KVW Aktuell

Stein um Stein weiterbauen

Kurzinterview mit Landesrätin Ulli Mair
Foto: Fabio Brucculeri
Seit etwas mehr als 100 Tagen trägt die freiheitliche Ulli Mair die politische Verantwortung in den Bereichen Sicherheit und Wohnen in dieser Landesregierung. Wir vom Kompass haben um ein kurzes Interview gebeten, um vor allem die Pläne für den Bereich „Wohnen“ genauer zu durchleuchten.
In den letzten Wochen haben Sie mit dem KVW und der Arche im KVW einen guten Kontakt aufgebaut. Was sind für Sie die wichtigsten Ziele, die Sie in dieser Legislatur verfolgen?
Ich stehe im regen Austausch mit der Arche im KVW, weil wir uns intensiv über die Wohnbaupolitik in Südtirol austauschen und ich mit der Arche einen kompetenten Partner habe. Einerseits arbeiten wir im Ressort für Wohnbau mit Blick auf den sozialen Wohnbau und auf das WOBI daran, Konzepte und Projekte auszuarbeiten, die den Leerstand beenden, damit folglich Wohnungen schnell zur Verfügung stehen, die wir für strategische Berufsgruppen, aber auch in Notlagen brauchen. Da und dort müssen wir auch beim Neubau in die Gänge kommen und auch die Gemeinden in die Pflicht nehmen, die entsprechenden Baugründe für den sozialen Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Insgesamt ist es mir wichtig, mich intensiv mit den Gemeinden auszutauschen, um den Bedarf an Wohnraum im ganzen Land laufend zu prüfen.

Beim Thema Wohnbauförderung sind wir dabei, Maßnahmen zu setzen, um die langen Wartezeiten wesentlich abzubauen. Einerseits wird das über die gezielte Personalaufnahme in der Landesverwaltung, andererseits über die Digitalisierung, aber letztlich auch über ein neues System funktionieren, das in Richtung zinsloser Darlehen zeigt. Letztlich bemühen wir uns darum, dass das „Wohnen mit Preisbindung“ kommt, mit der Wohnbauförderung kombinierbar wird, und dass in diesem Rahmen auch Mietwohnungen entstehen, wo ich einen großen Bedarf im Land sehe. Für mich ist das gemeinnützige Wohnen mit Mietwohnungen, das in Österreich gängig ist, auch für Südtirol ein Vorbild.
”Leistbares Wohnen“ ist in aller Munde. Wir können Sie als politisch verantwortliche Landesrätin hier positiv einwirken? Wir kann man dieses Ziel erreichen?
Das leistbare oder besser gesagt bezahlbare Wohnen eignet sich nicht für einfache und schnelle Lösungen, sondern es ist eine ganze Reihe an Maßnahmen, wie in einem Mosaik, zu setzen. Die einfachen Lösungen gibt es allein deshalb nicht, weil wir in Südtirol nicht willkürlich Bauland ausweisen können und wollen, um die Nachfrage zu drosseln, die vielfach auch außerhalb des Landes entsteht und somit eine Hochpreislage erzeugt. Deshalb müssen wir uns an zahlreichen Baustellen ins Zeug legen, den gesellschaftlichen und politischen Dialog führen, einen Konsens erzielen und konstruktiv an der Wohnbaupolitik in Südtirol arbeiten. Wir brauchen heute nämlich Maßnahmen gegen die kurzfristige Vermietung von Wohnungen zu touristischen Zwecken, die dann in der Folge als Mietwohnungen wegfallen. Wir brauchen intensive Kontrollen im Bereich konventionierter Wohnungen, denn der Missbrauch gehört beendet. Wir müssen die Wohnbauförderung beschleunigen und den Fokus auch auf Sanierungen und Wiedergewinnungen setzen. Und wir müssen das Wohnen mit Preisbindung schnell auf Schiene bekommen, weil wir damit private Bauträger in die Pflicht nehmen, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Und wir müssen der Frage nachgehen, wie gemeinnützige Mietwohngenossenschaften entstehen können. Schlussendlich sind sehr viele Hebel in Bewegung zu setzen, die in Summe eine deutliche Verbesserung bewirken sollen und werden. Das bezahlbare Wohnen ist aber kein Thema, das von heute auf morgen umsetzbar ist.
Interview: Iris Pahl

KVW Aktuell

Pro & Contra

Wohnen wird für viele Bürger:innen in Südtirol mehr und mehr zum Problem. Es müssen rasch Maßnahmen ergriffen werden, damit dieses Grundrecht gewahrt werden kann. Konventionierte Wohnungen sind den Ansässigen vorbehaltene und preisgebundene Wohnungen. Sollten in Südtirol in Zukunft nur noch konventionierte Wohnungen neu gebaut werden dürfen?
Pro
JA! Wenn in Südtirol neues Bauvolumen für Wohnbau geschaffen wird, sollte diese so bald als möglich zu 100% Ansässigen vorbehalten werden. Jede neue Wohnung sollte ausschließlich für SüdtirolerInnen und Südtiroler und den im Land arbeitenden Personen gebaut werden!

Die Wohnungsnot in Südtirol hat in den letzten Jahren rapide zugenommen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Großfamilien nehmen ab. Ein- und Zwei-Personen-Haushalte nehmen zu. Schon allein aufgrund dieses Phänomens brauchen wir jährlich hunderte Wohnungen mehr. Südtirols Bevölkerung wächst jährlich um 1.500 – 2.000 Personen. Die Wohnungen für Ansässige nehmen ab, weil viele Wohnungen ohne Bindung touristisch genutzt werden.

Südtirols Betriebe, unter anderem Sanität, Sozialdienst, Universität, Ordnungskräfte und viele andere, sind auf Fachkräfte aus anderen Regionen Europas angewiesen. Für diese werden dringend Unterkünfte benötigt. Junge SüdtirolerInnen, die zu Studien- und Ausbildungszwecken das Land verlassen haben kommen nicht mehr zurück, weil der Wohnungsmarkt im Land extrem angespannt ist.

Es wird immer schwieriger, preiswerten Wohnraum zu finden.
Wir sollten daher alles in unserer Macht Stehende tun, um die bestehenden Wohnungen für Ansässige zu reservieren. Jene Wohnungen, die eine Bindung haben, sollten auch wirklich an Ansässige vermietet werden. Die Kontrollen, ob dem auch so ist, sollten dringend verstärkt werden.

Bestehende Wohnungen ohne Bindung können leider nicht mehr SüdtirolerInnen vorbehalten werden. Umso wichtiger ist es, dass jede neue Wohnung für Ansässige reserviert wird.

Leonhard Resch, Leiter der Arche im KVW
Contra
Das aktuelle System des Wohnbaus in Südtirol hat über Jahrzehnte hinweg gut funktioniert, ist nun aber an seine Grenzen gestoßen und führt indirekt auch zu einer weiteren Steigerung der Preise. Es braucht also einen Paradigmenwechsel, um Wohnen wieder bezahlbarer zu machen.

Doch wie könnte dieser aussehen? Für leistbaren Wohnraum wird seit Jahren immer dasselbe gefordert: mehr Beiträge und mehr Reglementierungen. Die Konventionierung ist ein Beispiel dafür: zuerst waren es 10 Jahre, dann 20 Jahre, dann auf unbestimmte Zeit.

Doch sind die Wohnungen dadurch bei uns günstiger geworden? Um Wohnen wieder leistbarer zu machen, müssen wir uns trauen endlich mehr Wohnraum zu schaffen und somit den Markt zu beruhigen. Weitere Einschränkungen führen nur zum gegenteiligen Effekt: einem weiteren Steigen der Preise.
Aus unserer Sicht braucht es drei Arten von Wohnraum: Sozialwohnungen, Wohnungen für Ansässige und freie Wohnungen – jeweils aber sollen die Bindung dabei unbegrenzt Gültigkeit haben, wodurch drei verschiedene Märkte mit unterschiedlichem Preisgefüge entstehen.

Lässt aber der freie Wohnbau den Preis steigen? Nein, nicht der neue freie Wohnbau ist der Preistreiber. Bei neuen Wohnbauzonen finanziert der freie Wohnbau (im Normalfall 16% der Fläche der Wohnbauzone) den geförderten Wohnbau mit. Der geförderte Grund wird an die Zuweisungsempfänger zu ¼ des Schätzwertes zur Verfügung gestellt. Der Schätzwert definiert sich aber anhand der auf dem freien Markt realisierten Werte. Eine weitere Verknappung des freien Wohnbaus führt somit, bei gleichbleibendem System, unweigerlich zu einer weiteren Steigerung der Grundpreise und somit zu einer weiteren Verteuerung des Wohnraums für alle.

Christian Egartner, Präsident Baukollegium Südtirol
Leonhard Resch, Foto: Michael Savelli
Christian Egartner, Foto: Manuela Tessaro