KVW Aktuell
Loyalität
oder: Was wir vom scheidenden US-Präsidenten lernen können
Karl H. Brunner,
geistlicher Assistent im KVW
geistlicher Assistent im KVW
Am 20. Jänner wird – wenn die Gerichte nicht zwischen dem Verfassen und dem Erscheinen dieses Textes unerwartet entscheiden – der neugewählte US-Präsident Biden angelobt. Alleine, dass diese Unsicherheit genannt werden muss, ist beachtlich. Donald Trump hat in seiner Amtszeit vieles verändert und manches davon ist uns in Europa nicht unbekannt: Schon am Beginn wurde ein Wort in Zusammenhang mit dessen Amtsführung häufig benutzt: Loyalität! Trump forderte bedingungslose Loyalität und wer diesem Verlangen nicht entsprach oder sich eine abweichende Position erlaubte, wurde „gefeuert“. Das galt für Minister, FBI-Chefs, Sicherheitsberater und andere. Ein so verstandener Loyalitätsbegriff ist gefährlich. Es ginge dann nämlich darum, die eigene Meinung, die eigene Sichtweise, ja letztlich die eigene Persönlichkeit dem Gegenüber unterzuordnen. Demokratie verlangt im Kern aber, dass jede*r zu seinen bzw. ihren Überzeugungen steht und dafür eintritt. Das ist das genaue Gegenteil von bedingungsloser Unterordnung! Donald Trump ist der starke Mann, den auch bei der letzten Wahl über 74 Millionen Amerikaner*innen gewählt haben und zwar aus allen gesellschaftlichen Gruppen. Damit ist selbst im Zweiparteiensystem der USA angekommen, was wir in Europa schon seit den 80er Jahren kennen: Eine Form des Populismus, der Feindbilder bedient, Menschen in Kategorien unterteilt und Gesellschaften in eine Zerreißprobe führt. Selbst wenn es den Bürger*innen in den USA jetzt wirtschaftlich besser ginge als vor vier Jahren, rechtfertigt das den Wunsch nach dem starken Mann weder in den USA noch in Europa oder sonst wo in der Welt. Gefragt ist unsere bedingungslose Loyalität zu einer demokratischen Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwürdig sind!
TEXT: Karl H. Brunner
TEXT: Karl H. Brunner