Thema
Mitreden und Zukunft gestalten
Gemeindeentwicklungsprogramm: aktive Bürgerbeteiligung
Bei einer Bürgerbeteiligung geht es nicht darum die eigenen Interessen unterzubringen, sondern mit dem Blick auf das Ganze die Gemeinde mitzugestalten.
In diesen Monaten werden in allen Gemeinden die Weichen für die Zukunft gestellt. Dabei sollten alle mitreden, auch sozial engagierte Bürgerinnen und Bürger.
Leo Resch,
Referatsleiter der Arche im KVW
Referatsleiter der Arche im KVW
Auf den ersten Blick scheinen die Themenbereiche Sozialpolitik und Urbanistik kaum Berührungspunkte zu haben. Sehen wir jedoch genauer hin, und dazu möchte ich Sie als Leserin und Leser dieses Artikels einladen, sind die Themen eng miteinander verflochten.
In den kommenden zwölf bis 24 Monaten werden die Weichen für das Leben in und mit unserer Landschaft gestellt. In diesem Zeitrahmen werden nämlich die Entwicklungsprogramme der Gemeinden ausgearbeitet. Das ist ein wichtiger Prozess, bei dem sich möglichst viele sozial engagierte Personen einbringen sollten, weil damit die Zukunft für nachfolgende Generationen gestaltet wird.
In der Praxis sieht es anders aus. Sieht man sich die Themen an, die derzeit bei Medien und Politik im Mittelpunkt stehen, dann entsteht der Eindruck, es gäbe nur Wirtschaft, Gastgewerbe, Handwerk und Landwirtschaft. Hin und wieder geht es auch um Menschen, die in der Pflege arbeiten. Jugendliche, Familien, Angestellte und Senior:innen kommen selten zu Wort und werden kaum gehört.
Um sicherzustellen, dass die Zukunft der Gemeinden auch im Sinne der Jugend, der Familien, Angestellten und Senior:innen geplant wird, ist es dringend nötig mitzureden und nicht nur darüber zu klagen, dass andere Interessensgruppen lauter sind und vehementer vorgehen. Jetzt ist der Moment da, in dem sozial engagierte Menschen und deren Vertretungen ihre Anliegen mit Nachdruck vorbringen können. Das Gemeindeentwicklungsprogramm bietet die einmalige Chance dazu.
Städte wie Bozen oder Tourismuszonen wie das Grödner Tal tun sich schwer, den Bedarf an Wohnraum auszuloten. Zahlungskräftige Touristen schnappen sich alle Wohnungen, die auf dem Markt sind, und gleichzeitig suchen Beschäftigte im Gastgewerbe oder bei Unternehmen ebenso nach Wohnungen wie der Sozialbetrieb. Die Bevölkerungsentwicklung ist es, die den Bedarf an Wohnraum steigert, denn Familien werden kleiner und immer mehr ältere Menschen wohnen allein in sehr großen Wohnungen. Daraus ergibt sich, dass auch bei gleichbleibender Einwohnerzahl Jahr für Jahr neue Wohnungen gebraucht werden. Fachleute gehen davon aus, dass jährlich aufgrund sich ändernder Bedürfnisse und Haushaltsgrößen, eine Gemeinde bei gleichbleibender Einwohnerzahl ein Prozent neuer Wohnungen benötigt.
Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen. Berechnen wir daraus jedoch zum Beispiel den Bedarf von Bozen mit seinen rund 50.000 Haushalten, ergibt sich ein jährlicher Bedarf von 500 zusätzlichen Wohnungen.
Bitte informieren Sie sich in Ihrer Gemeinde, in welcher Phase sich das Gemeindeentwicklungsprogramm aktuell befindet, und bringen Sie Ihr Wissen über die Bedürfnisse in Ihrer Gemeinde ein. Bitte nutzen Sie dieses wichtige Planungsinstrument und stellen Sie damit sicher, dass die Bedürfnisse aller Bürger:innen auch in Ihrer Gemeinde Gehör finden.
Der KVW organisiert dazu eine landesweite Vortragsreihe, die Termine finden Sie auf Seite 11.
TEXT: Leo Resch
In den kommenden zwölf bis 24 Monaten werden die Weichen für das Leben in und mit unserer Landschaft gestellt. In diesem Zeitrahmen werden nämlich die Entwicklungsprogramme der Gemeinden ausgearbeitet. Das ist ein wichtiger Prozess, bei dem sich möglichst viele sozial engagierte Personen einbringen sollten, weil damit die Zukunft für nachfolgende Generationen gestaltet wird.
Die Lebensräume von morgen
Mit dem neuen Gesetz für Raum und Landschaft vom Juli 2020 erhielt jede Gemeinde die Aufgabe, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, wie sie sich in den kommenden zehn Jahren entwickeln möchte. Sie muss ein Gemeindeentwicklungsprogramm erarbeiten – nicht von Politiker:innen und Fachleuten allein im stillen Kämmerchen erstellt –, sondern das die aktive Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern braucht. Es geht nicht nur darum, ob und in welchem Ausmaß in den kommenden zehn Jahren Bauflächen entstehen, sondern auch darum, wo und in welcher Quantität und Qualität Freiflächen für soziales Leben, für die Kultur und die Natur gesichert werden sollen. Es geht darum, wie die Lebensräume von morgen aussehen werden.
Fachleute sind alle, die im Dorf leben
Da es niemanden gibt, der besser Bescheid weiß über das Leben im Dorf als die Bürger:innen, die dort wohnen, ist es unerlässlich, dass diese aktiv mitplanen. Der Miteinbezug der Bevölkerung wurde sogar gesetzlich verankert. Bei der Ausarbeitung der Entwicklungsprogramme muss also dafür gesorgt werden, dass nicht nur einzelne Interessensgruppen zum Zug kommen. Damit ist zumindest theoretisch gewährleistet, dass jede und jeder sich einbringen kann.In der Praxis sieht es anders aus. Sieht man sich die Themen an, die derzeit bei Medien und Politik im Mittelpunkt stehen, dann entsteht der Eindruck, es gäbe nur Wirtschaft, Gastgewerbe, Handwerk und Landwirtschaft. Hin und wieder geht es auch um Menschen, die in der Pflege arbeiten. Jugendliche, Familien, Angestellte und Senior:innen kommen selten zu Wort und werden kaum gehört.
Sozial engagierte Gruppen sind zu leise
Ob es daran liegt, dass diese Gruppen über weniger finanzielle Mittel verfügen oder daran, dass sie es nicht gewohnt sind, sich ganz nach vorne zu stellen, um laut ihre Forderungen vorzubringen, ist Ansichtssache. Tatsache ist, dass die Stimme der sozial engagierten Gruppen sehr leise geworden ist.Um sicherzustellen, dass die Zukunft der Gemeinden auch im Sinne der Jugend, der Familien, Angestellten und Senior:innen geplant wird, ist es dringend nötig mitzureden und nicht nur darüber zu klagen, dass andere Interessensgruppen lauter sind und vehementer vorgehen. Jetzt ist der Moment da, in dem sozial engagierte Menschen und deren Vertretungen ihre Anliegen mit Nachdruck vorbringen können. Das Gemeindeentwicklungsprogramm bietet die einmalige Chance dazu.
Freiflächen für Spiel, Erholung, Sozialkontakte, Wohnbau
Speziell für Themenbereiche, die viel Raum benötigen, ist es wichtig, dass der Bedarf angemeldet wird. Freiflächen für alle Generationen – zum Spielen, für die Erholung, für körperliche Ertüchtigung und das Pflegen sozialer Kontakte – werden ebenso dringend benötigt wie Flächen für den Wohnbau. Der Bedarf an Freiflächen kann anhand von Einwohnerzahlen, der Größe sowie der Erreichbarkeit der bestehenden Flächen und der gewünschten Tätigkeiten gut errechnet werden. Beim Wohnbau ist die Sache etwas schwieriger. Daher ist es sehr wichtig, dass genauer hingeschaut wird. Der Wohnbau wurde in den letzten Jahren oft wegen des Flächenverbrauchs an den Pranger gestellt. Eine Sichtweise, die – wie eine Studie des AFI aus dem Jahr 2017 belegt – falsch ist. Die Bauabschlüsse von Wohnbaugenossenschaften und des WOBI haben in den Jahren 1971 bis 2005 lediglich 9,4 Prozent ausgemacht.
Wohnen als Grundrecht
Von einigen Gemeindepolitiker:innen wurde und wird das Argument vertreten, dass Flächen für den Wohnbau nur gerechtfertigt sind, wenn die Gemeinde wachsen möchte. Zuallererst ist das Wohnen aber ein Grundrecht. Jede Bürgerin und jeder Bürger hat das Recht auf eine Wohnung. Das bedeutet nicht, dass jede und jeder auf der grünen Wiese eine Eigentumswohnung bauen kann. Doch es bedeutet, dass jede Gemeinde dafür sorgen muss, dass den Bewohner:innen und Arbeitskräften ein ausreichendes Angebot an Wohnmöglichkeiten zur Verfügung steht.Städte wie Bozen oder Tourismuszonen wie das Grödner Tal tun sich schwer, den Bedarf an Wohnraum auszuloten. Zahlungskräftige Touristen schnappen sich alle Wohnungen, die auf dem Markt sind, und gleichzeitig suchen Beschäftigte im Gastgewerbe oder bei Unternehmen ebenso nach Wohnungen wie der Sozialbetrieb. Die Bevölkerungsentwicklung ist es, die den Bedarf an Wohnraum steigert, denn Familien werden kleiner und immer mehr ältere Menschen wohnen allein in sehr großen Wohnungen. Daraus ergibt sich, dass auch bei gleichbleibender Einwohnerzahl Jahr für Jahr neue Wohnungen gebraucht werden. Fachleute gehen davon aus, dass jährlich aufgrund sich ändernder Bedürfnisse und Haushaltsgrößen, eine Gemeinde bei gleichbleibender Einwohnerzahl ein Prozent neuer Wohnungen benötigt.
Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen. Berechnen wir daraus jedoch zum Beispiel den Bedarf von Bozen mit seinen rund 50.000 Haushalten, ergibt sich ein jährlicher Bedarf von 500 zusätzlichen Wohnungen.
Wohnraum ist knapp
Wir sehen, dass diese ein Prozent viel mehr sind, als die allermeisten Gemeinden in den letzten Jahren an neuem Wohnraum geschaffen haben. Um diesen Bedarf decken zu können, müssen auf jeden Fall auch neue Wege beschritten werden. Es wäre nicht zu verantworten, diesen Bedarf allein mit dem Umwidmen von Grünflächen in Wohnbauzonen zu decken. Auch hier ist ein Umdenken nötig. Es gilt, leerstehende Gebäude zu nutzen, wenig genutzte Gebäude einer neuen und intensiveren Nutzung zuzuführen, und es gilt, die Intensität der Nutzung zu steigern – sprich, wir müssen dichter und höher bauen, ohne die Qualität zu reduzieren, und nicht zuletzt müssen wir die Ansprüche an die Flächen an die neue Situation anpassen. Bescheidenheit erscheint mir notwendig für all jene, die ihre Wohnsituation ändern möchten oder müssen.
Warum das Mitreden jetzt so wichtig ist
Es braucht jetzt sozial engagierte Personen, die sich am Gemeindeentwicklungsprogramm beteiligen. Es geht darum, dass auch in Zukunft genügend Flächen für das Grundrecht des Wohnens und das kulturelle und soziale Leben zur Verfügung stehen.Bitte informieren Sie sich in Ihrer Gemeinde, in welcher Phase sich das Gemeindeentwicklungsprogramm aktuell befindet, und bringen Sie Ihr Wissen über die Bedürfnisse in Ihrer Gemeinde ein. Bitte nutzen Sie dieses wichtige Planungsinstrument und stellen Sie damit sicher, dass die Bedürfnisse aller Bürger:innen auch in Ihrer Gemeinde Gehör finden.
Der KVW organisiert dazu eine landesweite Vortragsreihe, die Termine finden Sie auf Seite 11.
TEXT: Leo Resch