Thema
Neues Jahresthema des KVW

Arbeit ist wichtig– für ein soziales Südtirol

Wenn wir das Statut des KVW in die Hand nehmen, finden wir bei den Hauptaufgaben des Verbandes:„das Studium all jener Fragen, welche die Werktätigen angehen“. So ist es nur richtig, dass in der heutigen Zeit des wirtschaftlichen Umbruches auch der Frage nach dem Wert der Arbeit nachgegangen wird.

Warum dieses Thema?
Arbeit befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, verursacht durch die technische Entwicklung, die internationale Arbeitsteilung und die Globalisierung. In den letzten 150 Jahren hatte die Arbeit einen dreifachen Sinn zu erfüllen:

Lebenserhalt für einen Großteil der Bevölkerung• finanzielle Absicherung im Alter durch die Rente
sinnstiftende Bedeutung für die Lebensfindung
Wie schaut es nun mit der Arbeit konkret aus?
Bei uns in Südtirol leben die meisten Menschen vom Einkommen aus Erwerbs- oder selbstständiger Arbeit. Deshalb sollten diese Einkommen ein Leben in Würde ermöglichen. Oft hören wir den Spruch: „Wenn wir jetzt alle den Gürtel enger schnallen, dann schaffen wir es“. Er ist aber falsch. Nicht alle können sparen. Zu viele Menschen müssen bereits jetzt bei Gesundheit, Ernährung oder Bildung sparen. Wenn wir nun noch weiter zum Sparen auffordern, ist das untragbar. Armutsbetroffene nehmen besonders auch in der Mittelschicht und vor allem bei Frauen weiter zu. Sparen wird in Kürzen umgewandelt. Die Banken- und Finanzkrise wird genutzt, um den Wohlfahrtsstaat zu begraben. So wird zum Beispiel die Mehrwertsteuer angehoben und es wird versucht, den Zugang zu Sozialleistungen zu erschweren.
Ein weiterer Punkt ist, dass es ohne versicherte Arbeit keine Rente mehr gibt. Mit dem neuen Rentensystem wird nur der eingezahlte Betrag in eine Rente umgewandelt. Durch die verschiedenen prekären Arbeitsformen ist die Einzahlung aber gefährdet. Die eingezahlten Beträge werden nicht für eine menschenwürdige Rente ausreichen. Hier sind wir als KVW gefordert Aufklärungsarbeit zu leisten.
Arbeit ist mehr als Lebenserhalt und finanzielle Absicherung. Arbeit stiftet Sinn. Auch Papst Franziskus sagte beim Weltjugendtag: „Mensch sein heißt mehr als nur nützlich zu sein.“ Über die Arbeit erfahren wir Selbstverwirklichung, Anerkennung und Teilhabe am Gesellschaftsleben.
Aktuelle Probleme rund um die Arbeit
Der Mensch in der Arbeitswelt kommt immer stärker unter Druck: Zeitverträge, atypische Arbeitsverhältnisse, unsichere Arbeitsplätze und Kündigungen sind nur einige Beispiele dafür.
Diese Veränderungen erfordern Menschen, die sich schnell auf neue Situationen einstellen können. Diese Flexibilisierung bringt neue Freiheiten mit sich, aber auch den Zwang sich zu entscheiden, sich neu zu orientieren. Lebenslanges Lernen wird zur Basis jeglichen Arbeitslebens. Bereits Jugendliche spüren das. Die Berufswahl wird erschwert, indem Ausbildung sehr schnell nichts mehr wert sein kann.
Nicht jeder ist diesen Anforderungen gewachsen. Der ständige Wandel und Wechsel führt bei manchen Menschen zu psychischen und physischen Überlastungen. Die Selbstverwirklichung in der Arbeit wird zur individuellen Überforderung.
Nicht zu vergessen sind die Auswirkungen auf unsere Beziehungen.Familie, Freunde brauchen Stabilität. Doch es ist nicht einfach ein stabiles Beziehungsleben herzustellen, wenn das Umfeld ständig wechselt. Steigende Unzufriedenheit auf beiden Seiten führt nicht selten zur Zerreißprobe.
Das wohl größte Problem ist die steigende Arbeitslosigkeit. Seit Ausbruch der Krise sind europaweit zehn Millionen Menschen und mehr arbeitslos. Die Kürzungspolitik kostet jeden Tag weitere Arbeitsplätze. Besonders betroffen sind Jugendliche und Menschen ab 50 Jahren. Durch die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist es für Jugendliche schwer geworden in das Arbeitsleben einzusteigen. Hier muss Arbeit neu verteilt werden. Unternehmen sollen Menschen einstellen und nicht Überstunden und Mehrarbeit anordnen.
Südtirol – ein wohlhabendes Land
An sich sollte in Südtirol niemand in Armut leben. Es ist genug für alle da. Allerdings gibt es Schieflagen, denen wir uns entgegenstellen müssen. In erster Linie denke ich dabei an mehr Gerechtigkeit in der Steuerbelastung. Steuern sind die Grundlage eines Sozialstaates und jeder ist aufgefordert, seinen Teil am Gemeinwohl beizutragen. Nur muss dieser Beitrag auch sozial verträglich sein. Oft kommt es zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Arbeitnehmer und der Kleinbetriebe. Auffallend ist, dass in den nordischen Ländern trotz höherer Steuersätze eine höhere Akzeptanz der Notwendigkeit von Steuern besteht.
Es braucht eine höhere Treffsicherheit bei Ausgaben. Immer wieder hören wir, dass Projekte finanziert werden können, deren Anteil am Gemeinwohl nicht klar nachvollziehbar ist. Auch hier wollen wir als KVW uns vermehrt zu Wort melden und die Anliegen unserer Mitglieder deutlich vertreten. Bildung, Gesundheit sind jene Bereiche, die uns alle angehen und wo wir keine Kürzungen hinnehmen können.
Ausblicke
Wir wollen nicht jammern, sondern Wege in die Zukunft aufzeigen. Bereits mit unserem Jahresthema „Besser statt mehr“ haben wir vor drei Jahren mit unseren Ortsgruppen ein weg von der Quantität und hin zur Qualität eingefordert. Nur nachhaltiges Wirtschaften ist zukunftsfähig. Dabei ist jeder für seinen Teil verantwortlich. Allzu oft höre ich den Einwand: „Was will man da schon dagegen tun? Ich werde als einzelner auch nicht viel verändern können.“ Wir antworten: „Stimmt. Aber ich kann durch ein bewusstes Leben einen Beitrag leisten, dass sich doch manches in Grenzen haltenkann – müssen es die Erdbeeren an Weihnachten sein, müssen es am Valentinstag dicke Rosensträuße von höchst zweifelhafter Herkunft sein?“
Ein stetiges Steigern von Wachstum und Konsum hat uns in eine Sackgasse geführt. Erlauben wir uns einen Rückblick auf unserer eigens Tun:
Unsere stetige Zunahme im Verbrauch von Erdölprodukten (Kunststoffe, Benzin, Diesel) hat dazu geführt, dass sie zu Ende gehen. Unser Augenmerk muss auf die erneuerbaren Energien gelenkt werden. Saubere Energie in Form von Wasser, Sonne und Wind können in unserem Land noch weiter ausgebaut werden.
In den letzten Jahrzehnten ist es zu einem riesigen Verbrauch an Grund durch den Bau von Eigenheimen gekommen. Grund und Boden sind in einem kleinen Land wie Südtirol begrenzt. Freie Wiesen, landwirtschaftliche Nutzflächen, Kulturlandschaften sind unsere Stärke und sollten nicht nur für Touristen attraktiv sein. Ich verstehe den Wunsch nach den eigenen vier Wänden sehr gut, aber in der Sanierung von Altbauten steckt z. B. gerade in den Stadtzentren noch ein großes Potential.
Bildung, Forschung und Innovation sind Themen, die heute die Weichen für ein lebenswertes Morgen stellen und gleichzeitig für junge Menschen Chancen hervorbringen.
Wir als KVW setzten uns für eine gute Arbeit ein:
Mitverantwortung erreichen wir durch Information und Einbindung in Entscheidungsprozesse.
Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und ehrenamtlichem Engagement muss auch in Zukunft gesichert sein.
Gerechtigkeit ist die Grundlage aller Bereiche. So sollen Frauen und Männer die gleichen Chancenam Arbeitsmarkt haben. Menschengerechte Arbeitsbedingungen ermöglichen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine ansprechende Arbeit. Persönliche Fähigkeiten können eingebracht werden und werden durch Weiterbildung gefördert.
Nachhaltigkeit ist der bewusste Umgang mit den Ressourcen. Arbeitswege und Arbeitsplatzgestaltung sollen einen sorgsamen Umgang mit der Umwelt ermöglichen. Arbeitszeiten beachten die Gesundheit der Menschen und ermöglichen genügend Ruhepausen und Erholung. Produktion und Dienstleistungen sind nachhaltig ausgerichtet, sie beachten die Gesetzmäßigkeiten der Natur und die Begrenztheit der Ressourcen. Die hergestellten Produkte und Dienstleistungen nützen dem Menschen.

Text: Dagmar Trafoier Und Werner Steiner

KVW Aktuell
Die längst überfällige Gleichstellung

Modernisierung des italienischen Familienrechtes in Bezug auf eheliche und uneheliche Kinder

Ein Kind ist jetzt auch in unserem Rechtssystem ein Kind. Und es spielt keine Rolle mehr, ob es in einer Ehe oder außerhalb geboren oder adoptiert wird. Ab jetzt gibt es rechtlich gesehen keinen Unterscheid mehr. Aus unseren Gesetzestexten verschwinden nun endlich alle Beiwörter wie ehelich, unehelich, adoptiert und es bleibt ein einziger Begriff übrig: einfach nur Kind.
Es ist eine kleine Revolution, die die Regierung Letta mit dem Legislativdekret vom 12.7.2013 einleitet und damit die Vorgaben des Ermächtigungsgesetzes Nr. 219/2012 umsetzt. Diese Reform des Familienrechts ist eine längst fällige Anpassung unseres Rechtssystems an europäische Standards. Die wesentlichen Inhalte der Reform betreffen das Erbrecht, wonach die unehelichen Kinder - sowie die ehelich geborenen Kinder und die Adoptivkinder - zur Erbschaft nicht nur gegenüber den Eltern, sondern auch gegenüber allen anderen Verwandten berufen werden können. Ebenso sieht die Reform die Abschaffung des Begriffes „elterliche Gewalt“ und die Einführung der Bezeichnung „elterliche Verantwortung“ für all jene Rechte undPflichten vor, die sich aus dem Elternwerden und Elternsein ergeben wie die Pflicht die Kinder, gleichgültig ob ehelich, unehelich oder adoptiert, zu erhalten, zu erziehen und ihren Neigungen und Fähigkeit entsprechend auszubilden. Auch die Möglichkeiten einer Vaterschaftsaberkennungsklage werdenin dem entsprechenden Legislativdekret auf fünf Jahre nach der Geburt des Kindes im Interesse desselben eingeschränkt und die Anhörungsrechte der Minderjährigen in Gerichtsverfahren, die sie betreffen, ausgeweitet. Das alles trägt auch einer jahrelangen Rechtssprechung des Verfassungs- und Kassationsgerichtshofes Rechnung, die diese Punkte wiederholt aufgegriffen und im Sinne der nun erfolgten Reform angemahnt haben. Ministerpräsident Enrico Letta nennt diese Reform selbst wörtlich ein „großes Zeichen von Menschlichkeit“ und das ist sie wirklich.
Denn die UN-Kinderrechtskonvention, welche am 20. November 1989 in Kraft getreten ist und der sich Italien durch die Ratifizierung im Jahr 1992 verpflichtet hat, schreibt fest, dass alle Kinder gleich sind, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion und ob Junge oder Mädchen.
Welche Bedeutung diese Reform des Familienrechtes hat, lässt sich sehr schnell an der Zahl der betroffenen Kinder festmachen. In Italien wird jedes vierte Kind außerhalb der Ehe geboren, in Südtirol schon jedes zweite Kind. Für sie alle bedeutet das nun, dass sie sich ohne Unterschied auch im Sinne des Gesetzes einfach nur als Kinder ihrer Eltern fühlen können.

Text: Waltraud Deeg