Soziales

Mehr als nur Essen

Das erste Jahr der Tafel in Mals
Marion Januth, Gertrud Schwabl und Irmgard Moriggl (v.l.) gehören zur Gruppe der Freiwilligen der „Tafel“ in Mals
Foto: Der Vinschger/Josef Laner
Man kennt es auf den Nachrichten: Menschen stehen Schlange und werden von Freiwilligen mit gespendeten Lebensmitteln versorgt. Ganz so ist es in Mals nicht, aber auch im Vinschger Oberland gibt es eine Tafel, die bedürftige Menschen aus den umliegenden Ortschaften einmal wöchentlich mit Essen versorgt. Nun wird die Tafel ein Jahr alt und die Einrichtung hat sich bewährt und wird dankbar angenommen. Die Tafel in Mals ist die jüngste, der derzeit 10 Tafeln die, die Vinzenzgemeinschaft betreibt.
Einmal die Woche, immer donnerstags, sperren freiwillige Helfer die Türen des von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Raums auf und erwarten dort ihre Kunden. Diese müssen bedürftig sein um überhaupt Zugang zur Tafel zu bekommen. Erst dann dürfen, die in Kartone und Taschen gepackten Lebensmittel, mitgenommen werden. „ Wir kennen die Familien, die zur Tafel kommen und es werden entsprechend der Anzahl der Famililemitglieder Pakete zusammengesetzt“, so Gertrud Telser Schwabl. Sie ist ehemalige Sozialreferentin der Gemeinde Mals, in verschiedensten Gremien des KVW aktives Mitglied (Vorsitzende KVW Frauen Vinschgau, Bezirksausschuss und Landesausschuss) und nicht zuletzt die Frau der ersten Stunde bei der Tafel in Mals. Sie bringt sich aktiv bei der Planung und Ausgabe von Lebensmitteln ein.
Vor der Gründung der Tafel wurden die Menschen, die die Tafel besuchen, alle von der Tafel in Prad mitversorgt. Damit die Menschen die Tafel leichter mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen können, aber auch aus Platzgründen und gestiegenem Bedarf, wurde schließlich die Tafel in Mals eingerichtet. „Dafür braucht es die Hilfe und Unterstützung vieler: die Gemeinde Mals hat einen Raum zur Verfügung gestellt, die Freiwillige Feuerwehr vor Ort hat die Aufgabe übernommen einmal im Monat beim Banco Alimentare haltbare Lebensmitteln wie Nudeln, Reis, Mehl, Thunfisch…von Bozen nach Mals zu bringen“, so Vizebürgermeisterin Marion Januth. Mittlerweile kann man in Mals auf ein 16 köpfiges Freiwilligenteam zählen, das die Lebensmittel auspackt und gerecht verteilt. Auch die Dorfbevölkerung hilft mit und steuert Lebensmittel und Hygieneartikel bei, die in den Geschäften vor Ort in bereitgestellte Körbe gelegt werden können. Jede Woche liefert der Bäcker einen Sack Brot, die lokale Obstgenossenschaft stellt regelmäßig Äpfel zur Verfügung. Lebensmittel, die nicht mehr verkäuflich sind, da sie kurz vor dem Verfallsdatum stehen, werden von den Geschäften gespendet. „Außerdem werden wir auch immer wieder von der Großzügigkeit von Spender:innen überrascht. Gestern hat ein Mann frische Eier vorbeigebracht und so konnten wir unseren mehr als 30 Familien einige mitgeben“, freut sich Gertrud Telser Schwabl. Auch an die Freiwilligen sei schon gedachtt worden: eine Frau habe für alle Mitarbeiter der Tafel zu Weihnachten eine kleine Überraschung vorbeigebracht. Viele der Menschen sind Stammkunden, einige brauchen aber auch oft nur kurzfristig eine Überbrückung wegen Verdienstausfall bei Corona beispielsweise oder krankheitsbedingt. Das Angebot wird vor allem von kinderreichen Familien, Menschen mit Migrationshintergrund und prekär Beschäftigten in Anspruch genommen. Ein Drittel davon sind Einheimische. Die Tafel in Mals wird gebraucht: damit die Menschen, die sonst schon oft am Rande der Gesellschaft stehen und nicht immer selbst Schuld daran sind, Unterstützung erfahren.
Neben dem Essen, spendet die Tafel und alle die sich dafür engagieren auch ein kleines Stück Würde und Erleichterung im oft herausfordernden Alltag.
Text: Iris Pahl

Kommentar

Faires Südtirol

Die Soziale Mobilität betrifft uns alle. Dabei geht es aber nicht etwa um den öffentlichen Nahverkehr, sondern um die soziale Herkunft der Personen und um faire Chancen für alle bei Bildung, Beruf und Einkommen.
Das Forschungsgebiet Soziale Mobilität erlange vor allem im Laufe des letzten Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit. Im Prinzip geht es dabei um eines: Chancengleichheit. Studien zur Soziale Mobilität erlauben, Veränderungen einer gesellschaftlichen Struktur und Bewegungen innerhalb dieser zu erkennen und somit Maßnahmen zu identifizieren, welche zu mehr oder weniger egalitären Gesellschaften führen.
In Südtirol war dieses Thema bislang unerforscht. Unser Alpenland zählt rund eine halbe Million Einwohner, welche im letzten Jahrhundert durch viele Ereignisse stark geprägt wurden, wie das Zusammenfließen mit mehreren Kulturen und eine starke wirtschaftliche Entwicklung, die heute aus Südtirol eines der wohlhabendsten Länder Europas macht.
Doch inwiefern ist es den Südtirolern möglich, die eigene soziale Position, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, zu verbessern? Antwort darauf bietet die Studie ‚Soziale Mobilität in Südtirol‘, welche vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut zusammen mit dem Center for Advanced Studies der Eurac Research vorgestellt wurde.
Südtirol spiegelt italienische und europäische Tendenzen in Sachen Bildung, Beruf und Einkommen wider. Während einige Familien ihr Leben und ihre Tätigkeiten sorgenlos führen können, leben andere in Armut oder mit nur beschränken Möglichkeiten, ihre Position zu verbessern. Chancengleichheit impliziert, dass auch Personen, die aus einem benachteiligten familiären Umfeld stammen, im Laufe einer Generation durch Fleiß und persönlichem Verdienst in die höheren sozialen Schichten aufsteigen können – diese sind stark durch einen hohen Bildungsgrad, einen angesehenen Beruf, oder ein hohes Einkommen geprägt.
Jedoch ist, zum Beispiel, obgleich die Möglichkeit auf Bildung in den letzten Jahrzehnten immer ausgeprägter wurde, die Chance, einen hohen Bildungsgrad zu erreichen größer, wenn mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss besitzt. Auch die Chance, in der Berufsklasse der Eltern zu bleiben, ist sehr viel höher als die Chance, in einer anderen Berufsklasse zu landen.
Im Lande ist es knapp einem Drittel der Südtirolern gelungen, ihre Stellung im Vergleich zu der ihrer Eltern zu verbessern. Andererseits stürzen auch knapp einer von fünf im Vergleich zu den Eltern sozioökonomisch ab. Vieles dieser Veränderungsprozesse beruht auf etwa Veränderungen in der Beschäftigungsstruktur, im Lebensstandard oder im Bildungswesen. Andererseits erkennt man in Südtirol auch eine „Erbschaft“ des sozialen Status der Familie. Zwar ist dies aus der Perspektive derjenigen, die aus Familien mit höheren Berufsklassen stammen, durchaus positiv, da sie dann selbst sehr gute Chancen haben, selbst hohe Positionen zu erlangen. Gleichzeitig bedeutet dies für Personen mit Eltern aus den unteren Berufskategorien beschränktere Möglichkeiten, die „soziale Leiter“ hochzuklettern. In der Literatur spricht man von „klebriger Decke“ bzw. „klebrigem Boden“.
Südtirol bietet durchaus gesellschaftliche Aufstiegsmöglichkeiten, obgleich diese nicht immer leicht erreichbar sind, und dies oftmals nur im beschränken Ausmaß. In der öffentlichen Debatte herrscht weitgehend Konsens über die Notwendigkeit, in die Chancengleichheit zu investieren. So ist es zum Beispiel entscheidend, den Zugang zu frühkindlicher Erziehung zu fördern oder Familien bei Schicksalsschlägen und Schockereignissen mit gezielten Stützprogrammen zu begleiten. Eine sozial mobilere Gesellschaft impliziert, dass die gesellschaftliche Stellung weniger von vererbten Privilegien und mehr von eigenen Fähigkeiten und Bemühungen bestimmt ist.
Text: Alessandro Francisi / AFI Arbeitsförderungsinstitut
Die Studie ‚Soziale Mobilität in Südtirol' wurde im Rahmen einer Tagung vom AFI | Arbeitsförderungsinstitut zusammen mit dem Center for Advanced Studies der Eurac Research letzten Dezember nach fast zweijähriger Vorlaufzeit der Öffentlichkeit vorgestellt.
Für die Studie wurden 1.500 Personen telefonisch interviewt. Die Stichprobe ist für Südtirol repräsentativ.
Die Tagung wurde vollinhaltlich aufgezeichnet. Das Video kann auf den Webseiten von Eurac Research und AFI
(www.afi-ipl.org) aufgerufen werden. Dasselbe gilt für die vollständige Studie.