Umgang mit Veränderungen

Leben ist Veränderung

Balance zwischen Sicherheiten und Neuem finden
Nicht immer können wir Veränderungen mit offenen Armen empfangen, da das Unbekannte Angst macht. Umwälzungen regen aber an, neue Wege zu beschreiten und bessere Alternativen zu finden.
Veränderungen gehören zum Leben dazu und können nicht vermieden werden. Ohne Veränderungen würden wir immer nur auf der Stelle treten – Entwicklung und Wachstum wären unmöglich. Veränderungen machen oftmals Angst, aber sie sind zunächst weder gut noch schlecht. Sie tragen grundsätzlich Chancen und Möglichkeiten in sich. Entscheidend ist immer, was wir aus einer solchen Situation machen.
„Man sieht die Blumen welken und die Blätter fallen aber man sieht auch Früchte reifen und neue Knospen keimen. Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“ (J. W. von Goethe)
Veränderungen, Neuordnungen und Wandel sind Teil unseres Lebens und können nicht vermieden werden. Das ist auch gut so, denn nur durch diese ist Wachstum, Verbesserung und Entwicklung möglich. Veränderungen kommen in verschiedensten Nuancen, in den mannigfaltigsten Ausprägungen und mit unterschiedlich erlebter Intensität in unser Leben. Sie können sowohl Ersehntes als auch Befürchtetes herbeiführen. Manchmal überraschen sie uns, oftmals kündigen sie sich an, andere Male bemühen wir uns, sie herbeizuführen und gelegentlich warten wir vergebens darauf, dass sie in unser Leben treten. In manchen Momenten kommt eine Veränderung auch unverhofft auf uns zu und bringt uns ein Licht, das uns durch einen dunklen Abschnitt unseres Lebens führt.
Verschiedene Typen von Veränderung
Sehr gut kommen wir mit jenen Veränderungen zurecht, die wir selbst initiieren, vorantreiben und die in unsere Vorstellungen passen. Diese können wir mit offenen Armen in unserem Leben empfangen.
Weniger kommen wir mit jenen zu recht, die zwar bessere Umstände herbeiführen aber mit Bedingungen verknüpft sind, die nicht in unseren Lebensplan passen. Ist z.B. ein höheres Gehalt mit der Bedingung verknüpft, dass wir unsere Heimat verlassen müssen, dann können wir uns über die Veränderung nicht vorbehaltslos freuen und müssen zuerst abwägen, ob wir die Veränderung annehmen oder nicht.
An unsere Grenzen führen uns jene Veränderungen, bei denen wir keine Wahlmöglichkeiten haben, mit denen wir nicht gerechnet haben und die uns mit Situationen konfrontieren, die wir negativ bewerten (z.B. Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit, Trennung, Kündigung, Unfall, Folgen von Naturkatastrophen, Tod). Wenn wir mit dieser Kategorie von Veränderungen in Kontakt kommen, sollten wir nicht zögern, Hilfe zu suchen und anzunehmen.
Neues und Veränderungen machen Angst
„Der Mensch will immer, dass alles anders wird, und gleichzeitig will er, dass alles beim Alten bleibt.“ (Paulo Coelho)
Warum ist das so? Veränderung und Wandel bringen Neues in unser Leben. Wir hoffen, dass uns dieses Neue das ersehnte Glück bringt, fürchten uns im gleichen Moment davor, dass sich etwas Schlimmes ereignet. Aus Angst vor diesem Unglück und weil wir mit der Ungewissheit nicht zurechtkommen, wenden wir uns oft wieder dem Bekannten zu und versuchen, die sich anbahnende Veränderung zu leugnen und zu vermeiden.
Die Angst vor neuen Situationen ist etwas ganz Natürliches, dient der Sicherung unseres Überlebens und hat ihren Sitz im Stammhirn. Wir müssen nur achtsam sein, damit uns die Angst nicht lähmt. Statt dessen sollten wir uns mit unserem Forscher-Ich verbinden und mit gesunder Neugierde aufbrechen, diese neue Situation zu erkunden.
Angst und Unsicherheit bringen uns mit unserer verletzbaren Seite in Kontakt und machen uns wieder bewusst, dass das Leben letztendlich unkontrollierbar und unberechenbar ist.
Routinen und gewohnte Abläufe lassen uns diese Realität vergessen und geben uns das Gefühl, sicher zu sein und unser Leben unter Kontrolle zu haben. Wir investieren viel Zeit und Energie, unser Leben zu planen und sowohl unsere Ziele als auch unsere Träume zu verwirklichen. Gleichzeitig bemühen wir uns darum, das bereits in die Tat Umgesetzte (Partnerschaft, Job, Lebensstandard etc.) festzuhalten.
Je mehr wir an diesen Plänen, Vorstellungen klammern und uns über diese definieren, desto härter trifft uns eine Veränderung. Durch Planen und die Tendenz uns abzusichern versuchen wir, Unheil auszuschließen und Glück herbeizuführen.
Leider geschieht es dadurch oft, dass wir in Situationen bleiben, die uns nicht gut tun oder sogar schaden. Zum Beispiel kündigen wir nicht bei einem Arbeitsplatz, in dem wir gemobbt werden, aus Angst danach keine Arbeit mehr zu finden oder wir bleiben in einer Beziehung, in der wir psychische oder physische Gewalt erfahren, weil wir befürchten, dass sich der Partner das Leben nimmt oder aus Angst davor, keine „Liebe“ mehr zu finden. Es kann auch sein, dass wir über Jahre in einer Wohnumgebung bleiben, in der wir uns nicht wohl fühlen, nur weil wir uns ausmalen, dass die Umstände anderswo noch schlechter sind.
„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“ (Georg Christoph Lichtenberg)
Das Neue ist immer mit Ungewissheit verbunden. Das Gute daran ist, dass uns der Kontakt mit dieser Seite wach und lebendig sein lässt. Es sind die Momente, in denen wir mit dieser Energie in Kontakt sind, an denen wir uns später erinnern. Es sind auch diese Momente, die wir herbeiwünschen, wenn wir merken, dass unser Leben in monotonen Bahnen verläuft und sich jeden Tag das gleiche Programm abspielt.
Gleichgewicht zwischen Sicherheiten und Veränderungen
Wie so oft im Leben geht es darum, eine gute Balance zwischen den Sicherheiten, die Halt geben, und der Initiierung von Veränderungen zu finden. Wir Menschen benötigen beides, damit es uns langfristig gut geht. Jeder von uns muss sein eigenes Gleichgewicht zwischen den beiden Polen finden, denn wir sind alle anders und benötigen die eigene individuelle Mischung aus Sicherheit und Veränderung, um glücklich zu sein.
Veränderungen im Leben begrüßen
Der Umgang mit und die Reaktion auf veränderte Lebensumstände ist sehr individuell. Die gute Nachricht ist, dass jeder von uns lernen kann, besser mit Veränderungen umzugehen oder mit diesen zurecht zu kommen. Den Anfang kannst du machen indem du die Veränderung als unausweichlichen und fixen Bestandteil deines Lebens akzeptierst. Wir werden geboren, wachsen, werden alt und gebrechlich und sterben. Keiner von uns kann diesem Fluss entgehen.
Veränderungen an sich sind weder gut noch schlecht. Es hängt von deiner Einstellung ihnen gegenüber ab, wie du die Situation erlebst und was du daraus machst. Jede veränderte Situation birgt neue Dinge in sich, die du entdecken kannst. Somit ist jede Veränderung auch immer eine Chance zum Besseren.
Flexibilität ist eine Eigenschaft, die dir hilft, mit Veränderungen umzugehen. Jeder von uns kann lernen, flexibler zu werden. Flexibel sein heißt, Planänderungen oder Fremdes zuzulassen und bereit zu sein, Ungewohntes im eigenen Leben auszuprobieren. Flexibilität hat immer auch mit der Fähigkeit des Loslassens zu tun. Beim Loslassen wird uns meist erst der Wert bewusst, den das Loszulassende für uns hat. Die Folge ist Wertschätzung. Wenn du dir also immer wieder bewusst machst, dass du Menschen oder Dinge verlieren kannst, dann sind sie nicht mehr selbstverständlich und du kannst sie bewusster wahrnehmen und genießen.
„Herr gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ (Reinhold Niebuhr)
Betrachte die Veränderung in deinem Leben, indem du das Gelassenheitsgebet als Kompass verwendest. Was kannst du verändern, was nicht? Gegen Dinge anzukämpfen, die du nicht verändern kannst, bedeutet, dass du Kraft und Energie für etwas investierst, was zu keiner Änderung führt. Dies ist sinnlos und bringt dich über lang oder kurz zu einer depressiven Verstimmung.
Der Prozess der Akzeptanz ist kein einfacher. Sobald die Realität, dass die Situation/Veränderung unabänderlich ist und du sie annehmen musst, in dein Bewusstsein gesickert ist, treten häufig heftige Emotionen auf. Deshalb spricht man auch vom „Tal der Tränen“.
Tränen und Trauer sind im positiven Sinne Teil unseres angeborenen Heilungssystems und sollten deshalb auch einen angemessenen Platz erhalten. Schade ist, dass wir in unserer Gesellschaft oft diese natürlichen Heilungsphasen (Trauer, Schmerz ...) zu überspringen versuchen. Vorschnell wird zu Mitteln gegriffen, die den Schmerz unterdrücken.
Mache dir bewusst, dass dir diese als unangenehm empfundenen Gefühle viel lehren können. Sie verlangsamen dich und helfen dir dadurch, das Gewesene Revue passieren zu lassen. Auf diese Weise erhältst du die Möglichkeit, dich von einer alten Erfahrung gut zu verabschieden. Ein guter Abschluss versetzt dich in die Lage, dich wieder mit Lebendigkeit dem Leben und dem Neuen zu öffnen.
Zur Person
Martina Pixner, Psychologin / Psychotherapeutin mit den Schwerpunkten Gestalttherapie, Traumatherapie, Psychoonkologie, Meditation und Achtsamkeit im Zentrum Mensch Meran. www.zentrum-mensch.it
TEXT: Martina Pixner

Thema

Chance für Neues ergreifen

Die Coronakrise hat Veränderungen möglich gemacht
Die Coronakrise hat gezeigt, dass es ein gut ausgestattetes, öffentliches Gesundheitswesen braucht.
In jeder Krise stecken auch Chancen. Die Coronakrise hat gezeigt, was alles in kürzester Zeit möglich ist: Entschleunigung, Erholung der Umwelt, Nachbarschaftshilfe und Solidarität ... auf einmal veränderte sich so viel. Und aus der Krise können auch wertvolle Lehren gezogen werden. Zum Beispiel, dass das Sparen und Wegrationalisieren im Gesundheitswesen nicht der richtige Weg war.
WERNER STEINER
KVW Landesvorsitzender
Die vergangenen Monate haben uns von einem Tag auf den anderen nie denkbare Ereignisse beschert. Wer hätte es sich jemals vorstellen können, dass die Wirtschaft von einem Tag auf den anderen still steht und in eine kaum lösbar scheinende Schieflage gerät? Was hätten wir gesagt, wenn uns jemand vorausgesagt hätte, dass wir uns nicht mehr aus dem Haus bewegen dürfen, dass wir nicht mehr am Konsum teilhaben können, so wie wir es gewohnt sind, dass wir mit Mund- und Nasenschutz herumlaufen würden. Wahrscheinlich wäre man als Schwarzmaler und Fantast angesehen worden.
Neuer Stellenwert für Solidarität
Nun ist es aber tatsächlich so eingetreten und wir konnten feststellen, dass alles, was wir in den vergangenen Jahren eher nachlässig behandelt hatten, plötzlich von großer Bedeutung geworden ist. Die Solidarität mit unserem Nächsten hat sich in vielfältiger Weise aufgebaut: ich denke an die Einkaufsdienste für Menschen der Risikogruppen, an gegenseitige Hilfeleistungen in schwierigen Situationen und an großes Verständnis für die vielen Berufsgruppen, die unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit ihre Arbeit vom Supermarkt bis ins Krankenhaus weiter verrichten mussten. Diese Aufwertung der Solidarität hat uns allen gutgetan. Wir durften erleben, dass es nicht nur ein Inhalt der Sonntagsreden ist, nein, wenn es uns wirklich schlecht geht, halten wir zusammen. Der vom KVW oft angeprangerte starke Individualismus auf Kosten der Allgemeinheit hat einen Dämpfer erhalten. Corona hat uns gezeigt, dass wir die globalen Probleme nur gemeinsam lösen können. Allerdings haben wir auf europäischer Ebene auch schon wieder Schattenseiten entdecken können, da einzelne Staaten dann doch wieder ihre Einzelinteressen vor das Gesamtinteresse gestellt haben.
Einfache und nahe Dinge mehr schätzen
Durch das Virus wurden wir zu einem Umdenken gezwungen. Nicht mehr die große, weite Welt war unser Ziel – jetzt konnte es auch die nähere Umgebung sein. Spaziergänge im engeren Umkreis mit Verzicht auf das Auto hat gar bei manchem eine völlig neue Lebensqualität aufkeimen lassen. Wertschätzung für die eigene Heimat mit bewusstem Hinschauen auf die Schönheit unserer Natur war für viele schon lange nicht mehr geläufig. Jetzt liegt es an uns, diese Chance zur Neustrukturierung zu erfassen und positiv für unsere Zukunft zu nutzen.
Leistbares Gesundheitswesen für alle
Viele Menschen haben ihr Leben verloren. Die Ursachen dafür sind noch wenig erforscht und es gibt eine ganze Reihe von Theorien dazu. Es ist schwer, die richtige herauszufiltern. Tatsache bleibt, dass Menschen gestorben sind und dass unser Gesundheitssystem Schwachstellen aufweist. In den vergangenen Jahren haben wir als KVW immer wieder darauf hingewiesen, dass Gesundheit für alle unser oberstes Ziel sein muss. Die Auslagerung von finanziell attraktiven Diensten in den privaten Bereich und das gleichzeitige Aushungern wichtiger Stationen, die für die Gesundheit aller nötig sind, darf nicht weiter vorangetrieben werden. Gesundheit muss für jeden Menschen leistbar bleiben und dafür haben wir uns als Sozialverband auch eingesetzt.
Wir haben die Chance zum Umdenken – nutzen wir sie für kommende Generationen.
TEXT: Werner Steiner