KVW Aktuell

Sozialgenossenschaften fest in weiblicher Hand

35 Sozialgenossenschaften zählt der Raiffeisenverband derzeit und die allermeisten davon haben über 90 % weibliche Mitarbeiterinnen, rund 60% davon in Teilzeit. Gesellschaftlich sind die Sozialgenossenschaften sehr bedeutend: sichern sie doch eine Begleitung und Betreuung vom Kleinkindalter bis zum Seniorenalter, bzw. bis zum Lebensabend, wenn die Menschen verstärkt auf Hilfe von anderen angewiesen sind.
Weibliches Podium mit Mann: v. l. Moderatorin Irene Schlechtleitner vom Raiffeisenverband, Petra Bisaglia von Coccinella, Paulina Schwarz, Vize-Obfrau des Raiffeisenverbandes, Christian Tanner, Vizedirektor des Raiffeisenverbands , Ursula Thaler von humanitas 24 und Sabine Cagol von IARTS. Foto: Raiffeisenverband
Warum arbeiten aber so viele Frauen in diesem Sektor? Bei einem Medienfrühstuck anlässlich des Tags der Frau wurden einige Argumente wie beispielsweise die familienfreundlichen Ar-beitszeiten, die Teilzeitmodelle, sinnstiftende Tätigkeiten, eine ausgeprägte soziale Ader ange-führt. Weniger positiv ist hingegen zu vermerken, dass die Bezahlung nicht besonders attraktiv, Berufe in diesem Sektor gesellschaftlich den anerkannteren Berufen in anderen Bereichen nachhinken und dass auch in Sozialgenossenschaften in den Führungsgremien überproportional viel Männer im Verhältnis zu den vorwiegend weiblichen Mitarbeiterinnen zu finden sind.

Genauso verschieden wie die Sozialgenossenschaften selbst (Alter, Struktur, Beschäftigte…), sind auch die Dienstleistungen: Betreuung von Kindern, Senioren, beeinträchtigte Menschen, bis hin zur Bildung, Gesundheit, Verkauf von fairen Produkten in den Weltläden. Um diese Spanne nochmal zu verdeutlichen, durch das ganze Leben sozusagen, haben wir vom Kompass das Ge-spräch mit Petra Bisaglia, Geschäftsführerin von „Coccinella“ und mit Ursula Thaler, Geschäftsführerin von „humanitas 24“ gesucht.
Welches ist die Dienstleistung und Stärke der Sozialgenossenschaft „Coccinella“, die hauptsächlich weiblichen Mitarbeiterinnen hat?
Petra Bisaglia: Wir betreuen derzeit südtirolweit 350 Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren in unseren 18 Kleinkindertagesstätten und 70 Kinder im Tagesmutterdienst. Weiteren 40 Kindergar-tenkindern bieten wir in Brixen eine verlängerte Nachmittagsbetreuung an und im Sommer kommen nochmals rund 200 Kinder dazu, welche unsere vielseitigen Sommerangebote in Bozen besuchen. Unsere Stärke ist sicherlich das zweisprachige Konzept, das wir seit Jahren mit Erfolg leben: Die Kinder haben die Möglichkeit in einem zweisprachigen Umfeld aufzuwachsen, unsere Mitarbeiter:innen sprechen mit den Kindern in ihrer jeweiligen Muttersprache und der Tagesablauf in der Kita wird komplett zweisprachig gestaltet. Des Weiteren haben wir stark in die fachliche Begleitung der Betreuer:innen investiert: Pädagog:innen besuchen die Einrichtungen regelmäßig und bieten Beratung und Begleitung an. Für unsere Fachkräfte organisieren wir ein breites Weiterbildungsangebot und Supervisionen vonseiten externer Psycholog:innen. Was die Ausstattung der Einrichtungen anbelangt, bevorzugen wir die Arbeit mit Naturmaterialien und sogenannten „loose parts“ (unfertige lose Spielmaterialien), welche die Kreativität der Kinder im Spiel anregen.
Auf welche neuen Herausforderungen stellen Sie sich für die Zukunft ein?
Petra Bisaglia: Unsere Dienste sind im ständigen Wachsen und die Nachfrage steigt. Die größte Herausforderung ist sicherlich unsere wachsende Organisation so zu gestalten, dass wir weiter-hin als Arbeitgeber attraktiv bleiben, die Qualität unserer Dienstleitungen für die Kinder garan-tieren und den Familien gute Elternarbeit anbieten. Der Kleinkindbereich, so wie der gesamte Sozialbereich, ist jetzt schon mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Hier gilt es zusammen mit unseren privaten und öffentlichen Netzwerkpartnern neue berufsbegleitende Ausbildungs-modelle zu schaffen, weiterhin auf ein gutes Committment mit den Mitarbeiter:innen zu setzen und deren soziale und finanzielle Absicherung zu garantieren. Für die nächsten Jahre wäre wichtig, dass jede Familie, die einen Betreuungsplatz braucht, auch einen bekommt. Noch immer gibt es Orte, wo es weder Tagesmütter noch Kita gibt bzw. nicht genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.
Was hat Sie dazu bewogen „humanitas 24“ zu gründen?
Ursula Thaler: Ältere Menschen und ihre Lebensgeschichten haben bereits in meiner Jugendzeit mein Interesse geweckt. Mit der Zeit ist daraus der Wunsch entstanden ältere Menschen in ih-rem letzten Lebensabschnitt zu begleiten und so meinen Beitrag für sie zu leisten. Nach einigen Jahren im Hauspflegedienst konnte ich als Einsatzleiterin mehr als 10 Jahre arbeiten. Die öffentlichen Dienste leisten hervorragende Arbeit. Ich habe aber auch gesehen, dass die Familien lange Betreuungszeiten brauchen, und die öffentlichen Dienste können diese nicht anbieten. Für die Familien war es oft schwierig vor mehr als 10 Jahren eine private Betreuungs-person (badante) zu finden und so wollte ich meine Erfahrung dafür einsetzen, den Familien hier eine Hilfestellung zu bieten und so älteren Menschen eine wertvolle Begleitung und Betreuung zu Hause zu ermöglichen
Welche Vorteile bietet Ihnen die Genossenschaftsstruktur?
Ursula Thaler: Die Sozialgenossenschaft ist unserer Meinung nach ideal für unsere Vorstellung und unserer Tätigkeit. Wir sind ein Unternehmen und müssen auch als solches wirtschaften, aber wir sind nicht darauf konzentriert Gewinne zu erwirtschaften die über die Kostendeckung hinausgehen. Mit unseren Leistungen können wir als Struktur also schlank bleiben und kosten-günstig für die Familien unsere Dienstleistungen anbieten. Das entspricht ganz unserer Vorstellung eines sozialen Wirtschaftens und passt gut zu unserer sinnvollen Tätigkeit. Außerdem sind wir mit anderen Sozialgenossenschaften und Genossenschaften verbunden und sind in ein Netzwerk von Unternehmen eingebunden, die ebenfalls wie wir wirtschaften. So bereichern und unterstützen wir uns gegenseitig.
Interview: Iris Pahl

KVW Aktuell

Dankbar und glücklich

Landestagung für Verwitwete und Alleinstehende
Prof. Dr. Ulrich Fistill bei der Messe
Seit 1968 setzt sich die Arbeitsgruppe für die Witwen und Witwer im KVW ein. In den KVW-Ortsgruppen wird eine Person für den Ausschuss gewählt, die dann als Vertreterin der Verwitweten und Alleinstehenden im Dorf tätig ist. Landesweit gibt es rund 240 ehrenamtliche Witwenvertreterinnen, aus denen der Vorstand der Interessengruppe bestimmt wird. Seit mehreren Jahren schon ist Rosa Purdeller Obergasteiger die Vorsitzende. Gewohnt herzlich begrüßte sie ihre „Mädels“ und führte humorvoll durch den Vormittag.
Professor Dr. Ulrich Fistill, Geistlicher Rektor der Cusanus-Akademie, zelebrierte zum Auftakt der Veranstaltung einen festlichen Gottesdienst.

Der Landesvorsitzende Werner Steiner begrüßte die Anwesenden und betonte, dass die Arbeit vor Ort nach wie vor unersetzlich. Durch schwere Schicksalsschläge hätten viele der Witwen und Witwer eine enorme Stärke und Resilienz entwickelt und darüber hinaus durch freiwilliges Engagement viel Solidarität mit anderen gezeigt. „Solidarität funktioniert gut, wenn man sich versteht und aufeinander zugeht“, so Steiner.

Woran erkennt man einen glücklichen Menschen? Was bedeutet Glück? Reinhard Demetz, Leiter des Seelsorgeamtes der Diözese Bozen-Brixen, stellte seinen Vortrag unter den Titel "Glück: Illusion oder Lebensziel?“. Gleich zu Beginn ließ er die Zuhörer im Saal allerdings wissen, dass er all jene enttäuschen müsse, die dafür passende Rezepte erwarten. Diese könne er ebenso wenig liefern wie selbsternannte Heilsbringer aus dem Internet oder andere, die vorgeben, „Wege zum Glück“ aufzeigen zu können. Vielmehr stellte Demetz zu Beginn eine Reihe von gewichtigen Meinungen vor, die sich mit dem Thema Glück auseinandergesetzt haben. Die Reise reichte von Sokrates' Aussage "Glück ist Vernunft und Tugend... lieber gerecht sterben als ungerecht leben!"über Diogenes "Glück ist Genügsamkeit" bis hin zu Seneca, welcher Glück in der Selbstbeherrschung, im Wissen um das Machbare und in der inneren Ruhe verortete. Unterschieden werden kann zwischen dem so genannten Empfindungsglück und dem Erfüllungsglück. Ersteres kann man sich so vorstellen, dass es ein Belohnungszentrum im Gehirn gibt und wir uns durch starke Erlebnisse, Rausch, soziale Anerkennung, sexuelle Lust, Macht oder auch Erfolg glücklich fühlen. All das verlangt aber nach mehr: Es entsteht fast eine Sucht, die Dosis muss ständig erhöht werden.

Dem gegenüber steht das Erfüllungsglück. „Glück ist ein Geschenk, für das man etwas tun muss. Es ist wichtig, dass man etwas dazu beitragen muss, um glücklich zu sein. Man kann es nicht erzwingen wie die Liebe“, so Demetz. Immer wieder stellte er Querverbindungen zu biblischen Gleichnissen und Geschichten her. So erklärte er anschaulich, was in der Bibel gemeint ist, wenn es heißt: „Herr, schenk mir ein hörendes Herz". Wenn jeder nur seine Ideen und Meinungen vertritt, wird der andere überhört. Menschen sind aber kommunikative Wesen und zum Glücklichsein gehören auch Dankbarkeit und Gemeinschaft. Oder um es mit dem englischen Philosophen Francis Bacon zu sagen: „Es sind nicht die Glücklichen, die dankbar sind. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind. Abschließend gab Demetz den anwesenden Witwen, Witwern und Alleinstehenden mit auf den Weg: „Glück ist, einen Plan zu haben... für etwas oder jemanden da zu sein“.

Das Gehörte griff die Vorsitzende Rosa Purdeller Obergasteiger in ihren Abschlussworten gleich auf: „Mich erfüllt es mit großem Glück, wenn ich sehe, welch sinnstiftende Tätigkeit wir nun schon seit Jahrzehnten für so viele machen. Wir sind dankbar und glücklich“.
Nach einem gemeinsamen Mittagessen wurde der Nachmittag zum gemütlichen Beisammensein genutzt. Für Unterhaltung sorgten die Seniorentheatergruppe Unterinn und der Sarner Männerchor mit Rosa Oberhöller.
Im Vordergrund Demetz, Purdeller Obergasteiger und Organisatoren, Referenten und Witwenvertreterinnen