KVW Aktuell

Dem Sinn auf der Spur

Karl Brunner, geistlicher Assistent im KVW


Ein junges Paar äußert sich zu seinen Zukunftsaussichten: „Wir sind verunsichert und haben Angst vor dem, was auf uns zukommt. Die Nachrichten schauen wir bewusst nicht mehr und weil wir unter den aktuellen Problemen leiden, haben wir uns dazu entschieden, dass es unverantwortlich wäre, Kinder in diese Welt zu setzen.“

Diese Auffassung, die im Übrigen durch Studien als breiteres Phänomen bestätigt wird, bringt ein Dilemma unserer Zeit auf den Punkt: Einerseits leben wir in unseren Breiten auf einem Wohlstandniveau, das beachtlich ist und andererseits merken wir, dass dieses nicht ausreicht, um unserem Leben Erfüllung zu schenken. Wenn das Leben sinnlos wird, verlieren wir die Zuversicht, egal wie gut es den Menschen von außen betrachtet gehen mag. Das eingangs beschriebene Paar bringt eine bedrückende Not und Hoffnungslosigkeit zum Ausdruck.

Als Gesellschaft haben wir miteinander in vielen Bereichen (Medizin, Handwerk, Soziales, Industrie, Medien, ...) einen enormen Aufschwung geleistet, der von einer großen Kompetenz getragen ist. Das Know-how (Wissen, wie man etwas gut macht) wurde und wird hochgepriesen. Die Frage nach dem Know-why (Warum wir etwas tun und welchen Wert dies für uns als Gesellschaft hat) hatte dabei – wenn überhaupt – sekundäre Bedeutung.

Der Sinn hinter unserem alltäglichen Tun hilft aber dabei, Zusammenhänge besser zu verstehen und die Verantwortung füreinander zu erspüren. Diese Zutaten braucht es u.a., um zu wissen, warum wir in der Früh aufstehen und warum es überhaupt eine Zukunft geben soll. Die Entdeckung des Sinns hinter unserem hochwertigen Tun, kann uns auch dabei helfen, die anstehenden Transformationsprozesse gut zu gestalten und uns von Unnötigem zu verabschieden.
Text: Karl Brunner

KVW Aktuell

Sozialgenossenschaften fest in weiblicher Hand

35 Sozialgenossenschaften zählt der Raiffeisenverband derzeit und die allermeisten davon haben über 90 % weibliche Mitarbeiterinnen, rund 60% davon in Teilzeit. Gesellschaftlich sind die Sozialgenossenschaften sehr bedeutend: sichern sie doch eine Begleitung und Betreuung vom Kleinkindalter bis zum Seniorenalter, bzw. bis zum Lebensabend, wenn die Menschen verstärkt auf Hilfe von anderen angewiesen sind.
Weibliches Podium mit Mann: v. l. Moderatorin Irene Schlechtleitner vom Raiffeisenverband, Petra Bisaglia von Coccinella, Paulina Schwarz, Vize-Obfrau des Raiffeisenverbandes, Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbands , Ursula Thaler von humanitas 24 und Sabine Cagol von IARTS. Foto: Raiffeisenverband
Warum arbeiten aber so viele Frauen in diesem Sektor? Bei einem Medienfrühstuck anlässlich des Tags der Frau wurden einige Argumente wie beispielsweise die familienfreundlichen Ar-beitszeiten, die Teilzeitmodelle, sinnstiftende Tätigkeiten, eine ausgeprägte soziale Ader ange-führt. Weniger positiv ist hingegen zu vermerken, dass die Bezahlung nicht besonders attraktiv, Berufe in diesem Sektor gesellschaftlich den anerkannteren Berufen in anderen Bereichen nachhinken und dass auch in Sozialgenossenschaften in den Führungsgremien überproportional viel Männer im Verhältnis zu den vorwiegend weiblichen Mitarbeiterinnen zu finden sind.

Genauso verschieden wie die Sozialgenossenschaften selbst (Alter, Struktur, Beschäftigte…), sind auch die Dienstleistungen: Betreuung von Kindern, Senioren, beeinträchtigte Menschen, bis hin zur Bildung, Gesundheit, Verkauf von fairen Produkten in den Weltläden. Um diese Spanne nochmal zu verdeutlichen, durch das ganze Leben sozusagen, haben wir vom Kompass das Ge-spräch mit Petra Bisaglia, Geschäftsführerin von „Coccinella“ und mit Ursula Thaler, Geschäftsführerin von „humanitas 24“ gesucht.
Welches ist die Dienstleistung und Stärke der Sozialgenossenschaft „Coccinella“, die hauptsächlich weiblichen Mitarbeiterinnen hat?
Petra Bisaglia: Wir betreuen derzeit südtirolweit 350 Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren in unseren 18 Kleinkindertagesstätten und 70 Kinder im Tagesmutterdienst. Weiteren 40 Kindergar-tenkindern bieten wir in Brixen eine verlängerte Nachmittagsbetreuung an und im Sommer kommen nochmals rund 200 Kinder dazu, welche unsere vielseitigen Sommerangebote in Bozen besuchen. Unsere Stärke ist sicherlich das zweisprachige Konzept, das wir seit Jahren mit Erfolg leben: Die Kinder haben die Möglichkeit in einem zweisprachigen Umfeld aufzuwachsen, unsere Mitarbeiter:innen sprechen mit den Kindern in ihrer jeweiligen Muttersprache und der Tagesablauf in der Kita wird komplett zweisprachig gestaltet. Des Weiteren haben wir stark in die fachliche Begleitung der Betreuer:innen investiert: Pädagog:innen besuchen die Einrichtungen regelmäßig und bieten Beratung und Begleitung an. Für unsere Fachkräfte organisieren wir ein breites Weiterbildungsangebot und Supervisionen vonseiten externer Psycholog:innen. Was die Ausstattung der Einrichtungen anbelangt, bevorzugen wir die Arbeit mit Naturmaterialien und sogenannten „loose parts“ (unfertige lose Spielmaterialien), welche die Kreativität der Kinder im Spiel anregen.
Auf welche neuen Herausforderungen stellen Sie sich für die Zukunft ein?
Petra Bisaglia: Unsere Dienste sind im ständigen Wachsen und die Nachfrage steigt. Die größte Herausforderung ist sicherlich unsere wachsende Organisation so zu gestalten, dass wir weiter-hin als Arbeitgeber attraktiv bleiben, die Qualität unserer Dienstleitungen für die Kinder garan-tieren und den Familien gute Elternarbeit anbieten. Der Kleinkindbereich, so wie der gesamte Sozialbereich, ist jetzt schon mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Hier gilt es zusammen mit unseren privaten und öffentlichen Netzwerkpartnern neue berufsbegleitende Ausbildungs-modelle zu schaffen, weiterhin auf ein gutes Committment mit den Mitarbeiter:innen zu setzen und deren soziale und finanzielle Absicherung zu garantieren. Für die nächsten Jahre wäre wichtig, dass jede Familie, die einen Betreuungsplatz braucht, auch einen bekommt. Noch immer gibt es Orte, wo es weder Tagesmütter noch Kita gibt bzw. nicht genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.
Was hat Sie dazu bewogen „humanitas 24“ zu gründen?
Ursula Thaler: Ältere Menschen und ihre Lebensgeschichten haben bereits in meiner Jugendzeit mein Interesse geweckt. Mit der Zeit ist daraus der Wunsch entstanden ältere Menschen in ih-rem letzten Lebensabschnitt zu begleiten und so meinen Beitrag für sie zu leisten. Nach einigen Jahren im Hauspflegedienst konnte ich als Einsatzleiterin mehr als 10 Jahre arbeiten. Die öffentlichen Dienste leisten hervorragende Arbeit. Ich habe aber auch gesehen, dass die Familien lange Betreuungszeiten brauchen, und die öffentlichen Dienste können diese nicht anbieten. Für die Familien war es oft schwierig vor mehr als 10 Jahren eine private Betreuungs-person (badante) zu finden und so wollte ich meine Erfahrung dafür einsetzen, den Familien hier eine Hilfestellung zu bieten und so älteren Menschen eine wertvolle Begleitung und Betreuung zu Hause zu ermöglichen
Welche Vorteile bietet Ihnen die Genossenschaftsstruktur?
Ursula Thaler: Die Sozialgenossenschaft ist unserer Meinung nach ideal für unsere Vorstellung und unserer Tätigkeit. Wir sind ein Unternehmen und müssen auch als solches wirtschaften, aber wir sind nicht darauf konzentriert Gewinne zu erwirtschaften die über die Kostendeckung hinausgehen. Mit unseren Leistungen können wir als Struktur also schlank bleiben und kosten-günstig für die Familien unsere Dienstleistungen anbieten. Das entspricht ganz unserer Vorstellung eines sozialen Wirtschaftens und passt gut zu unserer sinnvollen Tätigkeit. Außerdem sind wir mit anderen Sozialgenossenschaften und Genossenschaften verbunden und sind in ein Netzwerk von Unternehmen eingebunden, die ebenfalls wie wir wirtschaften. So bereichern und unterstützen wir uns gegenseitig.
Interview: Iris Pahl