um unglaubliche 46 Prozent gestiegen. Aus 261 Hektar im Jahr 2013 wurden 381 Hektar 2018, Tendenz steigend. Diese Entwicklung widerspricht diametral dem geltenden Landesentwicklungs- und Raumordnungsplan (LEROP) der feststellt, „dass Knappheit an Boden und Schonung der Umwelt die Rahmenbedingungen wirtschaftlichen und politischen Handelns bleiben“ sollen. In den letzten Jahren werden verstärkt Tourismuszonen für große Hotels mit einer hohen Bettenanzahl im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich ausgewiesen. Das dafür notwendige Raumprogramm hat einen enormen Platzbedarf. Sogenannte Hoteldörfer, die in der Bewerbung oft als besonders naturnahe und nachhaltig propagiert werden, verbrauchen ausgedehnte Landschaftsflächen und erfordern wegen ihrer abgelegenen Position oft aufwändige Zufahrtsstraßen und Infrastrukturen.
Ressourcenverbrauch und Verkehrszunahme
Mit dem Bodenverbrauch einher geht ein massiver Ressourcenhunger großer Hotelanlagen. Das Müllaufkommen und der Stromverbrauch von Tourismushochburgen liegen deutlich über dem Durchschnitt. Der Verbrauch von Wasser für Wellnessoasen und Hotelbetrieb ist exorbitant. Der Verkehrskollaps auf vielen Straßen in der Hochsaison zeigt auf, dass die Kapazitätsobergrenze vielfach bereits erreicht ist. Der Wille zur Optimierung der öffentlichen Verkehrsmittel ist zwar vorhanden, hinkt aber doch oft der Entwicklung im Tourismus und anderer Wirtschaftszweige hinterher. Alternative Verkehrskonzepte für Touristen haben meistens nur Orchideenstatus.
Landschaft: Ein sensibles Gut
Die Eurac-Studie Zukunft Tourismus Südtirol 2030 bestätigt, dass die allermeisten Internet-Suchanfragen von Touristen in Zusammenhang mit Südtirol attraktive Landschaft zum Thema haben. Gleichzeitig ist das Hauptwerbemotiv von Tourismusbetreibenden ebenso die schöne Landschaft Südtirols. Und das mit gutem Grund, jeder Südtiroler wird das bestätigen können. Die einzigartige Kultur- und Naturlandschaft ist eine der Hauptquellen für die gute Lebensqualität der Südtiroler Gemeinden.
Doch diese Einzigartigkeit ist ein hohes Gut, das es zu pflegen gilt. Der Architekt Peter Zumthor bringt es auf den Punkt, wenn er sagt „Zersiedelung ist für mich ein Ausdruck von Mangel, nämlich Mangel an Landschaft.“ Mit dem massiven Ausbau der touristischen Flächen, den wir zurzeit erleben passiert aber genau das. Die Landschaft wird auf Kosten kurzfristiger Gewinnmaximierung zersiedelt. Der beliebige Bau von touristischer Infrastruktur auf der grünen Wiese, vielfach in exponierter Lage und außerhalb der Siedlungsgrenzen ist also in zweierlei Hinsicht schädlich: Er mindert nicht nur die Lebensqualität aller Südtiroler sondern nimmt auch auf lange Sicht dem Tourismus selbst die wichtigste Grundlage.
Es ist Zeit die Strategie des touristischen Ausbaus
zu überdenken
Der Tourismus ist eine tragende Kraft der Südtiroler Wirtschaft. Damit das auch so bleibt und gleichzeitig die Lebensqualität aller Südtiroler in einer typischen Kultur- und Naturlandschaft erhalten bleibt, muss die Strategie der touristischen Entwicklung in Südtirol überdacht werden.
Dem „Verschenken“ von Baukubatur an Touristiker auf der grünen Wiese durch die Gemeinden und die Landesregierung muss politisch ein Riegel vorgeschoben werden. Auch ohne die Ausweisung neuer Tourismuszonen im Grünen können Tourismusbetriebe, falls notwendig, behutsam erweitert werden. Gerade der Leerstand in vielen Dorfzentren bietet attraktive Angebote in historischen Gebäuden.
Weiters wäre es sinnvoll eine umfassende Umweltbilanz für Hotels einzuführen. Tourismusbetriebe hätten dadurch die Möglichkeit mit einem nachhaltigen Umgang mit Landschaft und Ressourcen sowie einem zukunftsträchtigen Erreichbarkeitskonzept zu werben. In Deutschland, nach wie vor das Hauptherkunftsland Südtiroler Touristen, sorgen sich laut der aktuellen Ausgabe des Wochenmagazins Der Spiegel drei Viertel der Bevölkerung um die Zukunft des Planeten. Immer mehr Menschen wünschen sich in allen Lebensbereichen eine nachhaltigere Art des Wirtschaftens. Dazu gehört auch der Urlaub. Diese wachsende Zielgruppe könnte mit einer solchen Umweltbilanz angesprochen werden.

KVW Aktuell

Frauen in der Gemeindepolitik

Forscher von Eurac Research untersuchten, wie es den Frauen in der Südtiroler Gemeindepolitik geht
Freuen sich über das Buch „Frauen in der Politik“, mit der stellv. KVW Frauenvorsitzenden Margareth Fink 2.v.r.
Soziales, Familie, Jugend: Es sind vor allem diese Bereiche, in denen die Frauen in der Südtiroler Gemeindepolitik tätig sind. Der Frauenanteil in Südtirols Gemeinderäten und -ausschüssen hat in den vergangenen 20 Jahren stetig zugenommen, doch nun scheint er zu stagnieren.
Welche Faktoren fördern bzw. hemmen das Engagement von Frauen in der Politik? Dieser Frage gingen Experten von Eurac Research und vom Institut für Sozialforschung und Demoskopie Apollis in einer Studie nach. Die Ergebnisse wurden in einem Buch veröffentlicht. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Frauen in Führungspositionen“ präsentierten die Autoren die Publikation und diskutieren die Ergebnisse mit Gästen, darunter Landesrätin Waltraud Deeg und die Wirtschaftsexpertin Henrike von Platen, eine der Initiatorinnen des Equal Pay Day in Deutschland. Die Veranstaltung war eine Zusammenarbeit von Eurac Research, den Frauen im Katholischen Verband der Werktätigen (KVW) und dem grenzüberschreitenden Gemeindenetzwerk GemNova.net Tirol-Südtirol.
Im Rahmen der Studie haben die Forscher alle 485 Frauen, die in der Südtiroler Gemeindepolitik tätig sind, eingeladen, ihren Standpunkt in einer Online-Befragung zu äußern. Rund zwei Drittel kamen der Aufforderung nach. Das Fazit: Der Großteil von ihnen beklagt die Schwierigkeit, Familie, Beruf und Ehrenamt mit der Politik zu vereinbaren und die Tatsache, dass sich die Zeiten für politische Tätigkeiten am typisch männlichen Lebensrhythmus orientieren. Einige von ihnen betonen, dass die übernommenen Ämter meist in Bereichen traditionell weiblicher Zuständigkeit liegen und alte Rollenbilder widerspiegeln. Insgesamt spricht sich rund ein Viertel tendenziell gegen die Frauenquote aus; der Anteil steigt sogar auf 34 Prozent bei den jüngeren Mandatarinnen. Als Grund gaben sie an, dass bei der Vergabe von politischen Ämtern die fachlichen Kompetenzen entscheidend sein sollten.
„Wir haben ein Profil der Frauen erstellt, die in der Südtiroler Gemeindepolitik aktiv sind: Sie sind zum Großteil abhängig erwerbstätig, gut 60 Prozent haben Kinder, zumeist unter 16 Jahren, oder eine pflegebedürftige Person im gleichen Haushalt und sind ehrenamtlich tätig“, so Josef Bernhart, Coautor und Experte für Public Management von Eurac Research.
Für die Zeit vor den Gemeinderatswahlen im Frühjahr 2020 planen Eurac Research und die Frauenorganisation des KVW Informationsveranstaltungen in der Peripherie.
TEXT: Josef Bernhart