Soziales

Psychische Gesundheit

Gespräche auf Augenhöhe
Dorothea Passler Mair
Der KVW-Bezirk Pustertal organisiert in Zusammenarbeit mit dem Verband Ariadne, dem Verein Lichtung und weiteren Institutionen monatliche Treffen, bei denen sich Betroffene, Angehörige und Fachpersonen im Bereich der psychischen Gesundheit zu ihren Erfahrungen im Umgang mit seelischen Krisen austauschen. Gegenseitige Wertschätzung, Offenheit und Vertraulichkeit lassen es zu, dass es zu echten Begegnungen und einem tieferen Verständnis von psychischer Erkrankung kommen kann.
Wie das genau abläuft und warum es wichtig ist Personen aus ihrem Schneckenhaus hervorzuholen und anzusprechen, darüber haben wir uns mit der Vertreterin im Bezirksauschuss Pustertal des KVW Dori Passler Mair unterhalten. Sie ist Genesungsbegleiterin für psychisch kranke Menschen. Früher selbst betroffen, ist sie heute einer der treibenden Kräfte, Menschen für das Thema zu sensibilisieren und konkret,- unter anderem durch diese trialogischen Treffen, Hilfe anzubieten.

Wie kam es zu diesen trialogischen Treffen?
Dori Passler Mair: Der KVW- Bezirk Pustertal hat in den Jahren 2021/22 eine 6-reihige Diskussionsrunde zum Thema „Gesunde Psyche - warum reden so wichtig ist“ abgehalten. Diese sehr gut besuchten Abende haben gezeigt, dass der Bedarf nach weiteren Gesprächen sehr groß ist. Dies hat den KVW und den Verein Lichtung veranlasst, Vertreterinnen und Vertreter von Südtiroler Institutionen und Verbände einzuladen, um über die Einführung eines Trialoges zu sprechen. Das Interesse war bei allen Beteiligten sehr groß und so entstanden diese Treffen, die abwechselnd einmal monatlich in Bruneck und Brixen abgehalten werden.

Was ist das Ziel solcher Treffen & wer sind die teilnehmenden Personen?
Das Ziel der trialogischen Treffen besteht in erster Linie darin, diese Tabuthemen in die Gesellschaft zu bringen und Betroffenen und Angehörigen in einem geschützten Raum eine Stimme zu verleihen. Es ist eine neue Gesprächskultur, bei der nicht übereinander sondern miteinander zu bestimmten Themen gesprochen wird. Die Treffen richten sich an Betroffene, Angehörige und Fachpersonen, sowie an alle interessierten Personen.

Wie viele Personen kommen zu solch einer Veranstaltung und was kann man sich unter einer solchen Begegnung vorstellen und?
Die Anzahl der Besucher:innen hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen. Je nach Thema kommen zwischen 25 und 69 Personen, von denen ca. die Hälfte Betroffene, ein Viertel Angehörige und der Rest Fachpersonen und Interessierte sind.
Da die Treffen grundsätzlich auf Augenhöhe stattfinden, bilden wir in den Räumlichkeiten, wo die Trialoge abgehalten werden, einen Kreis, wo jeder und jede einen Platz einnehmen kann. Jedes Treffen hat ein bestimmtes Thema, zu dem jeder im Raum völlig frei von seinen Erfahrungen sprechen kann. Ein Moderatorenteam kümmert sich um ein wertschätzendendes Gesprächsklima, in dem Vertraulichkeit und ein respektvoller Umgang mit den berührenden Geschichten sehr wichtig ist. In unterschiedlichen Formen berichten Betroffene und Angehörige von ihren Sorgen und Ängsten, aber auch von Strategien und Wendepunkten im Umgang mit psychischen Erkrankungen. Auch Fachpersonen sprechen von ihren Ressourcen und Kraftquellen, die ihnen dabei helfen, ihren oft schwierigen Berufsalltag zu bewältigen. Durch das gegenseitige Zuhören und Miteinander reden wird ein von einander Lernen und ein neues Verständnis möglich. Der anschließende Umtrunk, bei dem weitere Erfahrungen ausgetauscht werden zeigt immer wieder, wie groß das Bedürfnis nach Gesprächen ist.

Obwohl viele unter Depressionen, Angstzuständen…. leiden, ist es nach wie vor schwierig in unserer Gesellschaft zu sagen, dass die „Seele“ leidet. Wie schafft man es darüber frei und offen zu sprechen und wo können Betroffene Hilfe holen?
Obwohl sich die Lage in den letzten Jahrzehnten etwas gebessert hat, ist es aufgrund der negativen Vorurteile immer noch schwierig über seelische Krisen zu reden. Daher braucht es noch viel Aufklärung und Sensibilisierungsarbeit, die bereits in den Schulen beginnen sollte. Gott sei Dank gibt es immer mehr Menschen, die offen zu ihren Krisen stehen und zeigen, dass man sich für eine psychische Erkrankung nicht schämen braucht, dass es Auswege gibt und dass Heilung möglich ist.
Dank vieler Vereine und Verbände gibt es als Ergänzung zur professionellen Versorgung landesweite Angebote im Bereich Prävention und Hilfe zur Selbsthilfe. Neben der Notfall- und Telefonseelsorge und den landesweiten Selbsthilfegruppen ist der Trialog nun ein weiterer Baustein, der Menschen in schwierigen Lebenslagen auffangen und begleiten kann.

Laut Experten hat die Pandemie Probleme, die im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit verstärkt. Wie sehen Sie das?
Diese Aussagen kann ich nur bestätigen! Unsicherheiten, Zukunftsängste und vor allem auch die Einsamkeit haben durch Corona stark zugenommen. Ein gesellschaftlicher Zusammenhalt ist daher wichtiger denn je, d. h. es braucht immer mehr Menschen, die hinschauen und Hilfe anbieten, wenn es jemanden nicht gut geht.

Herzlichen Dank für das Gespräch!
Interview: Iris Pahl

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