Kommentar

Religion und Politik

Glaube darf nicht für politische Zwecke instrumentalisiert werden
„In unserer von Konflikten zerrissenen Welt, in der sogar die Gewalt im Namen Gottes zuweilen gerechtfertigt wird, ist es wichtig zu beharren, dass Religionen niemals Hass transportieren dürfen”, sagte Papst Benedikt XVI. zum Auftakt des dreitägigen Frieden.
Fabian Tirler,
Vizerektor der Anima in Rom
Religion und Politik – die ideale Beziehung der beiden zueinander könnte man, zumindest nach christlich-katholischem Verständnis, vielleicht mit den berühmten Worten des Konzils von Chalzedon beschreiben: ungetrennt und unvermischt. Im Jahre 451 definierten die Konzilsväter so das Verhältnis der beiden Naturen, der göttlichen und der menschlichen, in Jesus Christus. Dass dieser Vergleich nicht soweit hergeholt ist, zeigt das Zweite Vatikanische Konzil: Die Kirche ist als sichtbares Gefüge auf Erden verfasst und „in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich“ (Lumen Gentium 8). Die Kirche, die Religion ist eingebunden in das Gefüge der Gesellschaft und kann folglich auch nicht getrennt werden von der Politik. „Die politische Gemeinschaft und die Kirche“, so das Zweite Vatikanum, „sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom. Beide aber dienen, wenn auch in verschiedener Begründung, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung der gleichen Menschen“ (Gaudium et Spes 76). Es braucht also ein gesundes Zusammenwirken der beiden Bereiche. Trotzdem ist es nicht gut, wenn die beiden vermischt werden, oder wenn die eine sich in den Bereich der anderen einmischt. Noch schlimmer, wenn Religion und Glaube für politische Zwecke missbraucht werden – wie es im Laufe der Geschichte nicht selten vorkam, wovor aber auch die heutige Gesellschaft nicht immun ist.
Während es heute den Klerikern vom Kirchenrecht ausdrücklich untersagt ist, weltliche Macht in öffentlichen Ämtern auszuüben und sich aktiv an politischen Parteien zu beteiligen (cann. 285 § 3 und 287 §2 CIC), sind die Laien aufgefordert, „bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen“ (can. 225 § 1 CIC). Ob letzteres nun durch öffentliches Herumfuchteln mit dem Rosenkranz erfüllt wird, darf wohl bezweifelt werden.
Als Kirche müssen wir natürlich dankbar sein, wenn Politiker offen zu ihrem christlichen Glauben stehen und ihren Glauben auch in ihr politisches Handeln einbringen. Aber es gilt auch hier das Jesuswort: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,16). Eine gute christliche Politik ist auf den Menschen und auf die Gesellschaft ausgerichtet und findet ihre kontinuierliche Richtlinie in der Verteidigung und Förderung der Gerechtigkeit, wie der heilige Johannes Paul II. schreibt (Christifideles Laici 42). Ihre wichtigste Frucht ist die Verwirklichung des Gemeinwohls, welches vom letzten Konzil definiert wird als „Gesamtheit jener Bedingungen des gesellschaftlichen Lebens, die sowohl den Gruppen als auch deren einzelnen Gliedern ein volleres und leichteres Erreichen der eigenen Vollendung ermöglichen“ (Gaudium et Spes 26). Der Einsatz der Politik muss, so das Konzil, dem Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie Rechnung tragen. Parolen wie „Wir zuerst (und die Anderen danach oder am besten überhaupt nicht)!“ sind damit völlig inkompatibel.
Christliche Symbole, insbesondere das Kreuz, sollen auch im öffentlichen Raum ihren Platz behalten. Sich dafür einzusetzen ist auch Aufgabe der christlichen Politik. Christliche Symbole dürfen dabei aber nicht nur als rein kulturelle Symbole oder nur als Ausdruck unserer Tradition(en) gesehen werden (dann würden sie sich in der Bedeutung kaum von einem Trachtenhut unterscheiden). Christliche Symbole dürfen niemals zur Ausgrenzung anderer Menschen verwendet – und damit missbraucht! – werden. Sie sind Zeichen unseres Glaubens und der damit verbundenen Werte. Und diese Werte sind die Grundlage unserer Gesellschaft.
Es ist nicht Aufgabe der Politiker zu predigen und ebenso wenig Aufgabe der Prediger zu politisieren. Ein Prediger kann aber, wenn er die Inkarnation des Wortes Gottes ernst nimmt, nicht unpolitisch sein, und ein christlicher Politiker wird, wenn er seine Taufberufung ernst nimmt, sich in seinem Handeln von seinem Glauben leiten lassen.

TEXT: Fabian Tirler


KVW Aktuell

Danke, Josef Stricker!

Über seine Arbeit als geistlicher Assistent im KVW
Die 70-jährige Geschichte des KVW, des größten Sozialverbandes Südtirols, wurde von Priestern mitgeschrieben. Josef Stricker war von 1966 bis 1973 und dann von 2001 bis 2019 geistlicher Assistent des KVW. Heuer wurde er 80 Jahre alt und hat bei der Diözese um die Entpflichtung von diesem Amt angesucht. In seiner zweiten Zeit beim KVW hat er mit vier Landesvorsitzenden zusammengearbeitet. Diese haben wir um ihre Erinnerungen gefragt. Die Biografie von Josef Stricker hat seinen Charakter geprägt. Die ersten zwanzig Lebensjahre, die kärgliche Kindheit auf einem Bergbauernhof in Martell und die strenge Erziehung im Johanneum in Dorf Tirol, waren alles eher als ein Honigschlecken. Die Frischluft in der Kirche durch das Zweite Vatikanum und der Geist der 68er Jahre haben ihm gutgetan. Ein sozialpolitisch praktisch denkender Mensch wurde er durch seine Tätigkeit als Arbeiterpriester und Gewerkschafter. Er war aber durch das Studium vieler theologischer, philosophischer und soziologischer Werke immer auch ein systematisch denkender Theoretiker, ein allgemein anerkannter Sozialethiker.
Josef Pfattner
KVW Landesvorsitzender
von 1984 bis 1987 und 1990 - 2002:
Am Sonntag, den 30. Juni 1968, war ich gerade 21 Jahre alt und stand kurz vor der Matura, als die KVW Ortsgruppe Latzfons eine Busfahrt zum Pragser Wildsee machte – ich hatte eine Freude dabei sein zu dürfen. Der damals junge geistliche Assistent des KVW auf Landesebene, Sepp Stricker, begleitete die Fahrt. Dabei knüpfte er den Kontakt mit den Menschen, insbesondere mit der Jugend. Ich erinnere mich immer noch genau daran, wie er mit tiefgründigen Themen und zugleich auch witzig die Zeit im Bus nutzte.
Auch später, als er seine Mitarbeit im KVW aufgab, konzentrierte er sich vermehrt auf die Welt der Arbeiter, indem er bei verschiedenen Firmen mitarbeitete. Diese Entscheidung wurde zur damaligen Zeit respektvoll aber auch kritisch aufgenommen. Als ich Sektionsleiter der Lehrergewerkschaft SINASCEL wurde, machte er mich mit der Gewerkschaftsarbeit des SGB/CISL vertraut. Tief beeindruckt hat mich immer, wie er sich mit verschiedenen Thematiken auseinandersetzte und sie aus mehreren Blickwinckeln zu betrachten versuchte. Durch diese breit angelegte Sichtweise schaffte er es, zielstrebig Lösungen für die Probleme zu finden und nicht nur provokativ darauf einzugehen. Damit gewann er auch Wertschätzung von Seiten der Unternehmer. Dabei handelt es sich um Werte denen man auch heute noch begegnet.
Bischof Ivo Muser hat zum neuen pastoralen Arbeitsjahr in einem Grundsatzreferat zum Thema „Wir stehen vor einem Epochenwandel“ folgende drei Grundwerte in unserer alltäglichen Kommunikation gefordert:
1. der Respekt vor dem Menschen, was Hass, Intoleranz und Herabwürdigung ausschließt;
2. der Dialog als ehrliche Suche nach der Warheit;
3. die Begegnung, als Aufeinander-zu-Gehen, und damit immer einem Geben und Nehmen entspricht.
Bischof Ivo erklärt, „Glauben ist kein statischer Besitz, sondern ein Weg [...]. Ziel unseres Glaubensweges ist immer der Mensch. Der Glauben ist untrennbar verbunden mit dem Alltag unserer Welt, mit all ihren Farben und Facetten“. Sepp Stricker war in diesem Sinne der Zeit voraus. Er hat nach diesen Grundsätzen sein tägliches Leben gestaltet und ist seinen Mitmenschen respektvoll im Dialog begegnet.
Erfreulicherweise wurde er in einem späteren Moment wieder zum geistlichen Assistenten im Katholischen Verband der Werktätigen. Als Landesvorsitzender des KVW durfte ich ihn dabei noch ein halbes Jahr erleben. Dafür, und vor allem für sein beispielhaftes Vehalten, bin ich ihm immer noch sehr dankbar. Vergelt’s Gott!
Maria Mayr Kußtatscher
KVW Landesvorsitzende von 2002 bis 2009:
Als der geistliche Assistent Vijo Pitscheider mitteilte, dass er nach 18 Jahren eine Pfarrei übernehmen wolle, habe ich Generalvikar Josef Matzneller ersucht, dass die Diözese Sepp Stricker als KVW-Assistenten beauftragen möge. Wir kannten ihn ja, da er die Jahre zuvor schon Mitglied im KVW Arbeitskreis Presse war.
Sepp Stricker wurde 2001 geistlicher Assistent. Seine theoretische und praktische Sicht der Dinge war für uns in der KVW Landesleitung von großem Wert, vor allem bei Grundsatzdiskussionen, in der Ausrichtung unserer Verbandszeitung, bei Pressemitteilungen zu aktuellen Anliegen, bei der Vorbereitung der KVW Jahresthemen u.v.a.
Bei den Sitzungen des Landesausschusses brachte er immer einen besinnlichen Einstieg zu aktuellen Gesellschafts-Ereignissen und beurteilte sie aus der Sicht der Katholischen Soziallehre.
Er war ein begnadeter Redner und konnte kurz und prägnant die wesentlichen Punkte sagen.
Er verwies immer darauf, dass Verbesserungen für sozial Schwache auch politisch organisiert und gesetzlich verankert werden müssen. So pflegten wir häufig Vorsprachen bei den zuständigen Politikern/innen und brachten Vorschläge ein.
Sepp Stricker wurde in den Ortsgruppen oft als Referent eingeladen und war bei KVW Veranstaltungen sehr präsent.Herzlichen Dank für die viele wertvolle Arbeit im KVW.
Werner Steiner
KVW Landesvorsitzender seit 2013:
Mit dem 31. August 2019 hat der geistlicher Assistent Josef Stricker seinen Rücktritt beim Bischof eingereicht. Josef Stricker ist im März 80 Jahre alt geworden und es war sein Wunsch, nun in die zweite Reihe zurückzutreten. Wenn es uns auch schwerfällt einen so wertvollen Menschen in den Ruhestand verabschieden zu müssen, ist es doch eine Entscheidung, die zu akzeptieren ist.
Josef Stricker hat in den vergangenen 18 Jahren den KVW entscheidend mitgeprägt. Seine umfassende Kenntnis der christlichen Soziallehre, seine Gedanken für ein soziales Miteinander in unserem Land werden uns auch in Zukunft wichtige Wegbegleiter sein. Josef Stricker hat sich immer vorausschauend eingebracht und seine Stimme klar und deutlich erhoben. Dabei war es immer wichtig, dass seine Botschaften in zweifacher Wirkung ausstrahlen: nach innen um den Verband zu stärken und nach außen um die Sichtbarkeit des Verbandes zu erhöhen.
Es war wertvoll, ihn als geistlichen Assistenten an der Seite zu haben. Vor allem schätze ich sein Wissen, sein klares und strukturiertes Herangehen, seine Sicht des Sozialen und wie er es versteht, komplizierte Dinge einfach und für alle verständlich darzulegen. Vergelt’s Gott Josef – wir wünschen dir Gesundheit und erfüllte Tage.
Konrad Peer
KVW Landesvorsitzender von 2009 bis 2013:
In den vielen Jahren meiner Aktivität im KVW als Bezirksvorsitzender in Bozen und in der Zeit als Landesvorsitzender hatte ich Gelegenheit Josef in vielen Gesprächen besser kennen zu lernen. Er möge mir verzeihen, wenn ich hier bruchstückhaft versuche, meine persönliche Sicht über ihn darzulegen.
So habe ich ihn als Menschen erfahren, der als scharfer Denker Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft erkannt und konsequent benannt hat. Seine soziale Gesinnung, die sein ganzes Leben geprägt hat und immer noch prägt, zeigte sich nicht nur in all seinen Veröffentlichungen sondern war und ist, in seiner Überzeugung von der Würde aller Menschen, grundgelegt. Auch auf die Gefahr hin von gewissen Kreisen als „Gutmensch“ abgetan zu werden, hat er sich unbeirrt für die Schwächsten in unserer Gesellschaft stark gemacht.
Josef hat uns Ehrenamtliche immer angeregt selber als aktive Christen das Geschehen in unserer Heimat zu bewerten und es mit Hilfe der Möglichkeiten des KVW zu beeinflussen. Als Realist musste er erkennen, dass wir nicht immer diesem Anspruch gerecht wurden.
Persönlich habe ich Josef aber als warmherzig und einfühlsam erleben dürfen, wenn er von harten Schicksalsschlägen betroffenen Menschen begegnete.
Es gäbe viel mehr über ihn zu berichten, über seine Treue zur lokalen Kirche, seine seelsorgerische Tätigkeit, seine Liebe zur Heimat und seinen nimmermüden Einsatz für deren Menschen.
Lieber Sepp, bleib uns noch viele Jahre erhalten.