KVW Aktuell

Aus der Krise lernen

Senioren dürfen nicht ausgegrenzt werden
Seniorentheater „Orangenduft“
Die KVW Senioren warnen davor, dass ältere Menschen durch die rasante technische Entwicklung ausgeschlossen werden. Spid, grüner Pass, digitale Fahrpläne und TV-Programmumstellung schaffen Probleme. Professor Walter Lorenz erklärte an vier Punkten, wie die Erfahrungen der Pandemie Anstoß für eine neue Gestaltung des Lebens sein können.
Maria Kußtatscher,
Vorsitzende der KVW Senioren
Zur KVW Seniorentagung werden die Vertreterinnen und Vertreter der Seniorenklubs im ganzen Land eingeladen. Im November konnte die Vorsitzende der KVW Senioren, Maria Kußtatscher, wieder zahlreiche SeniorenklubleiterInnen und MitarbeiterInnen in Bozen begrüßen. Unter den Ehrengästen waren Landesrätin Waltraud Deeg, Otto von Dellemann, Vorsitzender des Seniorenbunds, Margareth Fink vom KVW Vorstand und der geistliche Assistent im KVW, Karl Brunner.
KVW Senioren bauen online Angebote aus
Maria Kußtatscher machte einen Rückblick auf das vergangene Jahr: auch in der Arbeit der KVW Senioren wurde vieles auf online umgestellt. So wurden die Bezirkstagungen online durchgeführt und es gab Treffen mit Landeshauptmann Kompatscher, Landesrätin Deeg oder Primar Conca, die als Videokonferenz abgehalten wurden. Kußtatscher hob als positiv hervor, dass Gottesdienste über die Pfarrsender oder das Radio mitgefeiert werden können, es gab Anregungen zum Mitturnen auf Radio Grüne Welle oder in der Mediathek von Rai Südtirol können viele Sendungen nachgehört oder nachgesehen werden. „Die Tätigkeit der Seniorenklubs ruhte in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht vollständig. Wo es möglich war, wurde telefonisch oder an der Haustür zum Geburtstag gratuliert und Alleinstehenden wurde Hilfe bei Botengängen, beim Einkaufen oder anderen Erledigungen angeboten“, berichtete Maria Kußtatscher. Mittlerweile könne wieder einiges an Aktivitäten stattfinden. Wanderungen, Fahrten, Feiern im Freien oder Vorträge in der Kirche wurden als Ideen genannt. Es brauche etwas Kreativität, aber möglich sei einiges.
Eine Forderung richtete Vorsitzende Kußtatscher an die Gesellschaft und die Politik: ältere Menschen dürften durch die rasante, technische Entwicklung nicht ausgeschlossen werden.
Ältere Menschen tun sich schwer mit der technischen Entwicklung
„Wenn Fahrpläne nicht mehr gedruckt werden oder es Internet brauche, um den Spid oder grünen Pass zu erhalten, dann fühlten sich Senioren oft hilflos und ausgegrenzt“, warnte Kußtatscher. Deshalb haben sich die Senioren im KVW mit anderen Seniorengruppen beim Land dafür eingesetzt, dass Fahrpläne wieder auf Papier erhältlich sind. Auch bei der jüngsten Umstellung der Fernsehprogramme seien viele ältere Menschen auf Hilfe angewiesen. „Es geht auch um Entscheidungen, ob es ein neues Gerät brauche oder ob ein Decoder reiche“, sagte Kußtatscher. Für viele Senioren gehe diese Entwicklung zu schnell, sie fühlen sich überrumpelt und ausgegrenzt.
Der Referent Walter Lorenz wurde online zugeschalten.
Aus der Krise positive Impulse mitnehmen
Als Gastreferent wurde Professor Walter Lorenz zugeschaltet. Er sprach zu „Aus der Krise lernen, mit Zuversicht in die Zukunft“. Lorenz gelang es – ohne die Pandemie zu verharmlosen – positive Impulse, die die Krise mit sich bringe, hervorzuheben. „Wir müssen unser Leben neu denken, neu gestalten“, so Professor Lorenz, „dies ist eine Chance und keine Bedrohung“.
Dadurch, dass menschliche Werte nicht mehr gelebt werden durften, sei uns erst ihre Bedeutung und Wichtigkeit bewusst geworden. An den vier Punkten persönliche Nähe, Gemeinschaft, Gewissheit und individuelle Freiheit zeigte Walter Lorenz auf, wie die Erfahrungen der vergangenen Monate auch Anstoß dafür sein können, diese Werte neu zu entdecken und zu gestalten. Das Gebot der Distanzierung habe tief in unser Leben eingegriffen. Und oft war es auch unmenschlich, zum Beispiel wenn es kein Abschiednehmen von Sterbenden geben durfte oder Treffen in Altersheimen nicht möglich waren. „Der Wert der körperlichen Nähe wurde uns so bewusst“, sagte Lorenz. Es wurden aber auch die Schattenseiten deutlicher, wenn es zu häuslicher Gewalt kam, wenn Frauen Zuflucht im Frauenhaus suchten, wenn es Übergriffe am Arbeitsplatz gab.
Die Pandemie habe den Glauben an die absolute Gewissheit fundamental erschüttert, so Lorenz. Das Vertrauen in Wissenschaftler und Politiker sei zersetzt worden. Die Hoffnung liegt für Lorenz darin, dass „uns bewusst wird, dass es keine absolute Gewissheit geben kann“. Vielleicht lernen wir skeptisch zu sein gegen alles, was Gewissheit verspricht und dadurch Dogmen und Ideologien zu hinterfragen.
Theater, Online-Begleitung, Tanzen, Bewegung
Ein Sketch des Seniorentheaters „Orangenduft“ sorgte für Abwechslung, die Angebote der BewegungsleiterInnen, TanzleiterInnen und der Senioren-Online-BegleiterInnen wurden vorgestellt.

Text: Ingeburg Gurndin

KVW Aktuell

Chancengleichheit für alle Jugendlichen


Karl Brunner,
geistlicher Assistent im KVW
Letzthin war in einer Zeitung zu lesen, wie attraktiv das „Hotel Mama“ für junge Erwachsene geworden sei. Es war da so ein Unterton in der Berichterstattung, der den Eindruck erweckt hat, die heutige Jugend würde immer später ausziehen, weil sie alles gekocht, gewaschen und gebügelt bekommen möchte. Beim genaueren Hinsehen stellt sich die Sache differenzierter dar: Man muss sich die eigene Miet- oder Eigentumswohnung in unserem Land erst einmal leisten können, wenn die Akademisierung der Berufe zunimmt und die schulische bzw. universitäre Ausbildung zwar weitestgehend kostenlos zur Verfügung gestellt wird, aber man eben nichts bis wenig verdient und damit kaum etwas angespart werden kann. Was für ein Glück, dass die jungen Frauen und Männer ein familiäres Netz haben, das sie unterstützt, ihnen Rückhalt bietet und gute Startchancen ermöglicht. So gelingt es, dass sie mit im EU-Durschnitt 27 Jahren endgültig die Flügel ausbreiten und in die finanzielle Unabhängigkeit starten können.
Wie geht es aber den Jugendlichen, deren Familien keine Unterstützung leisten können? Wer kümmert sich um sie? Wo können sie andocken, um ihr Studium bzw. ihre Ausbildung abzuschließen und sich die eigene Existenz aufzubauen? Diese Jugendlichen werden von der öffentlichen Hand in für sie geeignete Einrichtungen untergebracht. Bis zu maximal 21 Jahren ist dies möglich, mitunter ist schon mit 18 Schluss! Danach sind sie sprichwörtlich von einem Tag auf den anderen auf sich alleine gestellt und das, obwohl sie nicht immer das Glück der Geborgenheit erfahren haben, was sie mit einem Überschuss an Selbstvertrauen ausstatten würde. Diese Jugendlichen haben ein Recht auf ihre Zukunft und verdienen unsere Unterstützung, mindestens genauso wie es die Jugendlichen in ihren Familien verdienen!

Text: Karl Brunner