Editorial

Liebe Leserinnen, lieber Leser!

Werner Atz
Stellen Sie sich vor in 80 Tagen sind Wahlen und keiner geht hin. Das ist die große Befürchtung, die viele Menschen im Land und viele der Kandidat:innen auf ebenso vielen verschiedenen Listen haben. Wählen ist jedoch eine Pflicht und vor allem ein Recht. Machen wir davon Gebrauch und stärken wir die sozialen Kräfte. Jede Stimme zählt.

Wir befassen uns in dieser Ausgabe ausgiebig mit politischen Themen. Der Bezirk Bozen stellt seine Aktion zur politischen Bildung vor und im Kommentar spricht Hermann Atz über den Wert der Demokratie.

Im Interview mit der Eurac Forscherin Melanie Gross geht es um das Thema, wieso es wichtig ist, dass der Frauenanteil in Südtirols Gemeindestuben steigt.
Es steht uns also ein heißer Herbst bevor.

Was uns gesellschaftspolitisch wichtig ist, zeigen wir mit unserem Jahresthema „Miteinander in Bewegung, damit niemand zurückgelassen wird“. Es baut auf den Vorgänger „Miteinander in Bewegung, damit Gemeinschaft wächst“ auf und möchte dem Entgegenwirken, dass sich die Kluft zwischen denen die viel haben und jenen die wenig besitzen, immer weiter auftut. Unterstützen wir jene die es wirklich brauchen: finanziell über unseren Hilfsfonds, emotional durch unsere Veranstaltungen und Gemeinschaft stiftende Aktionen und politisch, in dem wir nicht müde werden aufzuzeigen wo es noch mehr Solidarität (und Geld) braucht um den sozialen Frieden in unserem Land zu gewährleisten.

Ihr Werner Atz

Thema

Miteinander in Bewegung, damit niemand zurückgelassen wird.

Das Jahresthema des KVW 2023/24
Foto: Andrew Moca - unsplash
Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch: eine Krise jagt die andere, die Ressourcen werden weniger, das Klima spielt verrückt. Gleichzeitig haben wir hier in Südtirol in den vergangen Jahren einen guten Lebensstandard erreicht und wollen diesen auch beibehalten. Allerdings wird es für immer mehr Menschen schwieriger da mitzuhalten.
Das aktuelle AFI Barometer zeigt das Auseinenderdriften der Gesellschaft deutlich auf: 46% der Arbeitnehmer geben an, dass sie am Ende des Monats nichts sparen können um auch für Notfälle gerüstet zu sein. Fast 20% gaben sogar an, dass sie es nicht schaffen mit dem Monatslohn über die Runden zu kommen. Der KVW, der Katholische Verband der Werktätigen, beschäftigt sich in seinem neuen Jahresthema mit diesen Menschen. Miteinander in Bewegung, damit niemand zurückgelassen wird! Unser neues Jahresthema regt zum Nachdenken an und zum aufeinander zugehen an.
Gemeinsam geht es besser
Es ist Aufgabe unseres Verbandes, in unseren Ortsgruppen und Gremien Aufklärung zu leisten und dadurch vermehrt Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Viele unserer Mitbürger:innen werden übersehen und bleiben dadurch zurück: prekäre Arbeitsverhältnisse, geringer Lohn, besondere familiäre Umstände, Altersarmut… Diesen Menschen wollen wir Mut machen, sich Hilfe zu holen und Sozialleistungen nicht als Almosen, sondern als wichtige Unterstützung für den Alltag zu verstehen. Nicht vergessen möchten wir auch die gespannte Situation am Wohnungsmarkt. Die Mietpreise sind stark angestiegen und das Mieten einer Wohnung ist für viele Mitmenschen zu einer echten Herausforderung geworden.
Viele Seniorinnen und Senioren sind überfordert mit den digitalen Medien und brauchen dort eine Unterstützung. Als KVW bieten wir Unterstützung über unsere Digi-Coaches an. Dieser sehr wichtige Dienst ist aber ausbaufähig. Die Ehrenamtlichen in den Ortsgruppen können noch vermehrt Hilfestellungen anfordern und dadurch bei Überforderung im digitalen Bereich einen wichtigen Lotsendienst leisten.
Nicht vergessen wollen wir auch Zugezogene, psychische Kranke und Menschen anderer Kulturen. Auch sie tun sich schwer sich eine Dorfgemeinschaft einzufügen oder zu integrieren. Es gibt viele Frauen aus anderen Kulturkreisen, die unserer Landessprachen nicht mächtig sind und somit kaum soziale Kontakte in unserer Gemeinschaft pflegen können. Die Männer gehen zur Arbeit und die Frauen bleiben in ihrer Isolation. Auch hier soll unserer Jahresthema sensibilisieren und Menschen zu einem positiven Miteinander ermutigen.
Füreinander und miteinander
Der KVW setzt sich ein für eine soziale und gerechte Gesellschaft und bietet denen, die nicht mit den vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen unserer heutigen Leistungsgesellschaft Schritt halten können, Hilfe an. Die Ortsgruppen, 250 davon gibt es über das ganze Land verstreut, wollen für die Menschen vor Ort da sein und sind bereit Verantwortung zu übernehmen. Viele bieten schon Hilfe bei digitalen Herausforderungen an (Vormerkungen, ABO+…), organisieren gemeinsam mit der KVW Bildung Vorträge und Lehrgänge zu wichtigen Themen und sensibilisieren für solche (Suizid, Besser Lesen und Schreiben durch die Basisbildung,..), schaffen Orte der Begegnung.
Das Patronat KVW ACLI steht den Antragstellern bei den Ansuchen für die Absicherung im Alter, bei Krankheit oder bei Arbeitslosigkeit bei.
Der KVW Hilfsfonds hingegen hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen im Lande, welche durch plötzliche Schicksalsschläge wie der Tod eines Angehörigen, der für den Unterhalt der Familie gesorgt hat, Unfall, Krankheit oder andere schwere Lebenssituationen in akute finanzielle Not geraten sind, kurzfristig finanziell unter die Arme zu greifen.
Soziale Verantwortung
Auch nach mehr als 75 Jahren wird der KVW nicht müde, zu sagen, dass sozial bedeutet in eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft eingebunden zu sein. Vom ersten Tag an, ist der Mensch darauf angewiesen, dass andere für ihn sorgen. Jeder und jede Einzelne von uns ist auf andere angewiesen. Es kann nicht sein, dass in einem so reichen Land wie Südtirol viele Menschen es sich nicht mehr schaffen für sich selbst zu sorgen- trotz Erwerbsarbeit. Bleiben wir Miteinander in Bewegung, pochen wir darauf, dass auch für die Sozialpolitik wieder mehr Budget zur Verfügung steht, dass das Geld bei denen ankommt, die es wirklich benötigen und all jene die über ein Einkommen verfügen, damit auch auskommen können. Ein sozialer Ausgleich garantiert langfristig auch einen sozialen Frieden: der Individualismus unserer Zeit führt in eine Sackgasse. Das Ziel ist es den Menschen Zuversicht zu schenken und sie zu befähigen sich selbst für die Gemeinschaft einzusetzen. Mehr denn je, braucht es anstelle des ICH ein WIR.
Text: Werner Steiner
Werner Steiner